Recht

Winterreifen oder nicht?

Oberlandesgericht hebelt Vorschrift aus

(bü). Der Kalender zeigt zwar erst den Herbst an. Doch können winterliche Straßenverhältnisse eher eintreten, als der Gilde der Kraftfahrer lieb ist. Und damit ist klar: Wer im Auto sitzt oder (trotz allem) Motorrad fährt, der sollte mit der passenden Bereifung unterwegs sein. Denn es ist längst gesetzlich vorgeschrieben: Die "Ausrüstung ist den Witterungsverhältnissen anzupassen". Wer da noch mit Sommerreifen unterwegs ist, könnte schlechte Karten haben. Oder doch nicht?

Mit 20 Euro sind – dem Buchstaben der Straßenverkehrsordnung folgend – diejenigen dran, die nur schlecht ausgerüstet unterwegs sind, also zum Beispiel keine Winterreifen aufgezogen haben. 40 Euro müssen die Fahrzeugbesitzer blechen, die zusätzlich den Verkehr "behindern", also zum Beispiel auf leicht oder stärker ansteigenden Strecken nicht nur nicht in der Spur blieben, sondern sich querstellten und damit lange Staus auslösen. Ein Punkt in Flensburgs Sünderkartei wäre die zusätzliche Folge.

Ungenaue Formulierung in der Verordnung

Doch damit könnte jetzt Schluss sein. Denn das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat die entsprechende Regelung in der Straßenverkehrsordnung ausgehebelt. Denn das darin angedrohte Bußgeld sei "wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot verfassungswidrig". Das Gebot, "ein Kraftfahrzeug mit einer an die Wetterverhältnisse angepassten, geeigneten Bereifung auszurüsten", sei zu unbestimmt. Hier ging es um einen Autofahrer, der wintertags mit guten Sommerreifen unterwegs war, auf einer Eisfläche ausglitt und in einem Schaufenster landete. Der Mann argumentierte, gut profilierte Sommerreifen seien Winterreifen gleichwertig, und es sei gar nicht sicher, dass dasselbe Malheur mit Winterreifen zu vermeiden gewesen wäre. Das OLG bezog sich allein auf die Ungenauigkeit in der Verordnung: Jeder solle vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit einem Bußgeld bedroht sei. So ergebe sich aus der Norm nicht, was unter einer "geeigneten Bereifung" zu verstehen sei. Der Verordnungsgeber müsse nachbessern. (Az.: 2 SsRs 220/09)

Darf also niemand mehr zur Kasse gebeten werden, der bei Eis und Schnee ohne Winterreifen unterwegs ist? Es sieht so aus. Denn: "Ein guter Sommerreifen oder ein Ganzjahresreifen" tun es auch, hat schon der damalige Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee bei der Einführung der Regel gesagt.

Übrigens gehört zur "passenden Ausrüstung" auch, so steht es in der Straßenverkehrsordnung, dass die Scheibenwaschanlage mit einem Frostschutzmittel ausgestattet ist. Dies wurde – wie beim Hinweis auf die geeignete Bereifung – mit dem Beiwort "insbesondere" versehen. Daraus ist zu schließen, dass es auch noch andere Kriterien geben kann, die zu einer "geeigneten Ausrüstung" gehören können. Ob dies für längere ungeplante Aufenthalte auf einer Autobahn eine "Notverpflegung" sein kann oder ein voller Reservekanister, ist gerichtlich noch nicht entschieden.

Und es könnte auch darüber noch Streit geben, welche Profiltiefe ein Reifen im Winter mindestens (noch) haben muss, um als "geeignet" angesehen zu werden: Reichen die rechtlich zulässigen 1,6 Millimeter oder sollten es doch besser, wie es Reifenfachleute empfehlen, mindestens 4 Millimeter sein ...?

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