Arzneimittel und Therapie

Denosumab hemmt die Osteoklastenaktivität

Mit dem humanen monoklonalen Antikörper Denosumab (Prolia®) ist der erste RANK-Ligand-Inhibitor zur Therapie von Knochenschwund auf dem Markt. Ähnlich wie das physiologische Osteoprotegerin hemmt es den RANK-Ligand und verhindert so die Aktivierung der Osteoklasten und dadurch sowohl die Knochenresorption im kortikalen als auch im trabekulären Knochen. Ein wesentlicher Vorteil: Es muss nur zweimal jährlich subkutan injiziert werden.
RANK-Inhibitor Denosumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der mit hoher Affinität und Spezifität an den RANK-Ligand bindet und ihn dadurch hindert, seinen Rezeptor RANK (receptor activator of nuclear factor kappa B) auf der Oberfläche von Osteoklasten und deren Vorläuferzellen zu aktivieren. Durch die Unterbrechung der RANK-Ligand/RANK-Interaktion wird die Bildung und die Funktion der Osteoklasten inhibiert und dadurch die Knochenresorption im kortikalen und im trabekulären Knochen vermindert.

Denosumab ist indiziert zur Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko und bei Knochenschwund im Zusammenhang mit Hormonablation bei Männern mit Prostatakarzinom mit erhöhtem Frakturrisiko.

Das Problem ist groß, die therapeutischen Möglichkeiten unbefriedigend: In Deutschland leidet etwa ein Viertel aller Menschen jenseits des fünfzigsten Lebensjahres an Osteoporose, 10% der Männer und 39% der Frauen. Insgesamt leben hierzulande 7,8 Millionen Osteoporose-Patienten, Tendenz steigend. "Bei den 65- bis 74-Jährigen liegt das Risiko bereits bei 47%", so Prof. Dr. Peymann Hadji, Marburg. Die Konsequenzen sind alles andere als lapidar. Frakturen als Folge einer Osteoporose verursachen nicht nur Schmerzen. Auch die Mobilität der Patienten sinkt. 24% können auch sechs Monate nach der Hüftfraktur noch nicht gehen, 19% werden in ein Pflegeheim eingewiesen. Und: Nach einer Fraktur ist nicht nur das Risiko einer Folgefraktur erhöht. Auch Morbidität und Mortalität steigen. "Ein Jahr nach einer Hüftfraktur sind 20 bis 27% der Patienten verstorben", so Hadji. Der Anteil der Osteoporosepatienten zwischen 50 und 79 Jahren, die medikamentös behandelt werden, ist gering und liegt in Deutschland mit einem Prozentsatz zwischen 10 und 20% niedriger als in anderen europäischen Ländern. Dazu kommt, dass die Compliance in der etablierten Therapie mit oralen Bisphosphonaten zu wünschen übrig lässt (siehe Kasten "Das ist eine Katastrophe"). Dringender Bedarf also für neue Therapieoptionen.

"Das ist eine Katastrophe"


Die Therapietreue bei der Gabe von Bisphosphonaten ist sehr niedrig, wie die GRAND (The German Retrospective Cohort Analysis on Non-Adherence in Osteoporosis Patients treated with oral Bisphopshonates) zeigte. Danach nahmen nach einem Jahr weniger als 30% der Patienten das verordnete orale Bisphosphonat ein. "Das ist mindestens suboptimal, wenn nicht sogar eine Katastrophe", bewertete Hadji die Ergebnisse. Eine zweimal jährliche Applikation wie bei Denosumab könnte sich sehr vorteilhaft auf die Compliance auswirken. Laut Felsenberg bevorzugten in den Studien 80% der Patientinnen die subkutane zweijährliche Injektion gegenüber einer wöchentlich einzunehmenden Tablette.

