Interview zur Raucherentwöhnung

"Medikamentöse Unterstützung verschafft Zeit zum Umlernen"

Das Klinikum Bogenhausen in München bietet Personen, die mit dem Rauchen aufhören wollen, Hilfe in speziellen Kursen an. Über die Inhalte und den Erfolg sprachen wir mit dem Pneumologen Dr. med. Markus Weinmüller.

"Medikamentöse Unterstützung verschafft Zeit zum Umlernen"

Weinmüller: Politisch hat sich durch das Nichtraucherschutzgesetz und die Diskussion darüber verändert, dass das Rauchen seine Selbstverständlichkeit verloren hat. In den Kliniken herrscht Rauchverbot, aber dennoch ist gerade beim medizinischen Personal der Anteil der Raucher noch erschreckend hoch – vergleichbar mit der Allgemeinbevölkerung. Tabak ist eine schwere Sucht, mit einer geringen Abstinenzrate von 7% nach einem Jahr nach einem Rauchstopp ohne begleitende Maßnahmen. Insgesamt aber geht der Trend dahin, dem Raucher professionelle Hilfe bei der Entwöhnung anzubieten, statt ihn mit der lapidaren Empfehlung, mit dem Rauchen aufzuhören, allein zu lassen. Das Klinikum Bogenhausen bietet hierfür in Zusammenarbeit mit dem Institut für Raucherberatung und Tabakentwöhnung, kurz IRT, drei bis vier Kurse zur strukturierten Tabakentwöhnung im Jahr an, wobei ich den medizinischen Teil bestreite und das IRT den psychologischen und den organisatorischen.

Weinmüller: Mit den Teilnehmern wird ein strukturierter Themenkatalog in sechs Kurs- und zwei Stabilisierungstreffen erarbeitet, der alle Aspekte der Abhängigkeit – oder positiv formuliert – der Rauchfreiheit abdeckt. Beim ersten Treffen werden medizinische Aspekte des Rauchens behandelt. Dabei ist insbesondere wichtig, nicht die abschreckenden gesundheitlichen Risiken des Rauchens sondern die Vorteile der Rauchfreiheit zu betonen. Kurz wird über epidemiologische, gesundheitliche Aspekte gesprochen, anschließend werden Möglichkeiten der medikamentösen Unterstützung erörtert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Nicotinersatzpräparaten (NET), mit denen wir die meiste Erfahrung haben. Nur bei Patienten, die mit Nicotin schlechte Erfahrungen haben, wird Bupropion oder Vareniclin empfohlen. Häufigste Ursachen für das Versagen von NET sind eine zu niedrige Dosierung oder zu kurze Anwendung. Mir ist wichtig, dass eine medikamentöse Therapie immer nur eine begleitende Unterstützung bietet und eine alleinige medikamentöse Behandlung keine Verbesserung der dauerhaften Abstinenzrate erreicht.

Weinmüller: Rauchfreiheit hat neben der physischen und psychischen Abhängigkeit viel mit Verhaltensänderung zu tun. Über viele Jahre wurde das Rauchen intensiv erlernt. Wichtig ist, alternative Strategien zu erarbeiten. Konkret wird in den Kursen intensiv die Psychologie des Rauchens, Selbstbeobachtung, Vorbereitung des Raucherstopps behandelt. Vor allem für jüngere Frauen sind Ernährung und Gewichtskontrolle ein wichtiges Modul. Die Gewichtskontrolle ist übrigens unter Nicotinersatz leichter zu erreichen. Die Teilnehmer werden zu Entspannungstechnik angeleitet. Als Biofeedbackmethode werden an jedem Kurstag Kohlenmonoxidmessungen durchgeführt.

Weinmüller: Sie liegt nach Angaben des IRT bei einer Abstinenzquote von ca. 50% nach einem Jahr.

Weinmüller: Bei den Teilnehmer haben wir es sicher mit einer Positivauswahl zu tun, die bereit ist, neben den Arzneimittelkosten 280 Euro Kursgebühr und viel Zeit zu investieren. Dazu kommt eine Gruppendynamik ähnlich wie bei den "Weight Watchers", man vernetzt sich miteinander. Die Teilnehmer werden sehr intensiv psychologisch betreut und auf kritische Situationen vorbereitet.

Weinmüller: Das beginnt mit der intensiven Vorbereitung auf das erste rauchfreie Wochenende. Es werden Aktivitäten geplant, die den Gedanken an eine Zigarette ersetzen. Dann werden individuelle Wege zur alternativen Selbstbelohnung gesucht. Nicotin aktiviert ja das "Belohnungszentrum" im limbischen System, hier müssen konkurrenzfähige Belohnungen gefunden werden. Dann werden zusammen mit den Teilnehmern Strategien zur Rückfallvorbeugung erarbeitet, eine Art Krisenmanagement. Viele fallen ja bei der ersten Zigarette in alte Verhaltensmuster zurück, hier müssen alternative Strategien entwickelt werden. Neben einem individuellen Notfallplan bietet das IRT eine telefonische Hotline auch nach dem Kursende an. Zum Abschluss erhalten die Teilnehmer ein Zertifikat sowie eine Bescheinigung für die Krankenkasse.

Weinmüller: Im Gespräch des Arztes mit dem Patienten muss das Rauchen stärker thematisiert werden. Nur wenige Entwöhnungswillige bleiben ohne Unterstützung dauerhaft rauchfrei. Wissenschaftlich ist belegt, dass bereits eine kurze Arztempfehlung die Chance erhöht. Im englischen Sprachraum wird eine kurze Intervention verwendet, die fünf A: Ask, Advice, Assess, Assist, Arrange.

Weinmüller: Gerade bei langjährigen Rauchern ist eine intensive Betreuung nötig. Die Zigarette beherrscht viele Lebensbereiche des Rauchers. Die medikamentöse Therapie ist also nur ein Aspekt. Arzneimittel geben dem Patienten Zeit, ein neues Verhalten zu erlernen, ohne von gravierenden Entzugssymptomen daran gehindert zu werden. Jeder, der zu Rate gezogen wird, sollte Anlaufstellen für eine Betreuung nennen können, die Raucher auf dem Weg zur Rauchfreiheit begleiten. Solche Stellen gibt es in allen größeren Städten.

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