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Zylajew: "Die Apotheker müssen Transparenz schaffen"

BERLIN (lk). Der CDU-Gesundheitspolitiker Willi Zylajew will von den Apothekern wissen, wie hoch die Rabatte des Großhandels tatsächlich sind. Zur von der Regierungskoalition geplanten Neuregelung der Großhandelszuschläge fordert er Einsicht in die Bücher: "Die Apotheker müssen hier Transparenz schaffen" und erklären, "wie groß die Rabatte tatsächlich sind", meint der Bundestagsabgeordnete und das Mitglied der CDU/CSU-Arbeitsgruppe Gesundheit im DAZ-Interview.
Willi Zylajew, CDU-Gesundheitspolitiker, fordert von den Apothekern Einsicht in die Bücher.
DAZ: Die FDP hat auf ihrem Kölner Parteitag die kontroversen Themen der Gesundheitspolitik ausgeklammert. Leidet ihr Koalitionspartner unter Realitätsverweigerung?

Zylajew: Die FDP hat im Wahlkampf unrealistische Versprechen abgegeben. Sie hat den Leistungsanbietern im Gesundheitswesen gesagt, wenn wir mit liberaler Hand am Steuer sind, dann geht es euch allen besser. Gleichzeitig wurde mehr Netto vom Brutto versprochen. Bis heute kann mir keiner aus der FDP erklären, wie das gehen soll. Und jetzt muss sich die FDP der Realität stellen. Und die Realität fordert in der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lage auch vom Gesundheitswesen einen Solidarbeitrag. Insgesamt ist das politisch brisant.


DAZ: Über das Arzneimittelsparpaket wurde auf dem FDP-Parteitag zwar nicht diskutiert, aber es ist auf den Weg gebracht.

Zylajew: Der Aufschlag von FDP-Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler mit Preisstopp und der Erhöhung des Herstellerrabattes von sechs auf 16 Prozent hat die forschenden Pharmabetriebe umso mehr überrascht. Die Arzneimittelhersteller haben sich in der FDP offensichtlich getäuscht. Die pharmazeutische Industrie war wie gelähmt und intern zerstritten, wie sie darauf reagieren sollte. Die Hersteller wissen selbst, dass sie in den letzten Jahren mit ihren Preisen über den Zapfen gehauen haben. Die Steigerungen waren teilweise unerhört, innerhalb von wenigen Monaten wurden mehrfach die Preise erhöht. Und jetzt sind sie ruhig und sagen nichts mehr, weil sie in dieser Diskussion nicht bestehen können. Wir dachten, jetzt kommt der große Sturm der Pharma-Lobbyisten. Aber nichts geschah.


DAZ: Es gibt aber auch Bedenken beim Wirtschaftsflügel der Union gegen Preisstopp und Zwangsrabatt. Wird das Sparpaket noch einmal aufgeschnürt?

Zylajew: Das sehe ich zurzeit nicht. Der Protest ist mehr eine politische Pflichtübung. Ich habe noch niemanden in meiner Fraktion getroffen, der daran etwas ändern will. Denn jeder weiß, die forschenden Arzneimittelhersteller haben überzogen, in den letzten Jahren zu forsch gewuchert. Der Preisstopp gilt ja nur für Arzneimittel, die im Markt sind. Jetzt erklären Sie mir mal, wo da die Mehrkosten herkommen sollen, die Preissteigerungen rechtfertigen?


DAZ: Was ist mit steigenden Lohnkosten?

Zylajew: Langsam, langsam. Als die Lohnkosten in den letzten Jahren stagnierten – und die IG Chemie betreibt nun wirklich eine verantwortliche Lohnpolitik – da sind die Preise doch auch gestiegen. Da haben die Hersteller nicht verzichtet. Wir hatten Nullrunden bei den Einkommen aber keine Nullrunden bei den Preisen.


DAZ: Also keine Änderung mehr.

Zylajew: Ich kann natürlich nicht prognostizieren, was während der Gesetzesberatung noch alles geschieht. Es liegen aber keine nachvollziehbaren Argumente der Hersteller vor, die eine Verkürzung des Preisstopps begründen würden. Es gibt auch keinen nachhaltigen politischen Druck. Früher haben die forschenden Pharmafirmen ihre Betriebsräte mit eingespannt. Gerade ich als Mitglied der CDU-Arbeitnehmergruppe wurde da oft angesprochen. Das gibt es jetzt nicht.


DAZ: Zu den Kurzfristmaßnahmen im Eckpunktepapier der Koalition gehören auch Neuregelungen der Zytostatikaversorgung und der Funktionsrabatte an Apotheken. Wie geht es da weiter?

