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Steffen Seibert wird neuer Regierungssprecher

BERLIN (lk). Sie stehen selbst nur selten im Mittelpunkt. Ihr Job ist klar umrissen: Sie sollen für positive Schlagzeilen sorgen – über die Regierungspolitik und über die Kanzlerin im Besonderen. Jetzt findet an dieser sensiblen Schaltstelle im Regierungsapparat ein Wechsel statt. Ulrich Wilhelm, seit knapp fünf Jahren Angela Merkels wirkungsvoller Chefvermarkter, kehrt Berlin den Rücken. Kehrt als Intendant des Bayerischen Rundfunks zurück in seine Heimat. Steffen Seibert, der bundesweit bekannte ZDF-Nachrichtenmann, tritt am 11. August seinen Dienst im Bundespresseamt an und zugleich in die großen Fußstapfen seines Vorgängers.

Die ganze Nation kennt sein Gesicht. Zur abendlichen Nachrichtenzeit im ZDF präsentiert der sympathische 50-jährige Journalist selbst komplizierte Nachrichten mit Charme und Geschick. Mit seinem Wechsel in die Regierungszentrale muss der studierte Historiker und Literaturwissenschaftler nicht nur seinen Tagesrhythmus auf den Kopf stellen. Steffen Seiberts wichtigster Termin findet künftig bereits um 8.30 Uhr statt – in Raum LE 7.101 im siebten Stock des Kanzleramts. Um einen runden Tisch versammelt sich dort eine kleine Runde zur täglichen Morgenlage mit Kanzlerin Angela Merkel: Presseschau, Manöverkritik und Ausblick.

Wie schon unter Helmut Kohl oder Gerhard Schröder zählen die Themen der Morgenlage zu den bestgehütetsten Geheimnissen im Berliner Politikbetrieb. Dort wird besprochen, was wirklich wichtig ist. Dort wird hergezogen über den politischen Gegner und gelästert über Quertreiber in den eigenen Reihen. Dort kann Angela Merkel ungeschützt reden, ihrem sarkastischen Humor freien Lauf lassen. Zum engsten Kreis um Merkel gehört ihre Büroleiterin Beate Baumann, seit den 1990er Jahren immer an der Seite der CDU-Politikerin. Genauso wie Eva Christiansen, die Medienberaterin und Planungschefin der Kanzlerin, Merkels "Girl-Camp". Mit am Tisch sitzen meistens Kanzleramtschef Ronald Pofalla und CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Und eben der Regierungssprecher, ab dem 11. August Steffen Seibert.

Mit Regierungssprecher Ulrich Wilhelm verliert die Kanzlerin in einer kritischen Phase einen ihrer wichtigsten Vertrauten. Wilhelm, der das politische Geschäft als Berater von Bayerns Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber auch auf der Bundesebene kennenlernte, schaffte es rasch, sich das Vertrauen von Merkel und der Berliner Journalie zu erarbeiten – keine leichte Aufgabe beim eher misstrauischen Naturell der Kanzlerin und der Korrespondenten sowieso. Entscheidend für Seibert wird daher sein, ob es ihm ähnlich wie Wilhelm gelingt, eine ganz besondere Vertrauensstellung bei Merkel zu erlangen. "Sie wird ihm den gleichen Zugang geben zu allen Terminen, wie sie ihn auch mir gegeben hat", kommentierte Wilhelm den Personalwechsel. Zugang ja, aber Vertrauen? Das muss wachsen.

Es wurde viel spekuliert, warum sich der angesehene ZDF-Nachrichtenmoderator von der hohen Warte des Journalisten in die Niederungen der Politik begibt. Der etwas bessere Verdienst dürfte es nicht sein: Als Staatssekretär trägt Steffen Seibert künftig rund 11.500 Euro monatlich nach Hause, 3000 mehr als beim ZDF. Dafür fallen die lukrativen Nebenjobs für prominente TV-Moderatoren weg. Vielmehr dürfte sich der 50-jährige auf der ZDF-Karriereleiter keine weiteren Chancen mehr ausgerechnet haben. Der neue ZDF-Chefredakteur Peter Frey hat alle wichtigen Posten neu besetzt. Steffen Seibert ging dabei leer aus. Einem Regierungssprecher stehen aber in der Regel die Türen für weitere Karrieresprünge offen.

Zunächst einmal muss sich Steffen Seibert jedoch im ihm unbekannten Ränkespiel des Berliner Politikbetriebes behaupten. Es bleibt ihm dazu nicht viel Zeit. Das Ansehen der Regierung ist schlecht. Wird es nicht besser, könnte Merkels Chefverkäufer rasch dafür verantwortlich gemacht werden.

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