DAZ aktuell

Konkreter Vertriebsweg entscheidet über Herstellerrabatt

KASSEL (tmb). Für die Frage, ob bei einer Arzneimittelabgabe ein Herstellerrabatt anfällt, sind die Preisbildungsregeln bei der tatsächlichen Abgabe entscheidend – und nicht weitere mögliche Vertriebswege für das Produkt. Mit diesem Grundsatz lassen sich zwei Entscheidungen zusammenfassen, die von zwei Senaten des Bundessozialgerichts getroffen wurden. Am 29. April urteilte der dritte Senat als letzte Instanz in einem Musterprozess über das Blutplasmaprodukt Berinert P in diesem Sinne (Aktenzeichen B 3 KR 3/09 R), nachdem am 27. Oktober 2009 der erste Senat bereits in entsprechender Weise entschieden hatte (Aktenzeichen B 1 KR 7/09 R, siehe DAZ Nr. 5/2010).

Der dritte Senat urteilte, dass der Herstellerrabatt für das Blutplasmaprodukt fällig ist, wenn es in der Apotheke direkt an den Versicherten abgegeben wird. Denn § 130a SGB V unterwirft Fertigarzneimittel dem Herstellerrabatt, wenn ihre Apothekenabgabepreise nach den Vorschriften des AMG oder des § 129a SGB V bestimmt werden. Das betreffende Arzneimittel ist apotheken- und verschreibungspflichtig, es fällt jedoch unter die Ausnahmeregelung des § 47 Absatz 1 Nr. 2 Buchstabe a AMG, die die Abgabe bestimmter Blutzubereitungen von pharmazeutischen Unternehmern direkt an Krankenhäuser und Ärzte gestattet. In einem solchen Ausnahmefall würde die Preisbindung nicht greifen, aber dies war für das Gericht ohne Belang, denn in dem fraglichen Fall hatte der klagende Apotheker das Arzneimittel aufgrund einer ärztlichen Verordnung direkt an den Versicherten abgegeben. Nach Ansicht des Gerichts reicht eine andere rechtlich zulässige Vertriebsmöglichkeit nicht aus, um die Preisbindung auch bei der direkten Abgabe an den Patienten entfallen zu lassen. Das ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Sinn und Zweck der Regelungen. Eine Wettbewerbsverfälschung erkannte das Gericht darin nicht.

Damit bestätigte das Gericht die Entscheidung der Vorinstanz, des Hessischen Landessozialgerichts (Aktenzeichen L 8 KR 226/07), und wies die Revision des beklagten Arzneimittelherstellers zurück. Bereits am 27. Oktober 2009 hatte der erste Senat des Bundessozialgerichts in einem gleichartigen Verfahren entsprechend entschieden. Damit sind zwei Musterprozesse um Berinert P nun mit übereinstimmendem Ergebnis beendet worden. Hintergrund der Verfahren war das Vorgehen einer Krankenkasse, die die Rechnungen von Apotheken um den Herstellerrabatt gekürzt hatte. Daraufhin hatten Apotheker gegen den Hersteller auf Zahlung des Herstellerrabatts geklagt. Ein weiterer Musterprozess, der vor dem Sozialgericht Hamburg anhängig ist (Aktenzeichen S KR 106/10 WA), ruht bereits wegen des anhängigen Verfahrens vor dem Bundessozialgericht, und dürfte nun wohl kaum wieder aufgenommen werden, erklärte Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins. Gegenüber der DAZ sagte Graue, er sei sehr erfreut, dass sich in dem langen Rechtsstreit nun die Rechtsauffassung des Vereins durchgesetzt habe.

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