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Seehofer verlangt von Rösler drastisches Sparkonzept

BERLIN (lk). Begleitet von heftigem Streit in der Koalition hat die Bundesregierung das mit 80 Milliarden Euro größte Sparpaket aller Zeiten geschnürt. Während das Kabinett im Kanzleramt hinter verschlossenen Türen um die Einzelmaßnahmen rang, stritten sich draußen die Koalitionäre in beispielloser Tonlage über die vorerst gescheiterte Gesundheitsreform. Als "Wildsau" verunglimpfte Gesundheitsstaatssekretär Daniel Bahr (FDP) die CSU wegen ihrer Blockade der Gesundheitsreform. Umgehend keilte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt zurück: Die FDP entwickele "sich zur gesundheitspolitischen Gurkentruppe: erst schlecht spielen und dann auch noch rummaulen."

Unbeeindruckt von der verbalen Keilerei beschloss das Kabinett die zuvor von den Parteivorsitzenden verabredeten zusätzlichen Hilfen für die GKV: Obwohl die Bundesregierung im Bundeshaushalt 2011 deutlich mehr spart als erwartet, erhalten die gesetzlichen Krankenkassen im kommenden Jahr zwei Milliarden Euro zusätzlich. Damit soll ein Teil des auf elf Milliarden Euro geschätzten GKV-Defizits abgedeckt werden, bestätigte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Anschluss an die Sparklausur des Kabinetts.

Gesundheitswesen: Bei den Ausgaben ansetzen

Trotz des eskalierenden Streits will Schwarz-Gelb auch an einer Gesundheitsreform festhalten. "Das Kabinett hat sich noch einmal darauf verständigt, dass ein Strukturreformbedarf unabdingbar ist", sagte Merkel. Im nächsten Jahr gebe es ein Defizit der Krankenkassen von elf Milliarden Euro. Für die CSU ist die neue Marschrichtung dabei klar: Es wird gespart. CSU-Chef Seehofer rammte in Berlin die Pflöcke ein: Die GKV-Finanzierung wird nicht auf eine Kopfpauschale umgestellt. Es gibt kein weiteres Geld aus der Steuerkasse für einen Sozialausgleich. Und Beitragserhöhungen will die CSU auch nicht akzeptieren. "Es war noch nie so viel Geld in der GKV wie jetzt", besteht Seehofer auf Strukturreformen auf der Ausgabenseite. Seit 2007 stünden den gesetzlichen Kassen 26 Milliarden Euro mehr zur Verfügung, hat der Ex-Gesundheitsminister in seiner bayerischen Staatskanzlei nachgerechnet. "Deshalb müssen wir uns jetzt der Ausgabenseite zuwenden. Daran kann es keinen Zweifel geben."

Einnahmen werden weiter schrumpfen

Schon im April hat Seehofer an Kanzlerin Merkel einen Brandbrief geschrieben und auf die Probleme hingewiesen: "Wenn nicht schnell etwas geschieht, lassen sich die Probleme nicht mehr in den Griff kriegen." Seehofer sieht die Sozialkassen vor massiven Finanznöten: "Wir stehen doch erst am Anfang der demografischen Lasten." Das für 2011 erwartete Kassendefizit von 11 Milliarden Euro habe damit noch gar nichts zu tun. Seehofer: "Das kommt ja erst noch. Deshalb können wir jetzt nicht über höhere Einnahmen reden."

Sparvolumen: 80 Milliarden Euro

In zweitägiger Klausur vereinbarte das Bundeskabinett das größte Sparpaket aller Zeiten. Bis 2014 sollten ungefähr 80 Milliarden Euro eingespart werden, davon etwa 11 Milliarden im nächsten Jahr, damit die finanzielle Zukunft "auf soliden Beinen stehen kann", sagte Merkel (CDU): "Ich darf sagen, dass die letzten Stunden, so denke ich, schon ein einmaliger Kraftakt waren."

Abbau von Subventionen

Laut Merkel beteiligt sich die Wirtschaft mit fünf Milliarden Euro am Sparpaket. Im sozialen Bereich spart die Bundesregierung ebenfalls fünf Milliarden Euro, vor allem bei Arbeitsmarktinstrumenten und beim Elterngeld. Die CDU-Chefin nannte den Abbau von Subventionen in der Wirtschaft, eine Luftverkehrsabgabe, eine Brennelementesteuer für Energiekonzerne sowie eine Besteuerung der Finanzmärkte. "Wir haben damit eine beträchtliche Beteiligung der Wirtschaft an der Sanierungsaufgabe." Mitte August solle das Haushaltsgesetz verabschiedet werden.

Bei der Neuordnung der Arbeitsmarktpolitik geht es nach Aussage der Kanzlerin vor allem darum, Jobs für erwerbsfähige Hartz-IV-Empfänger zu schaffen und um eine effiziente Vermittlung. Es gebe 2,2 Millionen erwerbsfähige Empfänger von Arbeitslosengeld II. Davon seien fast 700.000 allein erziehende Mütter und mehr als eine Million Menschen, die älter als 50 Jahre sind, sagte Merkel.

Steuererhöhungen wird es nach den Worten von FDP-Chef Guido Westerwelle nicht geben. Merkel machte deutlich, dass es auch keine Änderungen an den reduzierten Mehrwertsteuersätzen für Nahrungsmittel oder Kultur geben soll. Die Bürger müssten nicht die Sorge haben, dass in diesen Bereichen etwas zu ihren Lasten verändert werde. Kuriositäten wie ein ermäßigter Satz auf Rennpferde würden in der von der schwarz-gelben Koalition vereinbarten Kommission gesondert betrachtet.

Kein Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger mehr

Beim Elterngeld wird der Höchstbetrag von maximal 1800 Euro im Monat nicht gesenkt. Allerdings werden künftig nur 65 statt 67 Prozent des Nettoeinkommens als Berechnungsgrundlage genommen. Beziehern von Arbeitslosengeld II wird das Elterngeld komplett gestrichen.

Auch die Bundeswehr ist von den Sparplänen betroffen. Merkel kündigte eine "großangelegte Streitkräftereform" an. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sei beauftragt worden, bis Anfang September zu prüfen, wie die Truppenstärke von derzeit 250.000 Soldaten um 40.000 verkleinert werden könne.

Investitionen verschoben

Im Zuge der Sparmaßnahmen soll das Berliner Stadtschloss erst ab 2014 wieder aufgebaut werden. Der Wiederaufbau werde um drei Jahre verschoben, erklärte Merkel. "Wir haben für die Jahre 2011 bis 2013 keine Mittel eingestellt." Der Wiederaufbau des Schlosses soll 552 Millionen Euro kosten, von denen 440 Millionen vom Bund beigesteuert werden, der Rest soll aus Spenden und vom Land Berlin finanziert werden.

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