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Heißer Juli

Peter Ditzel

Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet – mit dieser Redewendung charakterisierte die SPD-Fraktionsvize Elke Ferner den Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler. Das mag vielleicht aus ihrer Sicht und mit Hinblick auf eine große Gesundheitsreform stimmen. Aus Sicht der Apotheker stellt sich der Sprung gerade anders dar: als Kuschelkater gesprungen und als Tiger gelandet. Jetzt nämlich sitzt dieser Tiger auch vor den Apothekern und zeigt seine Zähne. Massiv und wider Erwarten heftig könnten die Apotheker durch das Gesetzesvorhaben AMNOG (Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz) zur Kassen gebeten werden. Das Subtile dabei ist, dass dies indirekt geschehen soll, nämlich über eine Schmälerung der Großhandelsmarge. Nach dem Kabinettsentwurf des AMNOG darf der Großhandel zukünftig auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ohne MwSt.) einen Zuschlag von höchstens 1,7% (maximal jedoch 20,40 Euro) sowie zusätzlich einen Festzuschlag von 60 Cent und die Umsatzsteuer erheben. Zur Rabattgewährung darf der Großhandel höchstens den prozentualen Zuschlag, nicht aber den Festzuschlag einsetzen. Das bedeutet für die Apotheke: Der Spielraum zur Rabattgewährung seitens des Großhandels wird weiter massiv eingeschränkt. Das ist von der Politik so gewollt. Viele Apotheken, die heute mit dem vom Großhandel gewährten Rabatt fest rechnen, werden eine drastische Einkommensschmälerung hinnehmen müssen, die im Einzelfall bis an die Existenzgrenze gehen kann.

Wieder einmal hat man sich das schwächste Glied in der Kette herausgesucht. Dabei sind die Apotheken nicht die Preistreiber, im Gegenteil. Die Politik muss wissen: Steigende Umsätze führen nicht unbedingt zu steigenden Erträgen. Und die Erträge der Apotheken haben nichts mit den Arzneimittelausgaben zu tun. Die Ausgaben der GKV für die Mehrwertsteuer bei Arzneimitteln sind in etwa so hoch wie die Ausgaben der GKV für die sichere und zuverlässige Distribution von Arzneimitteln durch die Apotheken niedrig sind. Auch das kann man nicht oft genug wiederholen.

Der FDP wurde unlängst noch nachgesagt, nicht nur Klientelpartei des Hotelgewerbes, sondern auch von Ärzten und Apothekern zu sein. Dass Letzteres nicht zutrifft, scheint sie nun der Öffentlichkeit beweisen zu wollen, indem sie gerade die Apotheken besonders hart trifft. Und das nicht nur mit der Änderung der Großhandelsmarge, sondern auch durch die Herausnahme des Verbots von Pick-up-Stellen aus dem Kabinettsentwurf. Für mich war und ist dies ein Wortbruch, es ist mehr als enttäuschend. Man kann es nicht oft genug wiederholen: "Wir werden die Auswüchse beim Versandhandel bekämpfen, indem wir die Abgabe von Arzneimitteln in den sogenannten Pick-up-Stellen verbieten" – so hieß es noch im Koalitionsvertrag. Übrig geblieben ist nun eine Klientelpolitik für die Drogeriemarktketten, deren massiven Druck man sichtlich erlegen ist. Dass ein Verbot juristisch nicht machbar und verfassungswidrig sei, wie es vonseiten des Justiz- und Innenministeriums tönt und was vonseiten der Regierung als Begründung gegen ein Verbot angeführt wird, ist nicht glaubhaft. Es gibt sie, die juristischen Gutachten und Stellungnahmen, die sehr wohl zu einem anderen Ergebnis kommen. Die FDP – eine Klientelpartei für Schlecker, Rossmann, Müller und dm?

Das Perfide in all diesen direkten und indirekten Maßnahmen gegen die Apotheken: Die Öffentlichkeit, selbst die Journalisten der Tagespresse und der Tagesmedien, sehen diese Zusammenhänge nicht. So kommt es zu Schlagzeilen wie beispielsweise dieser in "Welt online": "Apotheker bleiben von Sparbeschlüssen verschont."

Immerhin, ein wenig Hoffnung dürfen die Apotheken beim Kassenabschlag schöpfen. Er sollte, so die Diskussionen in den letzen Tagen, festgeschrieben werden auf einen satten Betrag von über 2 Euro. Im Gespräch waren 2,10 bis 2,30 Euro, möglicherweise sogar noch höher. Davon scheint man laut Koalitionsgesprächen abzurücken. Weder eine Erhöhung noch eine gesetzliche Festschreibung des Rabattes an die Kassen soll vorgesehen sein. Hoffen wir, dass diese Einsicht in den nächsten Tagen und Wochen bleibt.Vielleicht wächst die Erkenntnis, dass man die Apotheken nicht unendlich melken kann – denn das käme schon einem Schlachten gleich. Die Apotheken müssen bestimmte gesetzliche Anforderungen erfüllen und dafür benötigen sie ein ausreichendes Einkommen. Stichwort Apothekenbetriebsordnung. Einen Vorgeschmack auf das, was möglicherweise mit einer neuen Apothekenbetriebsordnung auf die Apotheken zukommt, zeigte der vor Kurzem publik gewordene Arbeitsentwurf einer neuen ApBetrO. Die Apotheke soll zu einem kostenintensiven und qualitativ hochgerüsteten Arzneimittelsicherheitszentrum aufgebaut werden. Im Prinzip ist dagegen nichts zu sagen, wenn die Einnahmen der Apotheke stimmen und die Apotheke sich das leisten kann. Immer höhere und kostenintensivere Anforderungen und immer weniger Einnahmen – das passt nicht zusammen. Sicherheit hat ihren Preis.


Peter Ditzel

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