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Eine bedeutende Reform

BERLIN (ks). US-Präsident Barack Obama hat es trotz aller Widrigkeiten geschafft: In der Nacht auf den 22. März hat das US-Repräsentantenhaus seine Gesundheitsreform gebilligt. Ein Jahr hatte Obama um sein ambitioniertes Projekt gerungen. Auch wenn er einige Kompromisse eingehen musste – letztlich konnte er einen Sieg "für das amerikanische Volk" und den "gesunden Menschenverstand" verkünden.

Die Republikaner waren gegen das Vorhaben Sturm gelaufen, da sie steigende Kosten und eine schlechtere Versorgung für die bereits Versicherten erwarteten. Doch auch mehrere Demokraten waren von der an Weihnachten beschlossenen Senatsvorlage nicht überzeugt. Obama musste bis zuletzt in den eigenen Reihen um Stimmen kämpfen. Am Ende fiel die Abstimmung im Repräsentantenhaus denkbar knapp aus: 219 Abgeordnete stimmten mit Ja – das waren lediglich drei Stimmen mehr als für die erforderliche Mehrheit nötig. 212 Abgeordnete stimmten gegen die Vorlage – darunter alle 178 Republikaner und 34 konservative Demokraten. Für ein Begleitpaket mit Änderungen votierten 220 Mitglieder des Repräsentantenhauses. Hierüber muss der Senat dieser Tage noch abschließend befinden – an den Grundzügen rütteln können diese Änderungsanträge jedoch nicht. Das jetzt beschlossene Gesetz hat bereits beide Kammern durchlaufen und ist damit unterschriftsreif. Bereits am 23. März wollte der US-Präsident das Gesetz unterzeichnen.

Versicherungspflicht und Schranken für Versicherer

"Dies ist keine radikale Reform", erklärte Obama nach der Abstimmung. "Aber es ist eine bedeutende Reform." Mit ihr werde nicht alles repariert, was im Gesundheitswesen kränkle. "Aber es bringt uns in die richtige Richtung." Mit der Reform würden die schlimmsten Praktiken der Versicherungskonzerne verhindert. Außerdem würden nahezu alle Amerikaner – von 95 Prozent ist die Rede – die Möglichkeit bekommen, eine Krankenversicherung abzuschließen.

Tatsächlich wird durch das Gesetz rund 32 Millionen bislang Unversicherten eine Krankenversicherung garantiert. Erstmals gibt es eine Pflicht zur Krankenversicherung. Wer sich dieser entzieht, muss mit einem Bußgeld rechnen. Dieses kann bis zum Jahr 2016 auf bis zu 2,5 Prozent des Einkommens steigen. Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten müssen je nicht versichertem Beschäftigten eine Strafe von 2000 Dollar (1481 Euro) pro Jahr bezahlen. Kleinere Unternehmen und einkommensschwache Haushalte sollen Beihilfen für die Krankenversicherung erhalten. Mit der Versicherungspflicht einher geht, dass Versicherer Kunden wegen Vorerkrankungen nicht mehr ablehnen oder wegen teurer Behandlungen kündigen können. Auch Aufschläge wegen des Geschlechts oder des Gesundheitszustandes dürfen nicht mehr verlangt werden. Auf die Einführung einer öffentlichen Krankenkasse, die mit den privaten Anbietern in einen Wettbewerb treten sollte, wurde nach langen Diskussionen verzichtet. Stattdessen soll es nun in jedem Bundesstaat eine staatlich kontrollierte Krankenversicherungsbörse geben, in der die privaten Unternehmen ihre Policen anbieten können. Weiterhin wird mit der Reform die Zugangsschwelle zum staatlichen Gesundheitsprogramm für sozial Schwache (Medicaid) gesenkt, sodass hier 16 Millionen zusätzliche Mitglieder zu erwarten sind.

940 Mrd. Dollar in zehn Jahren

Die Reform kostet im kommenden Jahrzehnt laut Schätzungen
940 Milliarden Dollar (697 Milliarden Euro). Obama setzt jedoch auf gleichzeitige Ausgabensenkungen im Gesundheitswesen, die das staatliche Defizit bis 2019 um
138 Milliarden Dollar und im folgenden Jahrzehnt um 1,2 Billionen Dollar reduzieren sollen. Gut weggekommen ist die Pharmaindustrie. Während Obama im Präsidentschaftswahlkampf noch direkte Preisverhandlungen der staatlichen Versicherung Medicare mit den Pharmakonzernen und die Freigabe von Arzneimittel-Reimporten forderte, blieben diese Pläne letztlich im Sande stecken.

Zurücklehnen kann sich Obama sicherlich noch nicht. Jetzt wird sich zeigen müssen, wie sich seine Reform im Alltag bewährt. Gegner der Reform kündigten bereits an, dass sie das Gesetz gerichtlich anfechten wollen. Das Weiße Haus räumt derartigen Klagen jedoch keine großen Chancen ein.

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