Arzneimittel und Therapie

Direkte Vergleichsstudie mit Ulipristalacetat

War der bisherige Standard der Notfallkontrazeption die Einnahme von 1,5 mg Levonorgestrel innerhalb von 72 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr, so wird durch den neuen Wirkstoff Ulipristalacetat (Ellaone®) das Zeitfenster ausgeweitet. Der synthetische Progesteronrezeptor-Modulator hat in einer direkten Vergleichsstudie seine Wirkung innerhalb von 120 Stunden unter Beweis gestellt und damit das Ziel der Nicht-Unterlegenheit gegenüber Levonorgestrel erreicht.

In 35 "family planning clinics" in Großbritannien, Irland und den USA konnten zwischen 2007 und 2009 2221 Studienteilnehmerinnen randomisiert werden. Sie suchten die Klinik innerhalb von 120 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr auf, um eine Notfallkontrazeption zu erhalten. Die Teilnehmerinnen waren mindestens 16 bzw. in den USA 18 Jahre und höchstens 35 Jahre alt und nahmen keine hormonellen Kontrazeptiva ein. Die Probandinnen erhielten einfach verblindet entweder eine orale Einzeldosis von 1,5 mg Levonorgestrel oder 30 mg Ulipristalacetat. Vor Aufnahme in die Studie wurde ein Schwangerschaftstest durchgeführt und eine Blutprobe abgenommen. Innerhalb des Nachbeobachtungszeitraums von fünf bis sieben Tagen nach der erwarteten Menstruation wurden vaginale Blutungen, weitere Medikamenteneinnahmen sowie auftretende Nebenwirkungen in einem Tagebuch erfasst. Die Teilnahme endete mit einsetzender Menstruation und einem negativen Schwangerschaftstest. Bei später einsetzender Regelblutung wurden die Frauen in zweiwöchigen Abständen kontaktiert und nach spätestens 60 Tagen ärztlich untersucht. Im Falle einer nachgewiesenen Schwangerschaft wurde mittels der Blutprobe eine zum Zeitpunkt der Studienteilnahme bestehende Schwangerschaft ausgeschlossen. Primärer Endpunkt war die Zahl der auftretenden Schwangerschaften bei Frauen, die innerhalb von 72 Stunden nach dem Ereignis eine Klinik aufsuchten, sekundärer Endpunkt die Schwangerschaftsrate innerhalb von 120 Stunden.

Unter den 37 trotz Notfallintervention auswertbaren auftretenden Schwangerschaften entfielen 15 auf die Ulipristalacetatgruppe, entsprechend einer Rate von 1,8%, und 22 (2,6%) auf den Levonorgestrelarm. Damit war in Bezug auf den primären Endpunkt die Nicht-Unterlegenheit bewiesen. In der Subgruppe der Patientinnen, die nach 72 bis 120 Stunden ein Studienzentrum aufgesucht hatten, kam es ausschließlich im Levonorgestrelarm zu drei Schwangerschaften. Dies bedeutet für Patientinnen, denen nach mehr als drei Tagen bisher lediglich das Einsetzen einer Kupferspirale angeboten werden konnte, eine neue, weniger invasive Option. Das Auftreten der als überwiegend leicht bis moderat angegebenen Nebenwirkungen war in etwa gleich auf die beiden Therapiearme verteilt. Knapp über die Hälfte der Probandinnen klagten über Kopfschmerzen, Dysmenorrhö und Übelkeit. Zu den zwei schwerwiegenden Nebenwirkungen zählten ein Fall von Schwindel in der Ulipristalgruppe und eine Molenschwangerschaft unter Levonorgestrel.

Ergebisse der Metaanalyse

Eine gemeinsame Auswertung mit Daten eines älteren Vergleichs zwischen Ulipristalacetat und Levonorgestrel bestätigt die vorliegenden Ergebnisse. Damit liegen Daten von über 4000 mit Ulipristalacetat behandelten Frauen vor, was zur Zulassung durch die europäischen Behörden für die Notfallkontrazeption für bis zu fünf Tage nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr geführt hat. Obwohl für Progesteronrezeptor-Modulatoren auch eine nidationshemmende Wirkung diskutiert wird, führt man die Wirkung der verabreichten niedrigen Dosis lediglich auf Hemmung der Ovulation zurück. Zu den offenen Fragen gehört auch, die kleine Gruppe von Frauen zu identifizieren, die überhaupt von einer Notfallkontrazeption profitieren: Legt man die geschätzte Schwangerschaftsrate ohne Intervention der Studie von 6% zugrunde, so erhalten 90% der Frauen die Medikation ohne Nutzen.

Quelle Glasier A.F., et al.: Ulipristal vs levonorgestrel for emergency contraception: randomised trial and meta-analysis, Lancet DOI: 10.1016/S0140- 6736(10)60101-8

 


Apotheker Peter Tschiersch

 

Gründe für eine Notfallkontrazeption


In der Studie angegebene Gründe für Wunsch nach Notfallkontrazeption

  • Versagen des Kondoms 38%
  • Versagen einer anderen Verhütungsmethode 5%
  • keine Verhütungsmethode angewandt 55%

55% der Probandinnen gaben darüber hinaus an, in der Vergangenheit bereits von der Möglichkeit der Notfallkontrazeption Gebrauch gemacht zu haben.

Zum Weiterlesen


Ulipristalacetat.

Progesteronrezeptor-Modulator zur Notfallkontrazeption.

Neue Arzneimittel Nr. 2, 2010, S. 17 – 19.

www.deutsche-apotheker-zeitung.de

Neue Arzneimittel

Wissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. Dr. Ernst Mutschler | Frankfurt/Main

Redaktion: Dr. Bettina Hellwig (verantwortlich)

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