Zylajew: Die Neuordnung der Zytostatikaversorgung wird in den kommenden Wochen eine hoch spannende Diskussion. Die Berichte über Betrugsfälle bei 60 von 300 Zytostatika herstellenden Apotheken wurden ja zum richtigen Zeitpunkt durchgestochen. Da wurde richtig gepfuscht und gepanscht. Das wird noch eine haarige Debatte werden.


DAZ: Wie sieht Ihre Lösung aus?

Zylajew: Wir müssen noch mal sauber die Preise vergleichen: Wie sind die Abgabepreise bei Krankenhäusern, wie sind sie für Apotheker. Wir wollen Apotheker und Hersteller an einen Tisch holen und deren Vorschläge hören. Das ist deren Chance, sonst muss die Politik die Preise festlegen. Klar ist, wir werden diese Fehlentwicklungen abstellen.


DAZ: Was wollen Sie bei den Funktionsrabatten unternehmen?

Zylajew: Hier möchte ich eines klarstellen: Wir wollen, dass es die Apotheker nicht netto trifft. Das wird uns bisher zwar immer unterstellt. Aber es soll die Industrie treffen.


DAZ: Wie wollen Sie dies organisieren?

Zylajew: Wir wissen noch viel zu wenig über die tatsächliche Höhe der Funktionsrabatte. Sind dies zehn Prozent oder deutlich mehr. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ABDA hat sich dazu noch nicht geäußert. Nach unserer Auffassung sind die Apotheker von der Umstellung auf einen Fixzuschlag und prozentualen Zuschlag nicht betroffen. Im Gegenteil: Das schafft Sicherheit. Außerdem sagen mir viele Apotheker, so toll sei das mit den Rabatten gar nicht. Darauf könne man gut verzichten. Meine Forderung ist daher: Zunächst muss geklärt werden, wie groß die Rabatte tatsächlich sind. Die Apotheker müssen hier Transparenz schaffen, müssen hier die Fakten aufklären. Ich rechne da ganz einfach: Falls die Rabatte wie behauptet 400 Millionen Euro betragen, wären dies für meinen Wahlkreis 1,3 Millionen Euro für rund 60 Apotheken, also circa 20.000 Euro pro Apotheke. Dann ist die Frage zu stellen, bringt das den Apotheker wirtschaftlich aus dem Gleichgewicht? Falls ja, müssen die Apotheker die Beträge auf den Tisch legen. Denn unsere Absicht gilt: Wir wollen die Apotheker nicht treffen.


DAZ: Aber viele Apotheker sorgen sich trotzdem.

Zylajew: Das ist nicht notwendig. Ich sehe keine Alternative zu den freiberuflichen Apothekern. Das ist für mich nicht nur eine Frage der Arzneimittelversorgung, sondern Apotheker gehören zu unserer Wirtschaftsstruktur. Sie spielen im Ortsleben eine besondere Rolle, die Verlässlichkeit des Apothekers und das Vertrauen in den Apotheker ist für viele Patienten ein hohes Gut. Das schafft man mit einem Arzneimittelversandhandel nicht.


DAZ: Wann kommt dann endlich das Pick-up-Verbot?

Zylajew: Wir wollen das durchsetzen. Ob es möglich ist, prüfen noch die Juristen.


DAZ: Geprüft wurde schon lange und viel. Wann liegt das Ergebnis vor?

Zylajew: Anfang 2011 soll das Verbot kommen. Das EuGH-Urteil stimmt mich optimistisch, dass auch die Gerichte verstehen, dass wir es beim Apothekenmarkt nicht mit einer normalen Branche zu tun haben, sondern mit einem wichtigen Versorgungsaspekt im Gesundheitswesen. Wenn ich schon Apothekenketten mit approbierten Apothekern sagen kann, das ist nicht der Weg, den wir in Deutschland gehen wollen, dann kann ich noch weniger zustimmen, dass demnächst an der Tankstelle Fächer zur Entgegennahme von Arzneimitteln eingerichtet werden. Ich bin da sehr gelassen. Ich sehe im Pick-up-Verbot eine juristische Verlängerung des EuGH-Urteils. Ein Verbot wird auch vor Gericht Bestand haben können.


DAZ: Den gesetzlichen Krankenkassen droht 2011 ein zweistelliges Milliardenloch. Wie steht es vor diesem Hintergrund um die Kopfprämie?

Zylajew: Das überlassen wir der Regierungskommission. Die werden eine Lösung finden. Dort sitzen acht Bundesminister. Außerdem: Der Letzte hat inzwischen verstanden, dass wir die Steigerung der Gesundheitskosten nicht allein den Lohnkosten aufbürden können. Daher müssen wir einen lohnunabhängigen Beitragsbestandteil entwickeln. Solche fixen Prämien sind nicht dramatisch, wenn es einen sozialen Ausgleich gibt.


DAZ: Aber genau da liegt das eigentliche Problem.

