Feuilleton

Aus der Pionierzeit der Balneologie

Seit 2001 wird im historischen Maschinenhaus des Gesundheitsparks Bad Gottleuba im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit rund 1500 Objekten eine der größten balneologischen Sammlungen in privater Trägerschaft präsentiert. Zu sehen sind Rauminszenierungen, Medizintechnik und medizinische Instrumente aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Duschmassage Originelle Kombination zweier physikalischer Therapien.

Für genesende LVA-Versicherte im Königreich Sachsen war das Ausschauen nach Kurschatten streng tabu: "Der Verkehr von Männern in der Frauenabteilung, von Frauen in der Männerabteilung ist verboten, ebenso das Besuchen in den verschiedenen Häusern derselben Abteilung ohne Einholung einer Erlaubnis", heißt es in § 6 der Hausordnung der 1913 eröffneten Heilstätte Gottleuba. Um jegliche Aufregung zu vermeiden, waren auch alle politischen, sozialen und religiösen Meinungsäußerungen untersagt. In den Räumlichkeiten durften nur von der Verwaltung genehmigte Drucksachen ausgelegt werden. Neben den medizinischen Behandlungen sollte ein strenges Reglement die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Rehabilitanden wiederherstellen.

Während des 1. Weltkriegs wurde die Klinik als Lazarett genutzt, danach wieder als Rehabilitationseinrichtung. Im 2. Weltkrieg wurden in der Heilstätte Gottleuba abermals verwundete Soldaten behandelt. 1945 begann der Ausbau zu einem "Kliniksanatorium" mit vier medizinischen Fachabteilungen und bis zu 700 Betten. Nachdem die Einrichtung 1990 wieder durch die LVA Sachsen übernommen worden war, strukturierte man sie unter privater Trägerschaft zum "Gesundheitspark" mit fünf Fachkliniken um.

Von der Quarzlampe bis zum subaqualen Darmbad

Nach der denkmalgerechten Sanierung des historischen Maschinenhauses eröffnete der Verein "Historische Sammlungen im Gesundheitspark Bad Gottleuba" im Oktober 2001 ein "Deutsch-Tschechisches Bildungs- und Informationszentrum für Rehabilitation und Balneologie", in dem auf einer Fläche von 600 m2 medizinische Geräte und Instrumente die Geschichte der Rehabilitation dokumentieren.

Die Abteilung für physikalische Therapie vermittelt einen Überblick über Behandlungsmethoden, die vor vielen Jahrzehnten entwickelt wurden und zuweilen heute noch erfolgreich eingesetzt werden. Die ultraviolette Strahlung der Höhensonne oder Quarzlampe bewährte sich schon vor 1940 in der Therapie von Haut- und Blutkrankheiten oder Knochenleiden. Mithilfe einer Solluxlampe wurde damals gezielt die Durchblutung von Organen gefördert. Bei chronischen Erkrankungen des Bewegungsapparats und des Urogenitalsystems war die Kurzwellentherapie angezeigt.

Ferner sind eine alte, aber noch gebrauchsfähige Armbadewanne sowie Geräte für die Behandlung der Extremitäten in CO2 -Gasbädern zu sehen.

Eine Rarität ist das subaquale Darmbad, in dem Darmspülungen durchgeführt wurden: Patienten mit chronischer Obstipation nahmen ein Vollbad und wurden dabei, auf einem roten Sattelkissen sitzend, mehrfach klistiert. Durch ein im Kissen montiertes Afterröhrchen wurde der gelöste Darminhalt in ein Gefäß mit Schauglas abgeleitet.

Ein weiterer "Veteran" unter den Exponaten ist das Duschmassagegerät aus dem ehemaligen Kurmittelhaus, das seit Eröffnung der Heilstätte bis 1970 in Betrieb gewesen ist. Ein ausgeklügeltes Leitungssystem und unterschiedlich einstellbare Duschköpfe erlaubten je nach Indikation sowohl in der Druckintensität als auch in der Temperatur variable Duschmassagen.

Heute ist in Rehabilitationseinrichtungen die einmalige Verwendung von Handtüchern eine Selbstverständlichkeit. Anders in der Gründungszeit der Heilstätte: Damals hängten die Patienten ihre feuchten Badetücher auf die Streben einer herausziehbaren, allseitig mit Holz verkleideten Stellage. Darauf wurden die Badetücher mit Heißluft getrocknet und konnten wiederverwendet werden.

