Gesundheitspolitik

Apothekenhonorierung: Vom Wachstum abgeschnitten

Von Klaus G. Brauer und Uwe Hüsgen

"Zurück auf Start" – 2011 wird der Netto-Festzuschlag der Apotheken1 für die Versorgung von GKV-Patienten mit verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln (Rx-FAM) genau da wieder angekommen sein, wo er 2004 – bei Einführung der neuen Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) – startete. Der für 2011 absehbare Rückfall auf das Niveau von 2004 kontrastiert mit Honorierungsverbesserungen in anderen Sektoren des Gesundheitswesens. Auch von Steigerungen, wie sie der Verbraucherpreisindex zwischen 2004 und September 2010 aufweist (+ 9,9%), können die Apotheken nur träumen.1 Im weiteren mit "Versorgungsgebühr Apothekenanteil" bezeichnet

2004 wurde das System der Vergütung der Apotheken umgestellt. Die degressiv-preisabhängige Spanne wurde für Rx-FAM abgelöst durch eine Zuschlagskombination aus zwei Komponenten:

  • einem dreiprozentigen Aufschlag auf den Apothekeneinkaufspreis, der in der Regel kaum ausreicht, um die preisabhängigen Zinsen für die Lagerung und das Verfall- und Bruchrisiko abzudecken;

  • einem Festzuschlag von 8,10 Euro je abgegebener Rx-FAM-Packung, reduziert um einen Zwangsrabatt, wenn die Packung zugunsten eines GKV-Versicherten abgegeben wird.

Rund 90% der sich daraus ergebenden Gesamthonorierung entfallen auf die Festzuschlagskomponente.

Der gesetzliche Zwangsrabatt nach § 130 SGB V betrug ab Jahresanfang 2004 je Rx-FAM-Packung 2,00 Euro. Dabei sollte die Anpassung des Zwangsrabattes nach § 130 SGB V unter Berücksichtigung der Entwicklung der Packungszahlen und von "Art und Umfang der Leistungen und der Kosten der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung" zwischen den Vertragspartnern (GKV und DAV) ausgehandelt werden. Dazu kam es zunächst nicht. Der Zwangsrabatt wurde vielmehr zum 1. 4. 2007 per Gesetz (GKV-WSG) auf 2,30 Euro erhöht (siehe Tabelle). Im Gegenzug verzichtete die Politik darauf, den einheitlichen Abgabepreis für Rx-FAM aufzugeben. Bei der für 2009 (erstmals) angestrebten vertraglichen Anpassung kam es zu keiner Einigung; vielmehr wurde eine Entscheidung der Schiedsstelle notwendig. Diese entschied unter den in § 130 Abs. 1a SGB V genannten Kriterien, dass der Zwangsrabatt rückwirkend ab dem 1. 1. 2009 auf 1,75 Euro zu reduzieren sei. Gegen diese Regelung, die auch für 2010 greift, solange keine davon abweichende Entscheidung vorliegt, hat die GKV Klage erhoben. Durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) wird die Verhandlungslösung für die Jahre 2011 und 2012 wieder ausgesetzt. Ab dem 1. 1. 2011 wird demnach ein Kassenrabatt je Rx-FAM von 2,05 Euro gelten (siehe Tabelle).

Die Änderungen von Zwangsrabatt (nach § 130 SGB V) und Mehrwertsteuersatz führen dazu, dass der Apothekenanteil an der Versorgungsgebühr je Rx-FAM-Packung, die den Apotheken bei der Abgabe zugunsten von GKV-Versicherten zugestanden wird, Veränderungen unterworfen ist. Er lag anfangs, ab dem 1. 1. 2004, bei 6,38 Euro je Packung; zum 1. 4. 2007 sank er auf 6,17 Euro. Nach dem Schiedsstellenentscheid (Zwangsrabatt: 1,75 Euro) stieg der Apothekenanteil an der Versorgungsgebühr auf 6,63 Euro je Packung, um durch das AMNOG (ab 2011) wieder auf 6,38 Euro – also exakt auf das Niveau von 2004 – gesenkt zu werden. Die packungsbezogen kleinen Unterschiede summieren sich angesichts der in den Apotheken abgegebenen Mengen, um die es geht (deutlich über 500 Mio. Rx-FAM-Packungen), zu Differenzen im dreistelligen Millionenbereich.

Unter Einrechnung der Mehrwertsteuer – die GKV wird damit voll belastet – ergibt sich, wenn man die Interessenlage der GKV fokussiert, ein befremdliches Bild. Während der Apothekenanteil jeder zu ihren Lasten abgegebenen Rx-FAM-Packung 2011 nicht höher sein wird als 2004, wird der Mehrwertsteueranteil im gleichen Zeitraum um satte 18,8% steigen (siehe Grafik). Auch der Vergleich mit der Entwicklung der Verbraucherpreise macht nachdenklich. Nimmt man 2004 als Basis (100%), dann liegt der Verbraucherpreisindex im September 2010 bei 109,9%. Die Steigerung liegt damit deutlich unter dem Zuwachs der Mehrwertsteuerbelastung (Entwicklung: 123,5%), die von der GKV im gleichen Zeitraum zu tragen ist. Das Zurückfallen der Versorgungsgebühr der Apotheken auf das Niveau von 2004 erscheint gegenüber beiden Vergleichsgrößen als geradezu erbärmlich.

Die Entwicklung der Versorgungsgebühr der Apotheken, also des um den Kassenrabatt reduzierten Festzuschlags, die den Apotheken für die Versorgung der GKV-Versicherten zugestanden wird, ist aktuell, mehr noch aber mit Blick auf die Zukunft, beängstigend. Seit Einführung der neuen Arzneimittelpreisverordnung sind die Apotheken von der Dynamik der Entwicklung im GKV-Arzneimittelmarkt praktisch komplett abgekoppelt. Die Politik hat sich einer angemessenen und fairen Weiterentwicklung der Apothekerhonorierung bislang verweigert.


Korrespondenzadresse:
Dipl.-Math. Uwe Hüsgen, Unternehmensberater, Bremerstr. 30, 45239 Essen,
E-Mail: uwe.huesgen@web.de

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