OPG reguliert den RANK/RANK-Ligand-Signalweg

Ein Schritt in die richtige Richtung gelang im Jahr 1995, in dem Osteoprotegerin (OPG) als Regulator des Knochenstoffwechsels identifiziert wurde. Mit seiner Entdeckung und der Aufklärung des RANK(Receptor Activator of NF-κB)/RANK-Ligand-Signalwegs mit seiner Bedeutung für die Osteoklastenaktivität fiel der Startschuss für die Entwicklung einer neuen Generation von Medikamenten gegen den Knochendichteverlust, den RANK-Ligand-Inhibitoren. Der Hintergrund: RANK-Ligand bindet an den RANK-Rezeptor auf der Zelloberfläche von Präosteoklasten und Osteoklasten und steigert darüber die Osteoklastenaktivität, also den Knochenabbau. Reguliert wird dieser Prozess durch den löslichen Rezeptor Osteoprotegerin (OPG), einem physiologischen Inhibitor von RANK-Ligand. Damit sich Knochenabbau und -aufbau die Waage halten, müssen RANK-Ligand und Osteoprotegerin im Gleichgewicht sein. Nach der Menopause gerät diese Balance allerdings aus den Fugen, da in Folge der veränderten hormonellen Situation vermehrt RANK-Ligand exprimiert wird. Es resultieren Osteoklastenaktivierung und Knochenschwund, erläuterte Prof. Dr. Lorenz Hofbauer, Dresden. Auch unter einer Therapie mit Aromatasehemmern, bei der die Sexualhormone abfallen, wird das RANK/RANK-Ligand/OPG-System hochreguliert. Aber auch Medikamente wie Steroide können das System aus dem Gleichgewicht bringen. Die gezielte Hemmung von RANK-Ligand, so die Schlussfolgerungen, ermöglicht umgekehrt eine reversible Reduktion des Knochenabbaus.

Realisiert wurde dieses Wirkprinzip mit dem humanen Antikörper Denosumab, der die Rolle von Osteoprotegerin in diesem Ungleichgewicht übernehmen kann. Er inaktiviert spezifisch RANK-Ligand, beseitigt so den RANK-Ligand Überschuss und verhindert damit eine übermäßige Knochenresorption. Aus Sicht von Hofbauer müssten deshalb grundsätzlich alle Krankheiten infolge überaktivierter Osteoklasten auf Denosumab ansprechen.

Risiko für neue Wirbelkörperfraktur um 68% reduziert

Denosumab wurde in einem umfassenden klinischen Entwicklungsprogramm untersucht. Pharmakokinetisch zeigt die subkutane Injektion von 60 mg Denosumab innerhalb von zwölf bis 72 Stunden einen Effekt auf die Knochenabbau-Marker. Die Wirkung hält dann über sechs Monate an. Sprich: Denosumab muss nur alle sechs Monate injiziert werden. Die Wirksamkeit bei der postmenopausalen Osteoporose ist in klinischen Studien mit etwa 10.000 Patientinnen belegt. In der FREEDOM (Fracture REduction Evaluation of Denosumab in Osteoporosis every six Months)-Studie wurde die Wirksamkeit mit Placebo verglichen, und zwar bei 7868 Frauen mit postmenopausaler Osteoporose. Fast jede vierte Frau hatte bereits einen Wirbelkörperbruch erlitten. Nach 36 Monaten lag das Risiko für neue Wirbelkörperfrakturen unter Denosumab um 68% niedriger als unter Placebo. Auch das Risiko für Hüftfrakturen und für noch-vertebrale Frakturen sank. Die jährlichen Analysen zeigten keinen Anpassungseffekt. So war die Inzidenz neuer vertebraler Frakturen im ersten Jahr um 61%, im zweiten Jahr um 78% und im dritten Jahr um 65% reduziert. Unerwünschte Ereignisse, auch schwerwiegende, waren unter Denosumab Placebo vergleichbar. Neben Flatulenzen (2,2% vs. 1,4%) wurden Ekzeme (3% vs. 1,7%) häufiger beobachtet, allerdings nur bei Patientinnen, die bereits vor Beginn der Therapie exanthematöse Veränderungen hatten.

