Arzneimittel und Therapie

Idebenone gegen seltene neuromuskuläre Erkrankungen

Die Friedreichsche Ataxie ist eine seltene, genetisch bedingte neuromuskuläre Erkrankung, die bislang als unheilbar galt. Die Erkrankung zeigt einen langsamen Verlauf, der fünf bis zehn Jahre nach Ausbruch zum Verlust der Gehfähigkeit führt. Zu den Symptomen gehören unter anderem Skoliose, Missbildungen der Beine und sehr oft Kardiomyopathien. Eine erfolgreiche Behandlung der Erkrankung ist nach positiven Studienergebnissen offensichtlich mit Idebenone möglich. Der synthetisch hergestellte Abkömmling des Coenzyms Q10 befindet sich in der Phase III der Entwicklung.
Idebenone, ein synthetisch hergestellter Abkömmling des Coenzyms Q10, könnte gegen verschiedene neuromuskuläre und mitochondriale Erkrankungen wirksam sein.

Idebenone [2,3-Dimethoxy-5-methyl-6-(10-hydroxydecyl)-1,4-benzochinon] ist ein liquorgängiger Abkömmling des Coenzyms Q. Es ist der Wirkstoff des ersten Produkts (vorgesehener Handelsname Catena®) des Schweizer Pharmaunternehmen Santhera Pharmaceuticals, das auf neuromuskuläre Erkrankungen spezialisiert ist.

In Mitteleuropa tritt die Friedreichsche Ataxie bei etwa einem von 50.000 Neugeborenen auf und macht damit die Hälfte aller erblichen Ataxie-Erkrankungen aus. In Deutschland leben rund 1500 Menschen mit der autosomal-rezessiven Erbkrankheit. Das verantwortliche Gen FXN liegt auf Chromosom 9 und codiert für das in den Mitochondrien lokalisierte Protein Frataxin, das den Eisen-Stoffwechsel in diesen Organellen steuert. Es wird vermutet, dass die Friedreichsche Ataxie eine Folge oxidativen Stresses ist, der durch Eisen-Überschuss ausgelöst wird und der letztlich zum Zelltod führt. Die Erkrankung beginnt häufig im Kindes- und Jugendalter mit Gang- und Gleichgewichtsstörungen, die Betroffenen sind häufig rasch auf den Rollstuhl angewiesen. Im weiteren Verlauf kommt es oft zu einer Herzmuskelschwäche, die häufig zu einem frühen Tod der Erkrankten führt. Das gut verträgliche Idebenone mindert den oxidativen Stress und hat indirekte Effekte auf die Atmungskette und die ATP-Produktion. Offensichtlich sind aber höhere Dosen nötig, um einen klinisch signifikanten Effekt zu erzielen [1]. Zwei größere Studien, deren Ergebnisse noch in diesem Jahr erwartet werden, sollen den Erfolg nach einer einjährigen Therapie bewerten.

Bei anderen neuromuskulären und mitochondrialen Erkrankungen wirksam?

Derzeit laufen weitere Studien, die eine Wirksamkeit von Idebenone auch bei anderen Erkrankungen überprüfen sollen, so eine Phase-III-Studie in Österreich zu Morbus Duchenne, einer ebenfalls erblichen Muskeldystrophie, und zum ähnlichen Morbus Becker. Auch für andere mitochondriale Erkrankungen bietet sich die Anwendung von Idebenone an: zur Leberschen hereditären Optikusneuropathie wird derzeit eine aktuelle Studie an der Neurologischen Klinik des Klinikums Großhadern durchgeführt. An ihr erkranken bevorzugt junge Männer zwischen 15 bis 35 Jahren. Bei dieser Erkrankung kommt es in kurzer Zeit zu einem hochgradigen Verlust der Sehschärfe und der Ausbildung von großen zentralen Gesichtsfeldausfällen. Meist erkrankt zunächst nur ein Auge, innerhalb weniger Monate wird fast immer auch das zweite Auge befallen. In der überwiegenden Zahl der Fälle erleiden die Betroffenen bleibende Behinderungen. In den USA wird indessen eine Phase-II-Studie zum MELAS (Mitochondriale Enzephalomyopathie mit Lactatazidose und Schlaganfall-ähnlichen Episoden)-Syndrom durchgeführt. Die Erkrankung beruht ebenfalls auf einem Gendefekt. Die kumulativen Effekte der schlaganfallähnlichen Episoden führen im weiteren Verlauf zu Myopathien, Kardiomyopathien, Ataxien und Demenz [2].

Quelle [1] Di Prospero N.A.: et al.: Neurological effects of high-dose idebenone in patients with Friedreich‘s ataxia: A randomised, placebo-controlled trial. Lancet Neurol 2007; 6(10): 878 – 886. [2] Spreitzer H.: Neue Wirkstoffe: Idebenone – Hoffnungsträger für seltene neuromuskuläre Erkrankungen. ÖAZ 2010(8), www.apoverlag.at 

 


Dr. Hans-Peter Hanssen

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