Arzneimittel und Therapie

β-Amyloid-Protein bei Morbus Alzheimer antimikrobiell aktiv

Ablagerungen in der grauen Hirnsubstanz gelten als Früherkennungszeichen der Alzheimer-Krankheit. Die Hauptbestandteile dieser Plaques, die β-Amyloid-Proteine, wurden bislang als Stoffwechselendprodukte angesehen, die bei Hirnprozessen anfallen, und sogar als "Müll" bezeichnet. Jetzt haben amerikanische Wissenschaftler für das β-Amyloid-Protein ausgeprägte antimikrobielle Eigenschaften nachgewiesen. Sie vermuten, dass das Protein ein ganz normaler Bestandteil des hirninternen Immunsystems ist. Dies könnte zu völlig neuen Therapieansätzen führen.
Doch kein Müll? β-Amyloid-­Proteine, Hauptbestandteil der Plaques bei Alzheimer-Patienten, zeigten eine starke Hemmwirkung gegen zahlreiche klinisch relevante Mikroorganismen.

Allein in Deutschland leben derzeit mehr als eine Million Demenzkranke; jährlich gibt es rund 250.000 Neuerkrankungen, bis 2030 sollen es mehr als zwei Millionen Patienten sein. Bei ihnen kommt es zu chronisch fortschreitenden, degenerativen Veränderungen des Gehirns. Charakteristisch sind für Morbus Alzheimer, der Alzheimer-Demenz, Ablagerungen im Gehirn, die sogenannten Plaques. Als Hauptbestandteil wurden bestimmte Proteine, die β-Amyloid-Proteine, identifiziert. Sie werden jedoch auch bei gesunden Menschen produziert, lagern sich dann aber nicht in der grauen Hirnsubstanz ab. Amerikanische Wissenschaftler konnten jetzt in Laborversuchen nachweisen, dass diese Eiweiße eine effektive Barriere gegen unterschiedliche Krankheitserreger bilden.

Antimikrobielle Wirkung gegen Mikroorganismen

Zunächst waren den Forschern Ähnlichkeiten zwischen den β-Amyloid-Proteinen und einigen bekannten Proteinen des menschlichen Immunsystems aufgefallen. Daraufhin testeten sie künstlich erzeugte β-Amyloid-Proteine gegen verschiedene klinisch relevante Mikroorganismen, darunter Streptokokken, Staphylococcus aureus, Escherichia coli, Listeria monocytogenes, aber auch Candida albicans. Die β-Amyloid-Proteine zeigten vielfach eine stark hemmende Wirkung auf das Wachstum der Mikroorganismen, in den meisten Fällen war ihre Wirksamkeit sogar stärker als das für seine antimikrobielle Wirkung bekannte Protein LL-37, ein körpereigenes Antibiotikum, das die Harnwege vor Infektionen schützt. Außerdem korrelierte die Wirksamkeit mit der Konzentration an β-Amyloid-Protein.

Anschließend überprüften die Wissenschaftler ihre Ergebnisse anhand von Gewebeproben aus den Gehirnen von Alzheimer-Patienten und gesunden Menschen und kamen zu einem erstaunlichen Ergebnis: Lediglich die Proben der Alzheimer-Patienten wiesen die beobachteten antimikrobiellen Eigenschaften auf.

Bislang war man immer davon ausgegangen, dass es sich bei den β-Amyloid-Proteinen lediglich um Stoffwechselendprodukte handelt, die bei anderen Hirnprozessen anfallen. Die Forscher gehen nun aber davon aus, dass sie vielmehr ganz normale Bestandteile des hirninternen Immunsystems sind und eine schützende Funktion haben. Dies könnte für künftige Therapieansätze gegen Morbus Alzheimer entscheidende Implikationen haben.

Quelle Soscia, s.J.; et al.: The Alzheimer‘s Disease-Associated Amyloid β-Protein Is an Antimicrobial Peptide. PLoS one 2010; 5(3): e9505. doi: 10.1371/journal.pone.0009505. 

 


Dr. Hans-Peter Hanssen

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