Feuilleton

Heilige und Heilkunst

Unter dem Titel "Heilige und Heilkunst" stellt das Deutsche Medizinhistorische Museum in Ingolstadt zwölf Heilige vor, die in Oberbayern als Fürsprecher bei Krankheiten angerufen und verehrt wurden. Votivgaben, Andachtsbilder und andere Devotionalien geben Einblick in die Sorgen und Hoffnungen der Menschen, die sich an die Heiligen wandten. Die Sonderausstellung, deren Anlass das 600-jährige Bestehen der Münsterpfarrei in Ingolstadt ist, läuft bis zum 5. April.
Votivbild für die heilige Walburga, 1832. Auf dem Schrank vor dem Bett steht rechts ein Fläschchen mit Walburgisöl.
Fotos: Medizinhistorisches Museum

Jedem der zwölf Fürsprecher ist eine kapellenähnliche Nische im Ausstellungsraum gewidmet, deren weiße Raumteiler an eine moderne Intensivstation erinnern. Die Stirnseite des Raumes schmückt das Bild "Christus als Apotheker" aus der Apotheke des Klosters Gnadenthal in Ingolstadt– eine seltene Gelegenheit zur Betrachtung dieses um 1686 entstandenen Gemäldes, das sonst im geschlossenen Bereich des Klosters hängt. Christus wiegt "Kreuzwurzel" für die Heilsuchenden ab, die ebenso wie die auf den Standgefäßen genannten Zubereitungen – "Milde", "Vergebung" oder "Ewig Leben" – nur in der "Himmelsapotheke" offizinell ist.

 

Wie wurden Heilige für Krankheiten "zuständig"?

Manche Heilige hatten laut ihrer Vita oder Legende eine schwere Krankheit überlebt, so der heilige Rochus die Pest. Andere Heilige wurden aufgrund der Art ihres Martyriums für eine Krankheit oder einen Körperteil "zuständig". Beispielsweise hilft der enthauptete Dionysius bei allen Arten von Kopfschmerzen, während Erasmus, dem mit einer Seilwinde die Gedärme aus dem Leib gezogen wurden, Bauchschmerzen lindert. Kosmas und Damian waren Ärzte und wurden daher sowohl zu Fürsprechern für alle Arten von Erkrankungen als auch zu den Patronen der Ärzte und Apotheker.

Bei manchen Heiligen ereigneten sich Heilwunder während der Überführung ihrer Reliquien oder an ihren Gräbern, so bei Walburga († 779) in Eichstätt und bei Quirinus von Tegernsee († 269 in Rom).

Walburgis- und Quirinusöl

Angeblich seit dem Jahr 1078 bildet sich an der Bodenplatte des Sarkophags der heiligen Walburga in Eichstätt das Walburgisöl, das von den Nonnen des Klosters St. Walburg in kleine Glasfläschchen abgefüllt wird. Obwohl es sich um reines Wasser handelt, das in der kalten Jahreszeit an dem Stein kondensiert, haben Gläubige die Heilkraft des "Öles" vielfach beschrieben. Ein reich ver-ziertes silbernes Kästchen und kleine Silberkapseln zur Aufbewahrung der zerbrechlichen Ölfläschchen zeugen von dem Wert, den das Öl für die Gläubigen hatte.

Das Quirinusöl, ein Erdöl, das auf der Westseite des Tegernsees aus dem Boden quoll, wurde seit seiner Entdeckung um 1430 von den Benediktinern des Klosters Tegernsee in kleinen Fläschchen vertrieben. Beigefügt wurde ein "Beipackzettel", der über den richtigen Gebrauch und die Wirkungen des Öls informierte:

 

Fläschchen für Quirinusöl.

Ursprung, Wirkung und Gebrauch des sogenannten heiligen Quirin=Oels welches bey Kloster Tegernsee in Ober=Bajern aus der Erde hervor fließt. […] Mit der Zeit hat man erfahren, dass es auch in folgenden Umständen nicht so fast aus ihrer natürlichen Kraft (indem es wegen ihrer Tröckne und Wärme durchdringt, resolvirt und verzehret) als absonderlich aus einem kräftigen Vertrauen auf Gott und den heiligen Quirin geholfen hat. […] Für die Flüsse und andere Verstopfungen des Gehörs, nimmt man eine Baumwolle, verstopft damit das Ohr, an welchem man übel höret, legt sich darauf, und lässt sich ein oder andern Tropfen in das gesunde Ohr gießen, so fließt es durch das schadhafte Ohr hinaus und bringt wieder das Gehör.

 

Natürliche und übernatürliche Heilwirkung

Auch zwei Gebete an den Heiligen gehören zur Gebrauchsanweisung. Es war also eine ganzheitliche Heilung angestrebt, zu der neben der Behandlung der körperlichen Beschwerden auch das Seelenheil unbedingt gehörte. Die "natürliche" Heilwirkung beruhte nach der damals vorherrschenden Medizintheorie der Viersäftelehre auf den "warmen" und "trockenen" Eigenschaften des Erdöls. Wenn aber das Vertrauen auf Gott fehlte, konnte auch das Öl nicht helfen oder die Beschwerden traten nach der Anwendung wieder auf, wie einige Wunderberichte, die im 18. Jahrhundert aufgezeichnet wurden, berichten.

 

Silbernes Kästchen für Fläschchen mit Walburgisöl.

Nach der Aufhebung des Klosters, 1803, verkaufte das Forstamt Tegernsee das Öl – zu deutlich höherem Preis – zugunsten der Staatskasse und ohne beigefügte Gebrauchsanweisung. Ende des 19. Jahrhunderts versiegte die Quelle, vermutlich wegen der beginnenden Erdölförderung im Umland. Diese erwies sich zwar bald als unrentabel, doch wurde dabei eine Iod-Schwefel-Quelle erbohrt, die Wiessee zum Heilbad machte.

Die teils kunstvollen, teils sehr einfachen und oft sehr persönlichen Ausstellungsobjekte erzählen von Leid und Krankheit, aber auch von Hoffnung und Zuversicht. Die heutige Medizin hat zwar vielen Krankheiten ihren Schrecken genommen, aber dennoch werden wir immer wieder mit "unheilbaren Fällen" konfrontiert. Viele von uns wenden sich dann wieder den Heiligen zu, auch solchen, von denen die Ausstellung erzählt.

Der reich bebilderte Katalog vertieft einzelne Themen durch ausführliche Beiträge und spannt den Bogen von den Heilgöttern der Antike bis zu Wunderheilungen in der Gegenwart.

Dr. Karin Krämer

Ausstellung


Deutsches Medizinhistorisches Museum

Anatomiestr. 18 – 20, 85049 Ingolstadt

Tel. (08 41) 3 05 28 60

www.dmm-ingolstadt.de

Geöffnet: Dienstag bis Sonntag 10 – 17 Uhr

Katalog: 148 Seiten, zahlr. Abb., 16 Euro + 4 Euro Versand

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