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Was will die Politik? Was wollen wir?

Peter Ditzel

Sommerlochzeiten sehen anders aus. Die beiden letzten Wochen brachten viele Neuigkeiten und Nachrichten für die Apothekenlandschaft mit sich, deren Auswirkungen in ihrer gesamten Tragweite noch nicht vollständig überblickt werden können. Ein kleiner Überblick mag verdeutlichen, welche bewegten Zeiten wir erleben. Jetzt gilt es, Weichen zu stellen, sich an den Diskussionen zu beteiligen und der Pharmazie die Richtung zu geben, die in eine sichere Zukunft führt.

Noch offen ist die Frage, ob Pick-up-Stellen verboten werden oder nicht. Die amtierende Bundesregierung ist zwar mit der klaren Aussage angetreten, die Arzneimittelabholstellen in Drogeriemärkten zu verbieten. Ein entsprechender Passus ist im Referentenentwurf für ein Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz vorgesehen, aber Innen- und Justizministerium halten ein solches Verbot für verfassungswidrig. Dabei gibt es zahlreiche Rechtsgutachten, die zu einem anderen Ergebnis kommen. Auch in der DAZ haben wir im vergangenen Jahr Lösungsvorschläge von Rechtswissenschaftlern und Juristen vorgestellt, wie man Pick-up-Stellen vom Tisch bekommen könnte. Bleibt zu hoffen, dass die Politik dieses Thema nicht ad acta legt. Laut Staatssekretär Bahr wird man weiter nach einer Lösung suchen.

Im März 2008 hatte das Bundesverwaltungsgericht Leipzig diese Pick-up-Stellen abgesegnet und damit eine Lawine an Liberalisierungsversuchen in der Apothekenlandschaft losgetreten (Pick-up-Stellen an Tankstellen, in Reinigungen und anderen Geschäften). Es war dasselbe Gericht, das in der vergangenen Woche ein partielles Nein zum Apotheken-Automaten sprach: Die Abgabe von verschreibungspflichtigen und verschriebenen Arzneimitteln über ein Apothekenterminal ist unzulässig, da der Apotheker die Angaben auf dem Rezept bei der Abgabe nicht abzeichnen kann. Außerdem ist der Betrieb eines solchen Terminals über ein Servicecenter nicht erlaubt. Damit dürfte der Apotheken-Automat in Deutschland gestorben sein. Die Herstellerfirma will die detaillierte Begründung des Urteils abwarten, ob sie weitere Schritte unternehmen wird, und versorgt vorerst den ausländischen Markt mit den Terminals.

Ich weiß nicht, welches Gefühl Sie bei diesen beiden Urteilen (Pick-up-Zulassung und Automaten-Verbot) haben. Für mich als Nicht-Juristen passen sie nicht zusammen. Wenn Automaten verboten sind, müsste Pick-up mit seinem Weg über eine niederländische Apotheke auch verboten werden … Zwar sind dort die Kriterien der physischen Vorlage des Rezeptes erfüllt, der Apotheker kann das Rezept abzeichnen, aber irgendwie läuft dies doch dem eigentlichen Anspruch an eine Arzneimittelabgabe, wie wir sie befürworten, entgegen: ein persönliches Gegenüber von Patient und Apotheker in der Apotheke. Womit wir letztlich wieder ein Verbot des Versandhandels für verschreibungspflichtige Arzneimittel fordern müssten …

Das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz, das für Apotheken zunächst relativ harmlos daher kam, entpuppt sich mit seinem Kabinettsentwurf, den das Bundeskabinett am 29. Juni beschlossen hat, als folgenschwer für die Apotheke. Die dort angedachte Neuordnung der Großhandelsvergütung hätte gravierende Auswirkungen auf die Apotheken. Die Zuschläge (prozentualer und Festzuschlag), die der Großhandel auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers erheben dürfte, würden den Spielraum des Großhandels zur Rabattgewährung erheblich einschränken. Rabatte in der heutigen Größenordnung gäbe es dann wohl nicht mehr. Politischen Äußerungen zufolge darf man davon ausgehen, dass dies so gewollt ist: Die Apotheken sollen erneut einen massiven Sparbeitrag leisten.

Damit nicht genug. Der vor etwa zwei Wochen bekannt gewordene und bisher noch nicht autorisierte Verordnungsentwurf für eine Novellierung der Apothekenbetriebsordnung birgt bei näherer Betrachtung mehr Sprengstoff als beim ersten Sichten des Papiers zu erkennen war. Auch wenn die Novellierung vieles (nicht alles) von dem, was die Pharmazie, das pharmazeutische Arbeiten in der Apotheke bis hin zur Beratung und Dokumentation betrifft, verbessern will, so sind die Kosten, die mit der Umsetzung der neuen Vorschriften verbunden sind, beträchtlich. Woher soll die Apotheke das Geld für Maßnahmen wie QMS, Rezepturplatz-Umbau und vertrauliche Beratungsplätze nehmen? Auf der einen Seite weniger Großhandelsrabatte, ein hoher Zwangsabschlag für Kassen und damit letzten Endes sinkende Roherträge, auf der anderen Seite Mehrausgaben und ein höherer finanzieller Aufwand durch neue Bestimmungen der Apothekenbetriebsordnung: Das kann nicht gut gehen. Wenn die Apotheke eine professionelle Leistung erbringen soll, dann muss sie auch die Möglichkeit haben, das dafür notwendige Einkommen zu erwirtschaften. Oder muss man annehmen, dass die Anzahl der Apotheken auf diese Weise dezimiert werden soll?


Peter Ditzel

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