Apotheke und Krankenhaus

Krankenhaus- und Heimversorgung: Bayern und Sachsen im Blickpunkt

Klaus Grimm

Vor einem Jahr stand die Jahrestagung des BVKA in Bad Homburg ganz im Zeichen des zu erwartenden Urteils des EuGHs zum Mehr- und Fremdbesitzverbot. Was damals jeder Heim- und Krankenhausversorger noch zu verdrängen versuchte, hätte bei einem anders lautenden Urteil zu gravierenden Veränderungen in der Arzneimittelversorgung dieser Einrichtungen geführt. Man stelle sich nur vor, dass die großen Trägergesellschaften zu ihren bereits bestehenden Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zusätzlich noch hätten Offizinapotheken erwerben können, es wären in Kürze u. a. eigene Netzwerke der onkologischen Versorgung aus zentral herstellenden Krankenhausapotheken mithilfe eben dieser Apotheken entstanden. Das Gleiche gilt für die Heimversorgung: Befinden sich mehrere Pflegeeinrichtungen in einer Hand, so lohnte sich nahezu jedes Investment in eine Apotheke, welcher dann die Versorgungsverträge "per ordre du Mufti" zugewiesen worden wären.

Glücklicherweise haben die zwei EuGH-Urteile von 2008 und 2009 wenigstens auf eine gewisse Zeit hin Rahmenbedingungen für eine kontinuierliche Arbeit der in der Krankenhaus- und Heimversorgung tätigen Apotheker geschaffen, gänzlich nach den Vorstellungen des BVKA. Im Rückblick sieht der Vorstand des BVKA vor allem in dem zuerst ergangenen Urteil zu § 14 Apothekengesetz (Regionalprinzip der "Krankenhausversorgung aus einer Hand") eine entscheidende Weichenstellung.

Vor diesem Hintergrund hätten sich die Teilnehmer auf der diesjährigen BVKA-Jahrestagung in Bad Homburg angenehm zurücklehnen können, wären da nicht die Versuche, auf anderen Wegen diese Rahmenbedingungen "aufzuweichen". Das Bedauerliche an den Vorfällen liegt wie so häufig an der Beteiligung der Apotheker, sei es aufgrund eines mangelnden Weitblicks oder schlicht einem kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolg geschuldet.

In Bayern wurde von der zuständigen Behörde die Nähe von Apotheke und Krankenhaus gemäß § 14 ApoG schlichtweg ignoriert und eine Versorgung über eine Entfernung von ca. 185 km hinweg genehmigt. In diesem Fall von einer "Versorgung" zu sprechen ist blanker Hohn, denn im Notfall löst eine Arzneimittellieferung einen Transport von ca. 370 km aus. Eine Autofahrt von Regensburg nach Bad Tölz (und zurück) erscheint doch eher für einen Sonntagsausflug in landschaftlich reizvoller Umgebung geeignet, denn als Basis für eine ortsnahe Versorgung zwischen Apotheke und Krankenhaus. Jetzt macht das Gerücht um die Versorgung per Hubschrauber aus der Luft die Runde, was in der Tat neue Maßstäbe für die Krankenhausversorgung setzen würde. Vielleicht wurden die Kollegen aus der Klinikapotheke in Regensburg vom ehemaligen Torhüter der deutschen Fußballnationalmannschaft inspiriert, der sich ebenfalls aus Bayern zum Training ins "benachbarte" Stuttgart fliegen ließ. Während das Privatvergnügen des Herrn Lehmann allenfalls eine Diskussion bei den lärmgeschädigten Nachbarn oder bei den Neidern um die anscheinend zu hohen Gehälter unserer Fußballer hochkochen lässt, brodelt es bei dieser Vorstellung von Klinikversorgung nicht nur im Innersten der Steuerzahlerseele. Eine Stellungnahme aus dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit (Umwelt passt übrigens gut zum Hubschrauber) lässt seit Wochen auf sich warten, was nicht fürchterlich überrascht, ist doch das Aussitzen solch lästiger Anfragen ein beliebter Sport geworden.

In Sachsen wurde gerade in der Heimversorgung das Blister-Pilotprojekt der Kohl-Tochter 7x4 um den Landkreis Görlitz und die Stadt Dresden erweitert, weil nach knapp einem Jahr der Verlauf in der bisherigen Region nur schleppend war. Grundlage des Modells ist ein Vertrag zwischen der AOK, 7x4 und dem Sächsischen Apothekerverband. Interessierte Apotheker können dem Vertrag beitreten, indem sie einen zusätzlichen Dienstleistungsvertrag mit 7x4 abschließen. Es ist schon überraschend, dass bei der reservierten Haltung der Apothekerverbände und der gemeinsamen Dachorganisation gegenüber der Verblisterung gerade diese Beteiligung mit der Fa. Kohl zustande gekommen ist und nun sogar ausgeweitet wurde. Selbst die Ankündigung der neuen Rezept-Software für die 7x4-Box scheint niemanden zu irritieren. Der Arzt bekommt von Kohl die Software "i:blister" gestellt, die ihm sofort anzeigen soll, falls ein Patient in die Versorgung mittels 7x4-Wochenblister passt. Die Erstellung des Blisterrezepts übernimmt ebenfalls das System direkt.

Als ein Generika-Hersteller vor gar nicht langer Zeit den Ärzten eine Software zur Verfügung stellte, welche die eigenen Produkte in einem günstigen Licht erscheinen ließ, sorgte diese Werbekampagne für eine Grundsatzdiskussion, wie weit eine Beeinflussung der Ärzte rechtlich unbedenklich sei. Man mag ja bei einem Modellversuch eigene Spielregeln aufstellen können, aber hier geht es doch weit über Auswahlkriterien diverser Anbieter hinaus. Alle auf dem Markt befindlichen Fertigarzneimittel werden mithilfe einer Software gegen Blister eines industriellen Herstellers ausgetauscht, sofern dessen sehr begrenztes Sortiment dieses hergibt.

Der niedergelassene Apotheker befindet sich mal wieder in der "höchst komfortablen Sandwich-Position", denn das Rezept kann selbstverständlich nur der Apotheker beliefern, der dem Dienstleistungsvertrag mit 7x4 beigetreten ist. Der Sächsische Apothekerverband ermöglicht somit den Markteintritt dieses Kohl-Systems, geschickt geplant über die Köpfe der einzelnen Apotheker hinweg. Denen bleibt nur Ablehnung oder Zustimmung, nicht etwa nur für oder gegen kohlsche Blister, sondern darüber hinaus, ob der Apotheker das Heim künftig überhaupt noch versorgen darf. Einmal mehr verliert die einzelne Apotheke ihre Handlungsentscheidung, von der Frage nach den wirtschaftlichen Konditionen ganz zu schweigen.

Als vor wenigen Jahren die Verblisterung ein Thema in der Heimversorgung wurde, gab es erste Gespräche in der Berliner Jägerstraße, zu der Vorstandsmitglieder des BVKA geladen wurden. Die Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbands äußerte damals zur Verwunderung der angereisten Heimversorger, dass sie, wenn es denn sein müsste, doch lieber bei Kohl als bei einem Kollegen ihre Arzneimittel verblistern ließe.

Ohne Zweifel ist es eine menschliche Schwäche nachtragend zu sein, aber das Vergessen fällt vor einem solchen Hintergrund schon sehr schwer.

Klaus Grimm
Kronen-Apotheke Marxen, 
Postfach 14 17, 
50378 Wesseling

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