Zylajew: Sie haben Recht. Meine Befürchtung ist, dass der soziale Ausgleich dazu führt, dass wie in Holland 60 Prozent der Versicherten aus Steuermitteln unterstützt werden müssen. Das kann natürlich auch nicht der Sinn des notwendigen Umbaus sein.


DAZ: Das begrenzt dann aber den Spielraum für die Höhe der Prämie.

Zylajew: Natürlich. Außerdem fehlt uns dafür das Geld in der Steuerkasse. Dem GKV-System fehlen im nächsten Jahr elf bis zwölf Milliarden Euro. Wir bräuchten umgerechnet von jedem Versicherten im Jahr circa 200 Euro mehr. Um diese Größenordnung geht es. Würden wir aber soviel Geld ins Gesundheitswesen pumpen, würden die Leistungsanbieter rauschig und würden versuchen, noch mehr Geld herauszuholen. Es wird also um eine Kombination aus kleiner, verantwortbarer Prämie und Sparmaßnahmen gehen. Außerdem müssen wir uns noch einmal genau anschauen, ob der Steuerzuschuss für die kostenfreie Kindermitversicherung ausreichend bemessen ist. Mit diesem Maßnahmenmix lassen sich allgemeine Beitragserhöhungen vermeiden.


DAZ: Was bedeutet das für die Apotheker?

Zylajew: Auch die Zahl der Apotheken ist nicht sakrosankt. Wir haben in Deutschland rund 21.600 Apotheken, pro 3800 Einwohner eine Apotheke. Wenn es eine Apotheke pro 8000 Einwohner gäbe, wäre die Arzneimittelversorgung nicht unbedingt in Gefahr. Man sieht das vor allem in den attraktiven Ballungsräumen, wo sie mit gebrochenem Bein von einer Apotheke zur nächsten humpeln können, weil fünf, sechs Apotheken nebeneinander liegen. Der Wettbewerb um die 1a-Lagen kostet das System viel Geld.


DAZ: Sie wollen die Zahl der Apotheken tatsächlich halbieren?

Zylajew: Das ist natürlich unrealistisch. Aber man muss doch einmal die simplen Messzahlen benennen und darüber diskutieren dürfen. Wir müssen ähnlich wie bei den Ärzten über eine bessere regionale Verteilung der Apotheken reden. Auf dem Land fehlen Apotheken, in den Städten gibt es zu viele. Arzt und Apotheker bilden bei diesen Überlegungen eine Einheit: Wo kein Arzt auf dem Lande, da rechnet sich auch keine Apotheke. Wenn also Ärzte auf dem Land mehr Geld bekommen sollen, warum nicht auch die Apotheker? Der Apotheker in der 1a-Lage muss dann womöglich 20 Prozent weniger Geld bekommen, damit wir Land-Apotheken einen Zuschlag geben können. Darüber denken wir nach.


DAZ: Herr Zylajew, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Kurzporträt


Willi Zylajew ist ein Kölner Original, eine rheinische Frohnatur und als Bundestagsabgeordneter Sozial- und Gesundheitspolitiker. Der ausgebildete Mess- und Regelmechaniker sowie studierte Sozialarbeiter zählt sich selbst zum Arbeitnehmerflügel CDA in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zu den Herz-Jesu-Marxisten, wie es in der Union spöttisch heißt. Der 56-jährige CDU-Abgeordnete und Vater von fünf Kindern kandidiert im Wahlkreis Rhein-Erft-Kreis, westlich von Köln.

2002 ist Zylajew über die parlamentarischen Stationen Kreis- und Landtag in den Bundestag gewählt worden. Er arbeitet auch heute noch im Kreistag des Rhein-Erft-Kreises. Die Kommune ist sein Seismograph. Zylajew wurde 1950 in Köln als Enkelsohn eines osteuropäischen Zuwanderers und Sohn einer Bauerntochter aus der Eifel geboren. Das Rheinland ist unüberhörbar seine Heimat. Er engagierte sich früh in der Gewerkschaft, in der Arbeitnehmerbewegung und in der katholischen Jugend. Nach seinem Eintritt in die CDU wurde er auch Mitglied in der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA Sozialausschüsse). Heute ist er Schatzmeister im CDA-Bundesvorstand sowie im Vorstand der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Sein politisches Leitbild ist die christliche Soziallehre.

Der Parlamentarier ist ein Anhänger der personenbezogenen Prämie und der Entkoppelung vom Arbeitslohn. Die personenbezogene Prämie müsse jedoch für den Einzelnen verkraftbar sein. Insofern plädiert er dann auch für Ersatzleistungen aus der Steuer für denjenigen, der sie nicht aufbringen kann. Außerdem kümmert sich Zylajew in dieser Legislaturperiode um die Pflegeversicherung, die ebenfalls reformiert werden soll.

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