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Sparen auf allen Ebenen

Peter Ditzel

Angesichts der Milliarden, die derzeit die EU-Politiker jonglieren und als Euro-Rettungsschirm einsetzen, sind die "Milliönchen", um die es beim Sparpaket des Bundesgesundheitsministeriums geht, fast die berühmten Peanuts. Andererseits: Sparen fängt bekanntlich im Kleinen an. Und ans Sparen wird sich unsere Nation und alle anderen Euro-Länder noch gewaltig gewöhnen müssen. Ganz zu schweigen vom Inflationsgespenst, das derzeit die Runde macht. Da kommt was auf uns zu.

Dennoch, auch wenn es im Vergleich zur großen Politik "nur" Millionen sind, die im Gesundheitswesen eingespart werden sollen – sie schmerzen diejenigen, die es trifft. Beispielsweise die Pharmaindustrie. Die letzte Anhörung im Gesundheitsausschuss hat gezeigt, wie die Industrie darum ringt, das Sparpaket lockerer zu schnüren, sprich Ausnahmeregelungen einzubauen. Da kritisiert der Pharmaverband die Koppelung der geplanten Erhöhung des Herstellerrabatts für neue Arzneimittel mit einem rückwirkenden Preismoratorium. Aber gäbe es keine Koppelung, wäre die Heraufsetzung des Rabatts sinnlos: Die Erhöhung würde vorher dem Arzneimittelpreis zugeschlagen.

Mittelständische Unternehmer sollen mit einer Härtefallklausel vor Überforderung durch die Rabatterhöhung geschützt werden, wünscht der Arzneimittelherstellerverband. Und die Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfe plädiert beispielsweise dafür, für Hersteller von Spezialarzneimitteln gegen seltene Erkrankungen eine Verringerung des Rabatts vorzusehen. Man darf gespannt sein, welche Einwände beim Gesundheitsminister Gehör finden und wie locker dann das Sparpaket tatsächlich geschnürt wird. Für alle Ausnahmeregelungen gibt es gute Gründe – und mit jeder Ausnahme wird weniger gespart.

Aber: Es stellt sich die Frage, ob Sparen allein reicht angesichts des Defizits und der Finanznot in unserem Gesundheitssystem. Die Ärzte gehen bereits einen Schritt weiter. Sie sprechen aus, was die Politik noch nicht in den Mund nimmt: Rationierung und Priorisierung. Während die Rationierung von Leistungen bereits im System angekommen ist, wird Priorisierung kaum offen diskutiert. Aber: Die Schere zwischen dem, was wir leisten können, und dem, was wir bezahlen können, klafft immer weiter auseinander. So werden wir künftig darüber sprechen müssen, welche Erkrankungen zulasten der GKV vorrangig behandelt werden und welche gegebenenfalls später oder gar nicht. Oder welche Patienten zuerst behandelt werden und welche warten müssen. Die neue Hüfte nur bis 70 Jahre? Wird die Behandlung von Krebserkrankungen Priorität haben beispielsweise vor der Behandlung einer Lipidämie? Und: Welche Arzneimittel wird die Kasse überhaupt noch bezahlen? Nur noch für bestimmte vorher definierte Erkrankungen? Oder ab einem bestimmten Preis? Kommen wir an einer Positivliste nicht mehr vorbei? Solche Fragen werden wir schon bald zu klären haben.

Währenddessen versucht die GKV jede nur mögliche Million bei Generikaherstellern und Apotheken zu holen, Beispiel Generikaabschlag und Zwangsabschlag. Es muss die Krankenkassen mächtig wurmen, die rund 320 Millionen Euro an zu viel erhaltenen Rabatt an die Apotheken zurückzahlen zu müssen, Geld, das den Apotheken aufgrund des Schiedsstellenentscheids rechtmäßig zusteht. Nein, sie wollten und wollen sich nicht damit abfinden, dass ihnen die Apotheken im vergangenen Jahr einen niedrigeren Rabatt gewähren durften. Das Klagen gegen den Schiedsstellen-Entscheid hat so recht nicht geholfen. Also, was tun, fragte sich der Spitzbub (oder wie heißt der Spitzenverband des Bundesverbands abgekürzt)? Ach ja, da gibt es ja noch rund 250 Millionen Außenstände für entgangenen Generikaabschlag, fiel dem Spitzenverband ganz zufällig und passend ein. Es sind die Millionen, die Arzneimittelhersteller den Kassen schulden aufgrund eines nicht bezahlten Generikaabschlags. Da nach Meinung der Kassen einige Hersteller ihre Generika nicht korrekt gekennzeichnet haben, sind sie bisher durchs Raster gefallen und haben sich auf die Liste der vom erhöhten Abschlag befreiten Generika gemogelt. Nach Kassenauffassung stehen sie allerdings unrechtmäßig auf dieser Liste – und so kommt es zum Streit.

Dumm für die Apotheken, dass sie laut Gesetz die Inkassostellen der Krankenkassen für diesen Abschlag sind. Das heißt, die Krankenkassen ziehen die fehlenden Millionen ganz einfach von den Apotheken ein und die wiederum müssen diesem Geld hinterherrennen, indem sie es sich von den Herstellern wieder holen. Dumm auch, dass die uneinsichtigen Hersteller es wohl nicht freiwillig an die Apotheken herausrücken werden. Da liegen Klagen in der Luft.

Beim praktischen Vorgehen machen es sich die Kassen einfach: Die Außenstände, die die Hersteller den Kassen schulden, holt man sich von den Apotheken, sprich, man kürzt die Apothekenrechnungen entsprechend, wie Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des KGV-Spitzenverbands, seinen Krankenkassen empfiehlt. Ganz passend, dass dies mit der Rückzahlung der Rabatt-Millionen zusammenfällt. Unterm Strich sieht die Rechnung so aus: Ziehe 250 von 320 ab und zahle nur noch 70 Millionen an die Apotheken. Und die Apotheken können versuchen, die Differenz von den Herstellern einzuklagen. So richtig glücklich scheinen wir mit der Rabattrückzahlung von 320 Millionen nicht zu werden …


Peter Ditzel

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