Arzneimittel und Therapie

Mifamurtid zur Behandlung des Osteosarkoms

Mepact® ist eine liposomale Zubereitung von Mifamurtid, einem immunstimulierenden Bestandteil der Zellwand von Mykobakterien. Das Präparat kommt zur Behandlung des Osteosarkoms, eines seltenen Knochentumors im Anschluss an eine Tumorresektion auf den Markt.
Mifamurtid

Das Osteosarkom ist ein seltener Knochentumor, der typischerweise bei Kindern und jungen Erwachsenen auftritt und oftmals einen tödlichen Verlauf nimmt. In den USA werden jährlich etwa 1200 neue Fälle diagnostiziert. Da Osteosarkome in der Regel aus Osteoblasten entstehen, sind Kinder und Jugendliche in der Wachstumsphase am häufigsten betroffen. Während die meisten Tumoren in größeren Knochen wie Oberschenkel-, Schienbein- und Oberarmknochen sowie in jenem Bereich des Knochens mit der schnellsten Wachstumsrate auftreten, können sich Osteosarkome in jedem Knochen manifestieren. Das häufigste Symptom ist Schmerz. Im Zuge des Tumorwachstums kann es auch zu Schwellungen und Bewegungseinschränkungen kommen.

Die Überlebensrate für Kinder mit Osteosarkom liegt seit Mitte der 1980er Jahre bei 60 bis 65%. Die Standardbehandlung eines Osteosarkoms ist Tumorresektion in Kombination mit Chemotherapie vor und nach dem chirurgischen Eingriff.

Einsatz nach der Operation

Das neue Mifamurtid wird im Rahmen einer postoperativen Kombinations-Chemotherapie eingesetzt. Es ist als liposomale Zubereitung Mepact® zur Behandlung nicht metastasierter, resezierbarer hochmaligner (high-grade) Osteosarkome bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von zwei bis 30 Jahren im Anschluss an eine makroskopisch vollständige Tumorresektion indiziert.

Die empfohlene Mifamurtid-Dosis beträgt für alle Patienten 2 mg/m2 Körperoberfläche. Diese Dosis wird nach Rekonstitution, Filtration über den beiliegenden Filter und Verdünnung als intravenöse Infusion über einen Zeitraum von einer Stunde verabreicht.

Mifamurtid wird zur adjuvanten Therapie im Anschluss an die Tumorresektion nach folgendem Schema eingesetzt: zwölf Wochen lang zweimal wöchentlich im Abstand von jeweils mindestens drei Tagen sowie weitere 24 Wochen lang einmal wöchentlich, sodass die Therapie insgesamt 48 Infusionen innerhalb eines Zeitraums von 36 Wochen umfasst.

Zellwandbestandteil von Mycobacterium sp.

Mifamurtid ist ein synthetisches Derivat des Muramyldipeptids. Muramyldipeptid ist der kleinste natürlich vorkommende immunstimulierende Bestandteil der Zellwand von Mycobacterium sp. Mifamurtid hat ähnliche immunstimulierende Eigenschaften wie das natürliche Muramyldipeptid, zusätzlich jedoch den Vorteil einer längeren Plasmahalbwertszeit.

Nach intravenöser Infusion werden die Liposomen von Makrophagen aufgenommen. Mifamurtid bindet spezifisch an den NOD2-Rezeptor, der hauptsächlich auf Monozyten, dendritischen Zellen und Makrophagen vorkommt, und aktiviert diese Zellen. Als Folge bilden menschliche Makrophagen Zytokine, wie Tumornekrosefaktor (TNF), die Interleukine 1, 6, 8 und 12, sowie Adhäsionsmoleküle wie das Lymphozytenfunktions-assoziierte Antigen 1 (LFA-1) und das interzelluläre Adhäsionsmolekül 1 (ICAM-1).

In vitro töten mit Mifamurtid behandelte menschliche Monozyten allogene und autologe Tumorzellen (unter anderem von Melanomen, Ovarial-, Kolon- und Nierenzellkarzinomen) ab, ohne toxisch auf andere Zellen zu wirken.

