Gesundheitspolitik

Rabatt-Poker läuft auf vollen Touren

Briefe, Telefonate, Apothekenbesuche – Apotheken und Großhändler verhandeln neu

Berlin (lk). Der Rabatt-Poker zwischen Großhändlern und Apotheken um die ab Januar 2011 geltenden neuen Lieferkonditionen läuft auf vollen Touren. In den letzten Tagen erhielten Apotheker Briefe von Sanacorp, Noweda und teilweise von Anzag. Andere meldeten sich per Telefon oder der Außendienst klopfte an. Aber es gibt keine einheitliche Linie. Jeder Großhändler versucht auf seine Weise, die von der Politik verordnete Kürzung der Marge an die Apotheken durchzureichen.

Mit einer sogenannten Fairness-Garantie zieht der apothekeneigene Arzneimittelgroßhändler Sanacorp in die Einzelgespräche mit seinen Kunden über die anstehende Kürzung der Apothekenrabatte. Darin verspricht der Großhändler, einen Teil der Konditionskürzungen bei entsprechend positiver Ertragslage im ersten Quartal 2011 wieder an die Apotheken auszuschütten. Mit dieser "Good-Will-Aktion" versucht das in Planegg ansässige Unternehmen, für die in diesen Tagen beginnenden Verhandlungen eine positive Gesprächsgrundlage zwischen den Sanacorp-Außendienstmitarbeitern und den Apothekeninhabern zu begründen. Die circa 9000 Sanacorp-Kunden erhielten in den letzten Tage einen entsprechenden Brief mit der "Fairness-Garantie".

Post erhielten auch die Kunden von Noweda. In einem Schreiben heißt es: "Die Noweda ist allein von den direkten Auswirkungen des AMNOG mit über 30 Millionen Euro betroffen." Die Noweda sei auch "aus ökonomischen Gründen gezwungen, die mit Ihnen bestehenden Konditionen zum 31. 12. 2010 enden zu lassen". Bei den im Dezember und Januar zu führenden Gesprächen "ist uns sehr an einer partnerschaftlichen Lösung gelegen." Auf AZ-Nachfrage bestätigte Firmensprecher Alexander von Chiari, dass auch die Noweda bei einer Verbesserung der Ertragslage im kommenden Jahr über Extra-Boni für seine Kunden nachdenkt. Noweda werde alles tun, um die AMNOG-Belastungen für die Apotheken so gering wie möglich zu halten. "Als apothekeneigenes Wirtschaftsunternehmen sehen wir uns in einer ganz besonderen Pflicht", heißt es im Noweda-Brief.

Anzag zieht regional unterschiedlich in die Verhandlungen mit den Apotheken: Teilweise erhielten Anzag-Kunden Briefe, bei anderen schaute der Außendienst vorbei. Wie bereits angekündigt, laufen die Rabattverhandlungen mit jeder Apotheke individuell. "Mit jeder Apotheke werden Vereinbarungen getroffen", sagte Anzag-Sprecher Thomas Graf.

Für eine "Fairness-Garantie" sieht Andreas Sauer, Geschäftsführer der Leopold Fiebig GmbH & Co. KG keinen Anlass: "Wir waren schon immer fair und werden immer fair bleiben. Wir sind Mittelständler auf Augenhöhe mit den Apotheken." In direkten Gesprächen mit seinen Kunden will Großhändler Fiebig so rasch wie möglich die neuen Konditionen aushandeln.

"Anpassungen in den Konditionen sind notwendig"

Mit einer anderen Vorgehensweise tritt die Ebert + Jacobi GmbH u. Co. KG an ihre Kunden heran. Seit Anfang Dezember ist der Außendienst unterwegs. Bis Weihnachten sollen alle Apotheken besucht oder per Telefon kontaktiert werden. Im Gepäck haben die Ebert + Jacobi Mitarbeiter laut Auskunft ihres Geschäftsführers Ralph-D. Schüller ein Umschwenken in der Angebotspolitik: Bestimmte Artikelgruppen aus dem Billigsegment werden ab Januar aus der individuellen Rabattvereinbarung des Hauses ins monatliche Angebotswesen überführt. "Wir können die AMNOG-Belastung nicht tragen", sagte Schüller zur AZ: "Anpassungen in den Konditionen sind notwendig".

Ähnlich geht auch das Pharma Privat Partnerunternehmen Ebert + Jacobi Holdermann vor: Mit jeder Apotheke soll individuell über die Rabatte verhandelt werden. Teile des Sortiments werden aber ebenfalls vom Rabatt- und den Angebotsbereich verschoben. "Das schafft mehr Klarheit und Transparenz. Zudem kommen so die Abnahmemengen stärker zum Tragen", sagte Hans-Werner Holdermann, Apotheker und Geschäftsführender Gesellschafter der Ebert + Jacobi Holdermann.

Man wolle die Berliner Gesundheitspolitik "nicht zum Anlass einer eigenen Besserstellung" nehmen, heißt es im Sanacorp-Schreiben mit dem Angebot der Fairness-Garantie: "In diesem Verständnis appellieren wir an Sie: Lassen wir die Politik keinen Keil zwischen uns treiben, sondern schaffen wir uns gemeinsam eine tragfähige neue Basis für unsere Zusammenarbeit!"

Am Ende des ersten Quartals will Sanacorp seine wirtschaftliche Entwicklung prüfen. Sollte sich die Ertragslage gegenüber den Vergleichszeiträumen der Vorjahre verbessern, stellt Sanacorp eine Ausschüttung an seine Kunden in Aussicht. Diese könnte als umsatzabhängiger Bonus erfolgen oder auch als Einmalzahlung oder in Form von Neuverhandlungen der Konditionen. Gegenüber der AZ erklärte ein Firmensprecher, dass die Ergebnisentwicklung in den ersten drei Monaten des kommenden Jahres sich aufgrund der gestiegenen Unsicherheiten im Markt nicht prognostizieren lasse. Ob es eine realistische Perspektive für eine Besserstellung gibt, bleibt daher offen.

In den kommenden Wochen werden die Sanacorp-Außendienstmitarbeiter mit apotheken-individuellen Angeboten die Konditionen neu verhandeln. Dabei geht es offenbar nicht nur um pauschale Kürzungen, sondern um veränderte Strukturen der Rabatte.

Nach Aussage von Sanacorp frisst der neuen Großhandelsabschlag von 0,85 Prozent mehr als den gesamten Gewinn des Jahres 2009 auf, der rund 12 Millionen Euro betrug.

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