Arzneimittel und Therapie

Das Modell der Mammastammzelle

Mithilfe des Mammastammzellkonzeptes soll die Tumorproliferation beim Mammakarzinom erklärt werden. Das Modell geht davon aus, dass die Tumorentwicklung von mutierten Stammzellen ausgeht. Der Krankheitsverlauf, die unterschiedlichen klinischen Erscheinungsbilder sowie das Ansprechen auf eine Therapie werden ebenfalls von den Mammastammzellen bestimmt. Therapeutische Konsequenzen aus dieser Vorstellung stehen erst am Beginn der klinischen Erprobung.

Mit dem Modell einer Mammastammzelle können verschiedene biologische Besonderheiten bei Brustkrebserkrankungen erklärt werden. Diesem Konzept zufolge sind einige wenige bösartige Tumorstammzellen für den ständigen Nachschub an Krebszellen verantwortlich. Aus der Tumorstammzelle gehen Progenitorzellen und über weitere Differenzierungen ausgereifte Zellen hervor. Auf jeder Stufe können tumorige Zellen entstehen, die zu der bekannten Heterogenität bei Brustkrebserkrankungen führen. Der Tumor ist der Ursprungszelle immunphänotypisch sehr ähnlich. Experimentell können Stammzellen mit immunhistochemischen Markern identifiziert und phänotypisch charakterisiert werden. Mithilfe von Genexpressionsanalysen lassen sich stammzellähnliche (SCL = stemm cell like) von nicht-SCL-Tumoren unterscheiden. Je nach Rezeptorstatus und Zugehörigkeit zum SCL- oder nicht-SCL-Typ zeigen sich unterschiedliche Krankheitsverläufe. Ferner werden im Zusammenhang mit der Mammastammzelle disseminierte Tumorzellen im Knochenmark und das BRCA1-positive Mammakarzinom diskutiert. Auch hier lassen sich jeweils Stammzellmarker nachweisen, die eine Klassifikation der Mammakarzinome auf der Grundlage eines biologischen Modells gestatten. Klassische Tumorcharakteristika wie der Hormonrezeptorstatus werden so in einen neuen Kontext gebracht und neue Subgruppen erstellt. Für diese Gruppen sollen prognostische und prädiktive Marker erstellt und therapeutische Targets identifiziert werden.

Die Tumorstammzell-Hypothese

Die Tumorstammzell-Hypothese besagt, dass nur eine kleine Subpopulation von Tumorzellen die Fähigkeit zur Selbsterneuerung und Tumorbildung besitzt. Nur einige wenige Zellen – die Tumorstammzellen – bestimmen das Verhalten des gesamten Tumors. Potenzielle Tumorstammzellen zeigen neben eingeschränkter Differenzierungsfähigkeit häufig nur geringe Proliferationsraten oder befinden sich im Ruhezustand und sind daher mit konventionellen zytotoxischen Therapien kaum zu schädigen. Sie überexprimieren antiapoptotische und Multidrug-Resistance-Proteine. Somit sind diese Zellen in der Lage, konventionelle Tumortherapien unbeschadet zu überstehen (Chemo- und Strahlenresistenz). Ferner scheinen sie für das Wiederauftreten der Erkrankung und die Metastasierung verantwortlich zu sein. Tumorstammzellen wurden bei mehreren Tumorentitäten wie bei hämatologischen Tumoren sowie Brust-, Darm-, Prostata-, Haut- und Hirntumoren entdeckt.

 

Früher Beginn der Transformation

Im Zusammenhang mit der Mammastammzelle taucht die Frage auf, wann die tumorigen Mammastammzellen gebildet werden. Unter anderem wird diskutiert, ob die Anzahl der Stammzellen im Nabelschnurblut bei der Geburt mit dem Brustkrebsrisiko korrelieren. Ferner scheinen Wachstumshormone einen Einfluss auf die Mammastammzellen zu haben, da Risikofaktoren für ein Mammakarzinom wie ein hohes Geburtsgewicht, eine hohe Körperlänge im Alter von 14 Jahren, eine hohe Wachstumsgeschwindigkeit in der Kindheit sowie ein niedriger BMI im Alter von 14 Jahren auf eine Beteiligung der Wachstumshormone hinweisen.

Quelle Priv.-Doz. Dr. Achim Rody, Frankfurt: Die Mammastammzelle – Hype or Hope? Vortrag gehalten am 21. November 2009 beim 10. Frankfurter interaktiven Fortbildungsseminar; veranstaltet von sanofi aventis.

 


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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