DAZ aktuell

Einschätzung zu Arzneilieferverträgen geändert?

KASSEL (tmb). Das Bundessozialgericht entschied am 17. Dezember 2009 einen Retaxationsfall zugunsten eines Apothekers. Obwohl der Apotheker die Verfälschung von Verordnungen nicht erkannt hatte, wurden Forderungen einer AOK in sechsstelliger Höhe zurückgewiesen. Denn die Krankenkasse hatte ihrerseits eine Prüfpflicht verstreichen lassen (Aktenzeichen B 3 KR 13/08 R). Die Entscheidung könnte über den Einzelfall hinaus bedeutsam werden, weil das Gericht eine Modifizierung seiner Rechtsprechung zu den Beziehungen zwischen Krankenkassen und Apotheken angedeutet hat.

In dem Verfahren vor dem Bundessozialgericht ging es um einen Apotheker, der verfälschte Rezepte über hochpreisige Arzneimittel beliefert hatte, die der Rezeptfälscher wiederum weiter veräußert hatte. Die AOK hatte die Rezepte als Fälschungen erkannt und die erstatteten Kosten für die Arzneimittel in sechsstelliger Höhe von dem Apotheker zurückgefordert. Das Sozialgericht Hannover (Aktenzeichen S 11 KR 1312/01) und das Landessozialgericht Bremen-Niedersachsen (Aktenzeichen L 4 KR 243/05) hatten die Forderung der Krankenkasse bestätigt.

Entscheidung des Bundessozialgerichts

Doch das Bundessozialgericht wies die Klage der Krankenkasse in vollem Umfang ab. Sowohl dem Vertragsarzt als auch dem Apotheker seien gravierende Verstöße gegen gesetzliche und vertragliche Verpflichtungen vorzuwerfen, heißt es in einer Presseinformation des Bundessozialgerichts. Der beklagte Apotheker habe insbesondere gegen die Pflicht zur Überprüfung mengenmäßig veränderter Verordnungen gemäß Arzneimittelliefervertrag verstoßen und hätte zudem erkennen müssen, dass es sich um gefälschte Verordnungen handelte. Dennoch wurde der Erstattungsanspruch der Krankenkasse zurückgewiesen, weil sie die im Arzneiliefervertrag normierte dreimonatige Prüfungspflicht des Apothekereinspruchs habe verstreichen lassen und hierzu keine Stellungnahme abgegeben habe. Deshalb gelte der jegliche Erstattungspflicht verneinende Einspruch des Apothekers als anerkannt. Das Landessozialgericht habe hingegen fälschlicherweise den Schadensersatzanspruch in den Focus seiner Ausführungen gestellt.

In der Presseinformation des Bundessozialgerichts vom 18. Dezember heißt es weiter, der Senat habe das Verfahren zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zur Beurteilung der rechtlichen Beziehungen zwischen Krankenkassen und Apothekern zu modifizieren und seine frühere Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendung kaufvertraglicher Anspruchsgrundlagen aufzugeben.

Mögliche weitreichende Folgen

In den Apothekerverbänden ist diese Anmerkung auf große Aufmerksamkeit gestoßen. Denn eine veränderte Beurteilung der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Apotheken könnte große Konsequenzen für den Umgang mit Retaxationen haben. Bei den besonders problematischen Retaxationen auf Null stützen sich die Krankenkassen auf eine frühere Einzelfallentscheidung des Bundessozialgerichts. Demnach kommt kein rechtswirksamer Vertrag zustande, wenn der Apotheker gegen vertragliche Pflichten verstößt. Damit werden Null-Retaxationen auch in solchen Fällen begründet, in denen die vom Arzt verordneten Leistungen erbracht wurden, bei denen aber Formfehler vorliegen. Ob eine mögliche Neubewertung der Arzneilieferverträge auch diesen Aspekt tangiert, müsste anhand der Begründung der neuen Entscheidung des Bundessozialgerichts geprüft werden, die bisher nicht vorliegt.

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