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China stürmt an die Spitze – wichtige Patente laufen aus

BERLIN (lk). In den letzten Jahrzehnten waren die USA, Japan und Europa die wichtigsten, weil umsatzstärksten Märkte der pharmazeutischen Industrie. Aber die Gewichte verschieben sich: Umsatzstarke Patente für Arzneimittel laufen in den beiden kommenden Jahren ab. Darauf müssen die Hersteller reagieren. Und: Nach Automobilen, Fernsehgeräten, Waschmaschinen und Kühlschränken stürmt China auch bei Arzneimitteln auf Platz eins.

Die Weltpharmamärkte befinden sich in einem "radikalen Umbruch". Nach einer aktuellen Studie von IMS Health steht China unangefochten an der Spitze der aufstrebenden Pharmamärkte und schickt sich nach Automobilen, Mobilfunk und Fernsehen an, in wenigen Jahren auch für Arzneimittel zum weltweit größten Markt aufzusteigen. Allerdings sind die 17 weltweit führenden Arzneimittelhersteller aus den USA, Europa und Japan auf dem Wachstumsmarkt China laut IMS Health unterrepräsentiert und erzielen dort gerade mal 0,9 Prozent ihres Gesamtumsatzes.

Neben China zählen vor allem Brasilien, Russland und Indien zu den kommenden Wachstumsträgern für die pharmazeutische Industrie mit hohen zweistelligen Zuwachsraten. Chinas pharmazeutische Industrie legte 2008 um 26 Prozent zu. Den Boom angetrieben haben massive staatliche Investitionen im Umfang von 125 Mrd. Dollar ins Gesundheitswesen mit dem Ziel der Verbesserung der Infrastruktur und einer flächendeckenden Versorgung des 1,35 Milliarden Menschen zählenden Volkes und der wachsende Bedarf an Medikamenten zur Behandlung chronischer Krankheiten. Bis 2013 erwartet IMS Health eine Verdoppelung des Volumens des Arzneimittelmarktes.

Auf Rang drei der weltweiten Wachstumsrallye in den "Pharmerging-Markets" für Arzneimittel liegen laut IMS Health 13 Schwellenländer wie zum Beispiel Argentinien, Ägypten, aber auch Polen, Ukraine und Vietnam. Diese bisher unterentwickelten Arzneimittelmärkte bieten enormes Wachstumspotenzial.

Achtung Patent-Cliff

Aber auch eine andere Entwicklung zwingt die großen Arzneimittelhersteller zum Handeln: In den kommenden drei Jahren verlieren mehr Arzneimittel mit Milliardenumsätzen ihren Patentschutz als je zuvor. Laut Marktforschungsinstitut IMS Health sind von dem sogenannten "Patent-Cliff" bis 2013 Medikamente mit einem Jahresumsatz von 134 Milliarden Dollar betroffen, fast 20 Prozent des Gesamtmarkts.

Die Konkurrenz der Generikahersteller lauert bereits auf den Tag X, um mit deutlich preiswerteren Kopien den Markt aufzurollen. Die Erfahrungen zeigen, dass im Schnitt nach sechs Monaten 80 Prozent des Umsatzes für die Originalhersteller verloren gehen.

Sechs der zehn umsatzstärksten Arzneien verlieren nach einer Umfrage von "Capital" ihren Patentschutz: Pfizer etwa büßt die Exklusivrechte für den Cholesterinsenker Lipitor ein. Das Medikament macht jährlich mehr als 14 Mrd. Dollar. Sanofi-Aventis muss 2011 den Blutgerinnungshemmer Plavix mit Erlösen von über acht Milliarden Dollar freigeben. Bei AstraZeneca und Lilly reißen die Nervenmittel Seroquel und Zyprexa Umsatzlücken von je fünf Milliarden Dollar.

Marktstrategien anpassen

Andererseits erwartet IMS Health, dass in den kommenden beiden Jahren 50 bis 60 neue oder verbesserte Arzneimittel auf den Markt kommen. Die Mehrzahl davon sind jedoch Spezialpräparate für relativ kleine Patientengruppen. Nur sechs bis zehn Innovationen besitzen danach das Potenzial für einen umsatzstarken "Blockbuster". Ob sie in der Lage sind, den Verlust des Patentschutzes umsatzstarker Arzneimittel wirtschaftlich auszugleichen, bleibt abzuwarten.

Angesichts ihrer bislang geringen Marktanteile auf den "Pharmerging-Markets" rät IMS Health Vize-Präsident Murray Aitken den etablierten pharmazeutischen Herstellern, ihre Marktstrategie den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, die regionalen Besonderheiten der Märkte zu berücksichtigen und rasch die erforderlichen Umstellungen vorzunehmen.

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