Aus Kammern und Verbänden

Nieber: Frauen ermutigen, Probleme aktiv anzugehen

Auf der diesjährigen Mitgliederversammlung des Deutschen Pharmazeutinnen Verbandes (dpv) Mitte März 2010 in Frankfurt wurde Prof. Dr. Karen Nieber aus Leipzig zur neuen Vorsitzenden gewählt (siehe DAZ 12, S. 98). Die DAZ hatte jetzt die Gelegenheit zu einem Interview, mit dem sie Frau Professor Nieber ihren Lesern vorstellen möchte.
Prof. Dr. Karen Nieber
Foto: H. Blasius
DAZ: Frau Professor Nieber, Sie sind seit zwei Monaten Vorsitzende des Deutschen Pharmazeutinnen Verbandes und sind unter Pharmazeuten natürlich keine Unbekannte. Können Sie uns zunächst einen kurzen Überblick über Ihre bisherigen Tätigkeiten geben?

Nieber: Gerne. Ich komme aus der experimentellen Biomedizin. Mein Studium habe ich an der Technischen Hochschule Magdeburg gemacht, wurde im Jahr 1981 an der Akademie der Wissenschaften zu Berlin (Ost) zum Dr. rer. nat. promoviert und erhielt dort 1990 die Promotion B zum Dr. sc. nat. In Berlin war ich insgesamt 15 Jahre lang an verschiedenen Forschungsinstitutionen tätig und habe in dieser Zeit Fachanerkennungen für Physiologie und Pharmakologie erworben. Es folgten vier Jahre am Pharmakologischen Institut der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, wo ich mich im Jahr 1994 im Fach Pharmakologie und Toxikologie habilitiert habe. Ein Jahr später erhielt ich einen Ruf als Universitätsprofessorin an der Universität Leipzig und bin dort seitdem Inhaberin des Lehrstuhls Pharmakologie für Naturwissenschaftler. Von 2002 bis 2009 war ich Geschäftsführende Direktorin des Institutes für Pharmazie an der Universität.


DAZ: Welche Verbindungen haben Sie zur Offizinpharmazie?

Nieber: Einige. Zum einen bilde ich tagtäglich Apotheker und Apothekerinnen aus und verfolge so weit möglich deren Werdegang in der Praxis. Zum anderen bin ich seit 2009 Vorsitzende der Prüfungskommission für den 3. Prüfungsabschnitt nach der Approbationsordnung für Apotheker. Deshalb muss ich mich ständig auf dem Laufenden halten, was Apotheker in der Offizin beherrschen müssen.


DAZ: Wie sind Sie zum Deutschen Pharmazeutinnen Verband gekommen?

Nieber: Ich gehöre zu den Gründungsmitgliedern. Kolleginnen hatten mich angesprochen, ob ich Interesse hätte, mit ihnen einen Pharmazeutinnenverband ins Leben zu rufen, und ich war gerne dazu bereit. Ich war von Beginn an im Vorstand und bin bereits seit 2004 stellvertretende Vorsitzende.


DAZ: Welche Ziele und Vorstellungen haben Sie für Ihre Tätigkeit als dpv-Vorsitzende?

Nieber: Wir wissen alle, dass der Frauenanteil in der Pharmazie sehr hoch ist. Das Problem für Frauen in der Apotheke oder auch in anderen Berufsfeldern, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, ist also sozusagen "systemimmanent". Ich sehe es als eine der wichtigsten Aufgaben des dpv an, die Frauen in der Pharmazie zu ermutigen, dieses Problem aktiv anzugehen und die Schwierigkeiten, die hiermit verbunden sind, nicht einfach nur zu erdulden. Ich möchte an dieser Stelle allerdings betonen, dass ich den dpv nicht ausschließlich als "Feministinnen-Verein" sehe.


DAZ: Was denken Sie, wie kann man den Frauen im Alltag am besten dabei helfen?