In Tierversuchen konnte Mifamurtid das Wachstum zahlreicher Tumorzellarten hemmen, unter anderem von Lungenmetastasen, Haut- und Lebertumoren sowie Fibrosarkomen. Der Wirkungsmechanismus, über den die Aktivierung von Monozyten und Makrophagen zur tumorhemmenden Wirkung von Mifamurtid bei Menschen und Versuchstieren führt, ist nicht bekannt.

Zusätzlich zur adjuvanten Chemotherapie

Die Zulassung erfolgte aufgrund der Ergebnisse einer Phase-III-Studie, mit rund 800 Teilnehmern die bislang größte Studie an Osteosarkom-Patienten, die Mifamurtid zusätzlich zu einer adjuvanten Chemotherapie mit drei oder vier Wirkstoffen (Cisplatin, Doxorubicin und Methotrexat mit oder ohne Ifosfamid) erhielten. Die Erweiterung der Chemotherapie um Mifamurtid führte zu einer Senkung des Sterberisikos um rund 30%. Das Gesamtüberleben verbesserte sich im Beobachtungszeitraum von sechs Jahren bei den mit Mifamurtid behandelten Patienten von 70 auf 78%.

Zahlreiche Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen waren Anämie, Anorexie, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Tachykardie, hoher Blutdruck, niedriger Blutdruck, Kurzatmigkeit, beschleunigte Atmung, Husten, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung, Bauchschmerzen, Übelkeit, verstärktes Schwitzen, Myalgien, Arthralgien, Rückenschmerzen, Schmerz in den Extremitäten, Fieber, Schüttelfrost, Müdigkeit, Hypothermie, Schmerzen, Unwohlsein, Schwäche und Brustschmerzen.

Eine reversible Neutropenie entwickelte sich unter Behandlung mit Mifamurtid häufig, in der Regel in Verbindung mit einer Chemotherapie. Episoden einer febrilen Neutropenie sollten angemessen überwacht und behandelt werden. Die Anwendung kann in neutropenischen Phasen zwar fortgesetzt werden; jedoch sind die Patienten in diesem Fall engmaschig auf das Auftreten von therapiebedingtem Fieber hin zu überwachen. Tritt nach Gabe von Mepact® Fieber oder Schüttelfrost von über acht Stunden Dauer auf, sollte eine Sepsisabklärung erfolgen.

Gelegentlich traten im Zusammenhang mit der Anwendung von Mifamurtid ausgeprägte Entzündungsreaktionen auf, beispielsweise mit Perikarditis oder Pleuritis. Daher sollte Mifamurtid bei Patienten mit anamnestisch bekannten Autoimmunerkrankungen, entzündlichen Erkrankungen oder Kollagenosen mit Vorsicht angewendet werden. Während der Gabe sollten die Patienten im Hinblick auf auffällige Symptome (wie Arthritis oder Synovitis), die auf unkontrollierte Entzündungsreaktionen hindeuten könnten, überwacht werden.

Nicht mit NSAR und Corticoiden

Hoch dosierte nicht-steroidale Antirheumatika hemmen die Wirkung von Mifamurtid auf die Makrophagen und dürfen nicht gemeinsam mit diesem eingesetzt werden. Eine längerfristige Anwendung von immunsupprimierenden Glucocorticoiden hemmt die anregende Wirkung von Mifamurtid auf das Immunsystem und sollte vermieden werden. Lipophile Arzneistoffe, wie Doxorubicin, sollten zeitlich getrennt verabreicht werden. Mifamurtid zeigt keine Wechselwirkungen mit dem Cytochrom-P450-Enzymsystem und interagiert nicht mit Cisplatin, Ifosfamid und hochdosiertem Methotrexat. Die gemeinsame Anwendung von Mifamurtid und Ciclosporin sowie anderen Calcineurininhibitoren ist kontraindiziert, da theoretisch Auswirkungen auf die Funktion der Milzmakrophagen und mononukleären Phagozyten auftreten können. In vitro beeinflusst Mifamurtid Enzyme des Cytochrom-P450-Systems nicht. Daher sind keine Wechselwirkungen mit Substanzen zu erwarten, deren Abbau über diese Enzyme verläuft.

Bei Patienten mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion sollte die Behandlung mit Vorsicht erfolgen, da keine Daten zur Dosisanpassung verfügbar sind. Wenn Mifamurtid über die Dauer der Chemotherapie hinaus angewendet wird, empfiehlt sich die kontinuierliche Kontrolle der Leber- und Nierenfunktion bis zum Abschluss aller Therapiemaßnahmen.

