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Apotheken droht Finanzchaos

BERLIN (ks). Der GKV-Spitzenverband will mit Arzneimittelherstellern nicht länger über noch ausstehende Generikarabatte seit dem Jahr 2006 verhandeln. Er hat seinen Mitgliedskassen empfohlen, sich die auf rund 250 Millionen Euro bezifferte Summe nun über entsprechende Kürzungen der Apothekenrechnungen einzuholen. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) sieht ein Finanzchaos auf die Apotheken zukommen. Er setzt nun auf eine schnelle Klärung und die Unterstützung durch Politik und das Bundesgesundheitsministerium.
Sechs oder zehn Prozent? Hersteller müssen Produkte, auf die ein erhöhter Generikaabschlag fällig wird, kennzeichnen. Bislang wurde dies aus Kassensicht nicht immer korrekt gehandhabt. Nun sollen die Apotheken dafür büßen.Foto: KV Bayerns

Der Streit um nicht gezahlte Genererikaabschläge nach § 130a Abs. 3b SGB V schwelt schon lange. Während für "patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel" ein gesetzlicher Rabatt von zehn Prozent fällig wird, liegt er für andere Arzneimittel nur bei sechs Prozent. Um zu erkennen, ob der erhöhte Generikaabschlag fällig wird oder nicht, muss der Hersteller eine entsprechende Kennzeichnung seiner Produkte vornehmen. Doch Hersteller und Kassen hatten zuweilen eine unterschiedliche Meinung, wie einzelne Präparate einzuordnen sind. Und so meldeten eine Reihe von Herstellern in den vergangenen Jahren ihre Präparate falsch. Auch der im Sommer 2008 vorgelegte, mit den Pharmaverbänden und dem DAV konsentierte Leitfaden des GKV-Spitzenverbandes, der die Kriterien zur Abschlagsbefreiung nach den gesetzlichen Vorschriften abgrenzt, brachte offenbar keine Klärung.

GKV-Spitzenverband: Zeichen setzen

Schon vor einem knappen Jahr hatten die Kassen angekündigt, sich die ausstehenden Abschläge über die Apothekenrechenzentren zu holen. Dies konnte zunächst abgewendet werden, es fanden weitere Verhandlungen zwischen Herstellern und Kassen statt. Doch noch immer zeigen sich nicht alle Hersteller einsichtig. Jetzt ist es dem GKV-Spitzenverband wirklich ernst – zumal die im Jahr 2006 entstandenen Ansprüche Ende 2010 verjähren. Er hat seinen Mitgliedskassen letzte Woche empfohlen, die Apothekenrechnungen in Höhe der ausstehenden Herstellerabschläge zu kürzen (siehe auch AZ Nr. 21/2010, S. 8). "Eine Verweigerung von einigen Arzneimittelherstellern, den gesetzlich zustehenden Generikaabschlag zu leisten, ist nicht hinnehmbar", erklärte Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes. " Jetzt sind wir gezwungen Zeichen zu setzen".

DAV: Das Tricksen beenden

Beim DAV schrillen angesichts der nun genannten Summe die Alarmglocken:"Sollten die Kassen ihre Drohung wahr machen, dann droht den Apotheken und ihren Rechenzentren ein Finanzchaos ersten Grades", warnte der DAV-Vorsitzende Becker. Die "anscheinend immer noch katastrophale Zahlungsmoral der betroffenen Pharmahersteller" ist seiner Ansicht nach eine wachsende Belastung für die Solidargemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten und die deutschen Apotheken. "Wir fordern die Hersteller erneut auf, sofort die geforderten Zahlungen zu leisten", sagte Becker. "Das Tricksen muss ein Ende haben."

BPI: Klare gesetzliche Vorgaben erforderlich

Die Industrie sieht sich den Vorwürfen allerdings zu Unrecht ausgesetzt. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) fordert vielmehr eine rechtliche Klarstellung der komplexen Situation. Trotz des entwickelten Leitfadens zur Definition der Abschlagspflicht bleibe in Einzelfällen die Abschlagsverpflichtung unklar. Seit Jahren laufe ein aufwendiges und kompliziertes Fehlerkontrollverfahren, das letztlich nur zeige, dass die gesetzliche Regelung insuffizient sei. "Wir brauchen dringend klare gesetzliche Vorgaben und eine Deregulierung im Arzneimittelbereich", hieß es beim BPI. Der Vorwurf des GKV-Spitzenverbandes gehe daher an den falschen Adressaten.

Es bleibt nun abzuwarten, ob und in welchem Umfang Krankenkassen der Empfehlung des GKV-Spitzenverbandes folgen und tatsächlich Apothekenrechnungen kürzen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Gerichte mit den Argumenten von Kassen und Herstellern auseinandersetzen müssen.

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