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Beratung – bei jeder Abgabe und vertraulich

Peter Ditzel

Die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) steht an. Eigentlich sollte der Entwurf für eine überarbeitete Fassung schon weit vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs erschienen sein. Doch als es klar war, dass Luxemburg eine Entscheidung zum Fremdbesitzverbot fällt, schien das Ministerium auf diese Entscheidung zu warten, um entsprechende Änderungen bei der ApBetrO dem Urteil gemäß anzupassen. Das Urteil stärkte die heilberufliche Komponente des Apothekerberufs – die Novellierung der ApBetrO dürfte in die gleiche Richtung gehen. Von dieser Annahme darf man wohl ausgehen, wenn man den derzeit kursierenden Entwurf betrachtet. Da das Verfahren zur Novellierung der Apothekenbetriebsordnung im Ministerium noch läuft und die interne Hausabstimmung noch nicht abgeschlossen ist, muss man sich darüber bewusst sein, dass der publik gewordene Entwurf erst vorläufig ist und noch geändert werden kann. Dennoch, von der eingeschlagenen Richtung, die pharmazeutisch-heilberufliche Kompetenz stärken zu wollen, wird das Ministerium wohl nicht abweichen.

Der Teufel allerdings steckt in den Verordnungsdetails. Beispiel Paragraf 20 der ApBetrO (Information und Beratung), der zu den markanten Veränderungen der Novellierung gehören wird. Allein vom Umfang her ist dieser Paragraf von bisher zwei Absätzen auf sechs angewachsen.

Und er wurde inhaltlich präzisiert. Bisher hatte der Apotheker zu informieren und zu beraten, "soweit dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist". Im ApBetrO-Entwurf liest sich das wesentlich konkreter – und schärfer. Es muss nun sichergestellt werden, dass Kunden und Ärzte "ausreichend informiert und beraten werden". Und ganz deutlich: "Das pharmazeutische Personal hat insbesondere bei jeder Abgabe von Arzneimitteln oder Medizinprodukten eine Beratung anzubieten". Sollte diese Bestimmung so beschlossen werden, dürfte es Testkauf-Ergebnisse, wie wir sie aus einschlägigen Fernsehmagazinen her kennen, nicht mehr geben. Der Kunde muss aktiv ein Angebot zur Beratung erhalten; ich denke dabei an das Motto der Kammer Niedersachsen: "Ein Satz geht immer".

Deutlich wird der Entwurf der neuen ApBetrO auch beim Punkt Vertraulichkeit der Beratung: "Die Beratung muss in ausreichend vertraulicher Atmosphäre in einer Weise erfolgen, dass das Mithören durch andere Personen verhindert wird." Im Prinzip wohl richtig, aber: Um eine solche Bestimmung einzuhalten, müssten wohl 90 Prozent der bundesdeutschen Apotheken umgebaut werden. In aller Regel dominieren in Apotheken lange Handverkaufstische mit nebeneinander liegenden Kassen- und Beratungsplätzen. Die Kunden stehen nebeneinander – zwangsläufig müssen sie derzeit mithören, welches Problem der daneben stehende Kunde hat. Wie kann hier eine vertrauliche Atmosphäre erreicht werden, wie es der ApBetrO-Entwurf vorsieht? Ist eine Art Schalter ausreichend? Im Prinzip ist die richtige Vertraulichkeit nur in einer Beratungskabine gegeben. Allenfalls an Einzelstehtischen (Bistro-Tischen ähnlich), wo Apotheker und Kunde vertraulich nebeneinander stehen und leise miteinander sprechen können. Im Klartext würde dies also bedeuten: Umbau der Apotheke, weg mit den chicen aber nicht ApBetrO-konformen langen Designer-HV-Tischen. Einbau von Beratungskabinen und Aufstellen von Zweiertischen. Sind sich die Macher der ApBetrO darüber im Klaren, dass die Mehrheit der Apotheken diesen Anforderungen heute nicht gerecht wird? Die Begründung zum ApBetrO-Entwurf spricht bereits davon, dass die Vertraulichkeit grundsätzlich durch bauliche Maßnahmen sichergestellt werden soll – zur Freude der Schreiner und Apothekeneinrichter. Da zeichnet sich Diskussionsbedarf ab. Ob zum Beispiel tatsächlich jede kurze Beratung zu einem Schmerz- oder Schnupfenmittel in vertraulicher Atmosphäre, bei der andere Personen nicht mithören können, stattfinden muss?

Damit nicht genug. Die Beratung muss in Zukunft verständlich und ausführlich sein, sich auf die sachgerechte Anwendung und Aufbewahrung beziehen, außerdem über Wirkungen und Risiken informieren. Und: Die Beratung muss auch eine Entsorgung der Arzneimittelreste ansprechen, wenn dies umweltrelevant ist. Halten wir fest: Eine ausführliche, vertrauliche Beratung, die alle geforderten Punkte anspricht bis hin zur Arzneimittelentsorgung wird nicht unter drei bis vier Minuten zu haben sein. Realistisch? Machbar?

Einer genauen Analyse bedarf in diesem Zusammenhang das Zusammenspiel dieses Paragrafen 20 mit dem Paragrafen 17a "Auslieferung durch Boten und Versand". Eine Präsenzapotheke, die Arzneimittel durch Boten ausliefert, muss als Boten pharmazeutisches Personal einsetzen, das vor Ort bei der Aushändigung der Arzneimittel berät, sofern die Beratung nicht vorher in der Apotheke erfolgte. Und eine Versandapotheke? Zeichnet sich hier nicht eine massive Ungleichbehandlung mit Versandapotheken ab? Wie sieht es mit der Beratungspflicht für Versandapotheken aus? Der Päckchenüberbringer wird dies sicher nicht wahrnehmen können. Und eine vorhergehende telefonische Beratung ist nicht zwingend.

Mein Fazit zum neuen Paragrafen 20: Die Absicht erkenn ich wohl und sie ist gut gemeint. Aber gehen die Vorschriften an der Realität des Apothekenalltags und der bestehenden Apotheken vorbei? Die neue ApBetrO wird uns alle in den nächsten Wochen beschäftigen.


Peter Ditzel

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