Wöchentlicher Alendronatgabe überlegen

Die DECIDE (Determining Efficacy Comparison of Initiating Denosumab vs. Alendronate)-Studie wagte den direkten placebokontrollierten Vergleich zwischen Denosumab und dem Bisphosphonat Alendronat. In der multizentrischen, doppelblinden, doppel-dummy, aktiv-kontrollierten Studie erhielten 1189 therapienaive postmenopausale Frauen mit niedriger Knochendichte an der Lendenwirbelsäule oder der Hüfte (T-Score ≤ -2,0) über zwölf Monate entweder Denosumab 60 mg alle sechs Monate oder Alendronat 70 mg einmal pro Woche. Die Knochendichte erhöhte sich unter Denosumab signifikant stärker an der Hüfte, dem primären Endpunkt, aber auch an allen anderen gemessenen Skelettlokalisationen, etwa der LWS, dem Femurhals oder dem Trochanter. Unerwünschte Ereignisse waren vergleichbar.

Verbesserte Knochendichte nach Switch

Dass die Umstellung von Alendronat auf Denosumab unproblematisch ist und einen günstigen Effekt auf die Knochendichte hat, zeigte die STAND(Study of Transitioning from Alendronate to Denosumab)-Studie. Sie untersuchte ebenfalls über zwölf Monate, wie sich eine Therapieumstellung von Alendronat auf Denosumab im Vergleich zu einer fortgesetzten Alendronattherapie auswirkt. Eingeschlossen waren 504 Patientinnen, die mindestens seit sechs Monaten mit Alendronat 70 mg pro Woche behandelt wurden. Fazit von Prof. Dr. Dieter Felsenberg, Berlin: Die Umstellung auf Denosumab führt zu einer signifikant stärkeren Zunahme der Knochendichte als eine fortgesetzte Alendronat-Gabe. Die Knochenumbaurate wird stärker reduziert.

Denosumab


Handelsname: Prolia

Hersteller: Amgen GmbH, München

Einführungsdatum: 1. Juli 2010

Zusammensetzung: Jede Fertigspritze enthält 60 mg Denosumab in 1 ml Lösung (60 mg/ml). Sonstige Bestandteile: Essigsäure 99%, Natriumhydroxid (zur pH-Wert-Einstellung), Sorbitol (E420), Polysorbat 20, Wasser für Injektionszwecke.

Packungsgrößen, Preise und PZN: Eine Fertigspritze, 318,86 Euro, PZN 6145082.

Stoffklasse: Osteoporosemittel; monoklonaler Antikörper, RANK-Ligand. ATC-Code: M05BX04.

Indikation: Zur Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko und von Knochenschwund im Zusammenhang mit Hormonablation bei Männern mit Prostatakarzinom mit erhöhtem Frakturrisiko.

Dosierung: 60 mg einmal alle sechs Monate als einzelne subkutane Injektion.

Gegenanzeigen: Hypokalzämie; Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.

Nebenwirkungen: Harnwegsinfektion, Infektion der oberen Atemwege; Ischiassyndrom; Katarakte; Obstipation; Hautausschlag; Gliederschmerzen.

Wechselwirkungen: Bisher sind keine pharmakodynamischen Wechselwirkungen bekannt.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Eine ausreichende Versorgung mit Calcium und Vitamin D ist bei allen Patienten wichtig. Patienten sollten sofort einen Arzt aufsuchen, falls sie Anzeichen oder Symptome einer bakteriellen Entzündung des Unterhautgewebes entwickeln. Vereinzelt entwickelten Patienten, die mit Denosumab oder Bisphosphonaten behandelt wurden, eine Osteonekrose im Kieferbereich.


Quelle Fachinformation Prolia, Stand Mai 2010. Prof. Dr. Lorenz Hofbauer, Dresden; Prof. Dr. Peymann Hadji, Marburg; Prof. Dr. Dieter Felsenberg, Berlin: "Keine Chance dem Knochenraub – Prolia packt das Frakturrisiko an den Wurzeln", München, 30. Juni 2010, veranstaltet von der Amgen GmbH, München, und der GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG, München.

 

Apothekerin Dr. Beate Fessler

 

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.