Ausstellung


Historische Sammlungen im Gesundheitspark Bad Gottleuba

Hauptstr. 39, 01816 Bad Gottleuba

Tel. (0 35 23) 64-89 30, -44 16 oder ‑66 06

www.medizinhistorische-ausstellung-bad-gottleuba.de

Geöffnet: Dienstag bis Donnerstag und Samstag 13 bis 17 Uhr, Sonntag 10 bis 17 Uhr

Sonderführungen nach vorheriger Absprache

Anfänge der modernen Medizintechnik

Schon kurz nach ihrer Eröffnung war in der Heilstätte Gottleuba das Röntgenverfahren etabliert worden. Fertigte man bereits 1916 Aufnahmen für diagnostische Zwecke an, so wurde sieben Jahre später eine modernere Röntgenabteilung eingerichtet, in der ab 1929 bis 1988 auch Bestrahlungen von Hauttumoren und Gelenk- und Brustdrüsenentzündungen durchgeführt wurden. Die seinerzeit in der Klinik eingesetzte Anlage befindet sich heute im Deutschen Hygienemuseum Dresden. Der in Bad Gottleuba ausgestellte "Neo Novograph" wurde 1929 in der Berliner Firma "Sanitas" hergestellt und ähnelt weitgehend dem Original.

Auch in der Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen war die Heilstätte immer auf dem neuesten Stand. EKG-Geräte aus verschiedenen Epochen dokumentieren den Einzug der Elektrokardiographie in die klinische Anwendung. Die ersten tragbaren EKG-Geräte wurden 1935 gebaut. Auch Fahrradergometer, Stethoskope, Herzschallmikrophone und Blutdruckmessgeräte aus mehreren Jahrzehnten belegen den rasanten Fortschritt in der Diagnostik und Therapie von Herz- und Kreislauferkrankungen.

Operationssaal für Soldaten und zivile Patienten

Ursprünglich war für die Heilstätte keine chirurgische Versorgung vorgesehen. Erst bei der Umstrukturierung zum Reservelazarett nach Beginn des 1. Weltkriegs wurde ein Operationssaal eingerichtet. Er wurde auch im 2. Weltkrieg für die Versorgung Verwundeter genutzt und nach 1945 für die zivile Versorgung sogar erweitert. Bis in die 60er Jahre hinein führte man hier neben Operationen auch diagnostische Maßnahmen – insbesondere bei urologischen Patienten – durch.

Aus dem multifunktionalen Operationstisch, hergestellt vor 1965 in der Medizinischen Gerätefabrik Berlin, und OP-Utensilien aus dem Bestand der Heilstätte wurde ein kompletter Operationssaal inszeniert, der einen Vergleich zwischen dem chirurgischen Standard früherer Zeiten und der High-Tech-Medizin von heute erlaubt. Bemerkenswert sind ein – wenngleich unvollständiges – chirurgisches Besteck aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowie verschiedene Narkosemasken aus der Zeit vor 1945.

Schlafräume mit vier bis acht Betten

Weiterhin gewährt die Ausstellung einen Einblick in das einstige Labor der Heilstätte, in dem ab 1913 bis in die 70er Jahre nahezu alle Untersuchungen durchgeführt wurden. Weitere Stationen sind eine historische Sterilisationsabteilung sowie ein Schwesternzimmer.

Die Möblierung eines Patientenzimmers der Heilstätte Gottleuba mutet – verglichen mit dem gediegenen Komfort heutiger Rehakliniken – geradezu spartanisch an. Anno 1913 waren die Rehabilitanden dort jedoch besser aufgehoben als in anderen Heilstätten: In den Zimmern, die nur als Schlafräume dienten, standen vier bis acht Betten mit jeweils einem Nachtschrank. Die Garderobe wurde auf dem Flur in einem Schrank aufbewahrt. Laut § 7 der Hausordnung durften sich die Versicherten tagsüber nicht im Schlafraum aufhalten, es sei denn um sich zu waschen oder die Kleidung zu wechseln. Die Fenster waren nach Anordnung des Arztes und des Pflegepersonals offenzuhalten.


Reinhard Wylegalla
Fotos: Historische Sammlung B. G.
Subaquales Darmbad zur Behandlung von Patienten mit Obstipation.
Ethermaske nach Gustave Julliard mit Netz und Tuch.
Schimmelbuschmaske für Tropfnarkosen mit Ether oder Chloroform – das wichtigste Narkosegerät früherer Zeiten.
Armbadewanne für Wechselbäder.

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