Nieber: Zunächst damit, dass man ihnen bewusst macht, dass sie nicht alleine mit dem Problem da stehen. Ich wünsche mir viel mehr praktischen Austausch von Informationen und Ideen für den Alltag. Hierzu möchte ich eine Serie von Veranstaltungen ins Leben rufen, in denen Frauen, die ihren pharmazeutischen Sachverstand in unterschiedlichen Feldern einbringen, den Kolleginnen und auch Pharmaziestudierenden berichten, wie sie ihren beruflichen Alltag bewältigen, mit all den praktischen Problemen, die Männern vielfach gar nicht so bewusst sind. Das Ganze soll kein steifer Vortrag sein, sondern eher eine kommunikative Fragestunde. Wir werden hierzu in Leipzig demnächst einen Probelauf machen, und ich bin sehr gespannt, wie so etwas ankommt.


DAZ: Das klingt gut. Wie wichtig sind für Sie die Kontakte zu anderen medizinischen Berufen?

Nieber: Sehr wichtig. Diese sollen einen weiteren Schwerpunkt meiner Aktivitäten als dpv-Vorsitzende bilden. Ich pflege schon seit geraumer Zeit Kontakte zum Deutschen Ärztinnenbund und möchte diese Zusammenarbeit unbedingt intensivieren, weil ich meine, dass Ärztinnen und Apothekerinnen sehr viel voneinander profitieren können.

In der Praxis könnte dies über gemeinsame Vortragsveranstaltungen geschehen. Ich habe hierzu bereits eine Liste von Themen entworfen und dem Ärztinnen-Bund vorgeschlagen, die dort gut aufgenommen wurde. Zu den Themen gehören zum Beispiel die Bereiche Migräne, Obstipation, ADHS, Schlafstörungen oder auch Typ‑2Diabetes. Bereits im Oktober diesen Jahres soll es in Stuttgart mit dem Thema "Frauen und (Nicht-)Rauchen" losgehen.


DAZ: Der dpv hat sich in den letzten Jahren gerade um die Kontakte mit den Kolleginnen im Ausland große Verdienste erworben. Werden Sie diese Aktivitäten fortsetzen?

Nieber: Selbstverständlich. Ich bin davon überzeugt, dass Apothekerinnen in Europa sehr viel voneinander lernen können. Mit unseren englischen und holländischen Kolleginnen stehen wir seit Jahren in gutem Kontakt, und mit den alljährlichen europäischen Pharmazeutinnen-Treffen hat der dpv sogar schon ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal erworben. Dabei sollten wir es jedoch nicht bewenden lassen. Der dpv könnte auch als Kontaktbörse für junge Kolleginnen fungieren, die gerne einmal eine Zeitlang in einem anderen europäischen Land tätig sein möchten.


DAZ: Sie arbeiten an der Hochschule. Sind Sie mit den Aufstiegsmöglichkeiten der Frauen in der wissenschaftlichen Pharmazie zufrieden?

Nieber: Ja, das bin ich weitgehend, und ich denke, dazu gibt es auch allen Grund. Es gibt an deutschen Hochschulen kaum ein Fach, in dem sich so viele Frauen in leitenden Positionen befinden. Das geht durch alle fünf Fachdisziplinen. An dieser Stelle möchte ich außerdem betonen, dass auch Apothekerinnen in der Offizin aus meiner Sicht außerordentlich viel Zeit für ihre Fort- und Weiterbildung aufbringen. Hiervon könnten sich andere Berufe sicher eine Scheibe abschneiden.


DAZ: Erlauben Sie mir abschließend noch eine private Frage nach Ihren Hobbys und sonstigen Interessen?

Nieber: Wenn ich dafür Zeit finde, bin ich gerne auf dem Wasser, und zwar beim Segeln und Motorbootfahren. Deswegen zählen die Ostseeküste und die Mecklenburgische Seenplatte zu meinen liebsten Urlaubszielen. Ansonsten bin ich sehr an Kultur interessiert und besuche häufig das Theater, Konzerte und Kunstausstellungen, dazu gibt es ja in Leipzig reichlich Gelegenheit.


DAZ: Frau Professor Nieber, vielen Dank für dieses Gespräch und viel Erfolg für Ihre Arbeit als dpv-Vorsitzende.


Die Fragen stellte Dr. Helga Blasius.

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