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Erfolg auf dünnem Eis

Thomas Müller-Bohn

Die Vertragspartner haben sich auf eine Neufassung der Hilfstaxe für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln geeinigt. Das Unterschriftsverfahren wurde erst Ende voriger Woche eingeleitet, doch die neuen Regelungen sollen rückwirkend ab dem Jahreswechsel ohne Übergangsbestimmungen gelten. Auf den ersten Blick scheint dies nur den kleinen Teil der Apotheken zu betreffen, die Zytostatikazubereitungen und andere Spezialrezepturen anfertigen. Doch letztlich geht es um die Arzneimittelpreisverordnung, und damit berührt das Thema die grundsätzlichen Interessen aller Apotheken. Die neue Preisbildung für Spezialzubereitungen ist nach der Preisfreigabe für die OTC-Arzneimittel die zweite wichtige Ausnahme von der Arzneimittelpreisverordnung. Die 15. AMG-Novelle hat den Vertragspartnern Preisvereinbarungen für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln aufgetragen. Falls sich Apotheken und Krankenkassen nicht einigen, sollen diese Preise ausgehend von den tatsächlichen Einkaufspreisen der Fertigarzneimittel berechnet und etwaige Einkaufsvorteile an die Krankenkassen weitergegeben werden. Diese gesetzliche Vorgabe hat das Potenzial für einen Dammbruch. Denn wenn eine Systematik zur apothekenindividuellen Erfassung der Einkaufskonditionen erst einmal etabliert würde, könnte sie auf andere Arzneimittelgruppen übertragen werden. Das könnte die Arzneimittelpreisverordnung und das Rabattverbot mittelfristig aushöhlen und langfristig ganz erübrigen.

Angesichts dieser problematischen gesetzlichen Vorgabe haben die Vertragsparteien ein sehr respektables Ergebnis erzielt. Der wichtigste Inhalt der neuen Regelung ist, dass sie für alle Apotheken gleichermaßen gilt. Damit ist der einheitliche Abgabepreis gerettet. Für die Krankenkassen gibt es keinen Anreiz zur "Steuerung" von Rezepten. Die Vertragsregelung nutzt die "offiziellen" Abgabepreise der pharmazeutischen Unternehmen als Berechnungsgrundlagen. Davon sind unterschiedliche Abschläge vorzunehmen, bei substituierbaren Produkten meist zehn Prozent, sonst ein Prozent. Dies wurde als angemessenes Abbild des Marktes anerkannt. Das zweite gute Ergebnis der neuen Regelung ist damit die Einbindung der Arzneimittelpreisverordnung. Denn immerhin setzt die Preisbildung bei einer "geregelten" Größe an und nicht bei einem mühsam zu ermittelnden Marktpreis. Damit erübrigen sich umständliche Nachweise für die jeweils erzielten Einkaufskonditionen. Dies erspart allen Beteiligten viel Bürokratie.

Doch der Vertrag steht auf dünnem Eis. Denn er ändert nichts an den grundsätzlichen Problemen, die mit der AMG-Novelle losgetreten wurden. Nun wurde auch vertraglich anerkannt, dass die Listenpreise für Fertigarzneimittel in Spezialrezepturen teilweise Mondpreise sind. Kombimodell und Rabattverbot wurden in einem Teilbereich suspendiert, obwohl Politiker und Apotheker sonst so gerne die Vorteile dieser Regeln betonen. Das Feilschen um Spezialprodukte wurde vom Gesetzgeber und von den Vertragspartnern offiziell abgesegnet. Die vereinbarten Arbeitspreise dürften kaum ausreichen, um die aufwendige Ausstattung für Reinräume und Herstellungstechnik zu amortisieren. Ohne Rabatte wird die Versorgung zum Verlustgeschäft. Doch starker Wettbewerb ist mit der neuen Regelung kaum zu erwarten. Denn einerseits werden die vereinbarten Abschläge eine Signalwirkung für den Markt haben – und andererseits sind die Vertragsteile kurzfristig kündbar, damit sie an eine neue Marktlage angepasst werden können. Wofür sollen dann neue Rabatte ausgehandelt werden? – Doch dies schafft leider umso mehr Anreize für einzelne Marktteilnehmer, auffallend günstige Ware zu beziehen, ohne sich genau um die Herkunft zu kümmern. Als Abwehr gegen dubiose Produkte wurde allerdings – ebenfalls mit der 15. AMG-Novelle – in § 21 AMG neu vorgeschrieben, dass Spezialrezepturen nur dann zulassungsfrei hergestellt werden dürfen, wenn die eingehenden Fertigarzneimittel ihrerseits zugelassen sind. Die Aufforderung zu Rabattverhandlungen darf also nicht als Freibrief für den Graumarkt missverstanden werden. Gerade angesichts der nun wieder eröffneten Möglichkeit zum Konditionenwettbewerb bleibt gesundes Misstrauen gegenüber besonders günstigen Angeboten gefragt. Auch in dieser Frage scheint der Vertrag zu retten, was noch zu retten war. Denn er dürfte immerhin ein Minimum an Rentabilität für die Apotheken sichern.

So bleibt zu hoffen, dass die neuen Regelungen Bestand haben und umfassend zum Einsatz kommen werden. Denn es heißt, nicht alle Krankenkassen seien mit den Ergebnissen zufrieden. So könnten über kurz oder lang einzelne Kassen aus dem Vertrag aussteigen, abweichende Einzelverträge schließen und so die Vorteile des neuen Vertrages infrage stellen. So bleiben die Spezialrezepturen eine offene Flanke für die Arzneimittelpreisverordnung – und damit ein Problemfall für alle Apotheken.


Thomas Müller-Bohn

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