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Die Apotheke für Senioren

Peter Ditzel

Aber ab welchem Alter sind wir alt? Ab 50, ab 60, ab 65 oder ab 70 Jahre? Kommt drauf an, möchte man sagen. Und überhaupt: Ist der Begriff "die Alten" nicht negativ besetzt? Sprechen wir nicht besser von "Senioren"? Oder von Silver Agers oder Golden Oldies, wie es die Marketingwelt gerne tut?

Wortklaubereien? Vielleicht. Vielleicht wird sich der Gebrauch dieser Wörter auch weiter wandeln. Denn, Fakt ist: In den nächsten Jahren steigt die Zahl der Menschen, die älter als 65 Jahre sind, rapide an. Sie kennen die Aussagen zum demografischen Wandel. Nur zwei Beispiele dazu: Der Anteil der älteren Bevölkerung ab 65 Jahre hat sich zwischen 1871 und 2006 von 5% auf 20% vervierfacht. Bis zum Jahr 2050 werden voraussichtlich rund 33% der Bevölkerung 65 Jahre und älter sein. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung geht davon aus, dass wir mit einem starken Anstieg bei den Hochbetagten (80 Jahre und älter) rechnen müssen. Während heute etwa 5% der Bevölkerung 80 Jahre und älter sind, gehören 2050 bereits 15% zur dieser Altersklasse.

Hinzu kommt ein kontinuierlicher Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung. Wird heute ein Mädchen geboren, hat es bereits eine durchschnittliche Lebenserwartung von über 82 Jahren, ein Junge von über 77 Jahren. Noch in den neunziger Jahren lagen diese Werte bei 79 Jahren für Mädchen und etwa 72 Jahren für Jungen. Zurückzuführen ist die steigende Lebenserwartung, die seit dem 19. Jahrhundert festzustellen ist, auf eine Verbesserung hygienischer Bedingungen, der Ernährungslage und vor allem auf den medizinischen Fortschritt.

Für die Apotheke bedeutet dies: Machen schon heute die Menschen ab 60 Jahre den größten Teil unserer Kunden aus, so wird dies in Zukunft weiter und rasch zunehmen. Da ältere Menschen mit Krankheiten besondere Bedürfnisse haben, sollten wir uns als Apotheke besonders auf diese Zielgruppe einstellen. Was es hier zu beachten gilt, haben wir in diesem Schwerpunktheft "Die seniorengerechte Apotheke" zusammengetragen.

Wer eine seniorengerechte Apotheke anstrebt, sollte beispielsweise die äußeren Voraussetzungen überprüfen. Ältere Menschen leiden an Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates und der Sinne. Die Apotheke kann sich darauf einstellen durch einen barrierefreien Zugang, rutschfeste Böden ohne Stolperfallen, mit heller Beleuchtung, mit großer Beschriftung, ausreichend Sitzgelegenheiten. Besondere Anforderungen verlangt auch die Beratung von Älteren in der Apotheke für die Selbstmedikation und für die verschreibungspflichtigen Präparate. Die Polymedikation und die im Alter veränderte Pharmakokinetik stellen besondere Herausforderungen in der Beratung dar.

Schließlich sollte auch das Sortiment angepasst werden. Ältere werden zum Beispiel öfters nach Applikationshilfen für Arzneimittel fragen. Die Apotheke sollte Hilfen und Hilfsmittel zur Unterstützung bei nachlassenden körperlichen Funktionen im Sortiment haben. Und nicht zu vergessen: Es ist von Vorteil, wenn die Apotheke einen Home-Service anbietet.

Wer seine Apotheke seniorengerecht ausstatten und führen möchte, kann sich bei der BAGSO e.V., der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (www.bagso.de) informieren. Die Arbeit dieser Dachorganisation, die sich als "Lobby der Älteren" sieht, wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die BAGSO zeichnet seniorengerechte Apotheken – nach Prüfung – mit ihrem Qualitätssiegel aus. Im Januar dieses Jahres prämierte die BAGSO-Vorsitzende Frau Professor Ursula Lehr die 1000. Apotheke.

Eine seniorengerechte Apotheke zu führen bedeutet aber auch, sich auf dem Gebiet der geriatrischen Pharmazie weiterzubilden. Die Versorgung multimorbider Senioren, aber auch die Koordination der am Medikationsprozess Beteiligten und stetig zunehmende Qualitätsanforderungen stationärer Alteneinrichtungen erfordern vertiefte geriatrische Kenntnisse und vernetztes Handeln. In unserem Beitrag stellen wir ein erfolgreiches Weiterbildungskonzept für die geriatrische Pharmazie der Apothekerkammern in Nordrhein-Westfalen vor.

Wenn eine Apotheke sich für die Versorgung älterer Menschen besonders einsetzt, liegt es nahe, auch die Versorgung von Alten- und Pflegeheimen ins Auge zufassen. Heimträger verlangen von den Apotheken meist die patientenindividuelle Versorgung bis hin zum Stellen der Arzneimittel. Muss die Apotheke Arzneimittel nun selbst neu verblistern oder Blisterfirmen in Anspruch nehmen? Es gibt Alternativen – wir stellen in dieser Ausgabe ein System vor, mit dem individuell, schnell und sicher Arzneimittel gestellt werden können.

Auch für seniorengerechte Apotheken, aber nicht nur: individuelle Beratung der Kunden und Patienten mit Arzneimittelmemos. Wir stellen die Idee eines Apothekers vor, der seinen Patienten individualisierte Handzettel zu den Arzneimitteln mit auf den Weg gibt. Diese Arzneimittelmemos sollen die mündlich gegebenen Infos des Beratungsgesprächs schriftlich unterstützen – ohne den Beipackzettel zu ersetzen.

Sie sehen, es gibt viel zu tun für eine seniorengerechte Apotheke – aber es lohnt sich: Das ist die Zukunft.


Peter Ditzel

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