2004 erhielt Mifamurtid in Europa den Orphan-drug-Status. Damit ist nach europäischem Pharmarecht der Anspruch verknüpft, für einen Zeitraum von zehn Jahren das Medikament für die Zulassungsindikation exklusiv vermarkten zu dürfen.

Quelle Fachinformation von Mepact, Stand März 2010.

 


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Mifamurtid


Handelsname: Mepact

Hersteller/Vertreiber: IDM Pharma SA, Paris

Einführungsdatum: 1. Februar 2010

Zusammensetzung: Eine Durchstechflasche enthält 4 mg Mifamurtid. Sonstige Bestandteile: 2-Oleoyl-1-palmitoyl-sn-glycero(3)phospho-cholin (POPC); 1,2-Dioleoyl-sn-glycero(3)-L-phosphoserin, Mononatriumsalz (OOPS).

Packungsgrößen, Preise und PZN: Eine Durchstechflasche, 3629,38 Euro, PZN 5508855.

Stoffklasse: Immunmodulator. ATC-Code: L03AX15.

Indikation: Zur Behandlung nicht metastasierter, resezierbarer hochmaligner (high-grade) Osteosarkome bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von zwei bis 30 Jahren im Anschluss an eine makroskopisch vollständige Tumorresektion, im Rahmen einer postoperativen Kombinationschemotherapie.

Dosierung: 2 mg/m2 Körperoberfläche als intravenöse Infusion über einen Zeitraum von einer Stunde; Therapieschema: zwölf Wochen lang zweimal wöchentlich im Abstand von jeweils mindestens drei Tagen sowie weitere 24 Wochen lang einmal wöchentlich, insgesamt 48 Infusionen innerhalb eines Zeitraums von 36 Wochen.

Gegenanzeigen: Gleichzeitige Anwendung von Ciclosporin oder anderen Calcineurin-Inhibitoren und von hoch dosierten nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID, Cyclooxygenase-Inhibitoren).

Nebenwirkungen: Sehr häufig: Anämie; Anorexie; Kopfschmerzen, Schwindel, Tachykardie; Hypertonie, Hypotonie; Dyspnoe, Tachypnö, Husten; Erbrechen, Diarrhö, Verstopfung, Bauchschmerzen, Übelkeit; vermehrtes Schwitzen; Myalgien, Arthralgien, Rückenschmerzen, Gliederschmerzen; Fieber, Schüttelfrost, Müdigkeit, Hypothermie, Schmerzen, Krankheitsgefühl, Asthenie, thorakale Schmerzen.

Wechselwirkungen: Mifamurtid und Doxorubicin oder andere lipophile Substanzen sollten zeitlich getrennt verabreicht werden. Eine längerfristige oder Daueranwendung von Glucocorticoiden sollte während der Behandlung mit Mifamurtid vermieden werden. Wechselwirkungen mit Substanzen, deren Abbau über Cytochrom-P450-Enzyme verläuft, sind nicht zu erwarten.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Bei Patienten mit bekanntem Asthma bronchiale oder sonstigen chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen sollte die prophylaktische Anwendung eines Bronchodilatators erwogen werden, bei schweren respiratorischen Nebenwirkungen muss die Anwendung beendet und eine angemessene Behandlung eingeleitet werden. Weil sich unter der Behandlung häufig eine reversible Neutropenie entwickelt, sollten Episoden einer febrilen Neutropenie angemessen überwacht und behandelt werden. Mifamurtid sollte bei Patienten mit anamnestisch bekannten Autoimmunerkrankungen, entzündlichen Erkrankungen oder Kollagenosen mit Vorsicht angewendet werden. Die Patienten sollten auf Zeichen einer allergischen Reaktion hin beobachtet werden. Patienten mit bekannten venösen Thrombosen, Vaskulitiden oder instabilen kardiovaskulären Erkrankungen sollten während der Behandlung engmaschig überwacht werden; auch sollten die Gerinnungsparameter kontrolliert werden. Die gastrointestinale Toxizität ist im Rahmen einer hoch dosierten Kombinations-Chemotherapie gegebenenfalls verstärkt.

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