Gesundheitspolitik

Innovationen: Nicht nur eine Frage des Wirkstoffs

BPI-Plädoyer für Innovationen mit bewährten Stoffen

Berlin (ks). Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sieht mittelständische Pharmaunternehmen vor Problemen: Die Entwicklung innovativer Wirkstoffe sprengt ohnehin ihren finanziellen Rahmen. Doch auch die Forschung an Innovationen auf Basis bewährter Wirkstoffe könnte sich bald nicht mehr rentieren.

Nicht viel Zeit hat BPI-Vorsitzender Dr. Bernd Wegener für seine Überzeugungsarbeit: Er will erreichen, dass auch Innovationen, die bewährte Wirkstoffe weiterentwickeln als solche gelten. Die Anhörung zum AMNOG läuft aber bereits im September.
Foto: AZ/Sket

Jedenfalls dann, wenn es bei den derzeit angedachten Regelungen im Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) bleibt. Dort wird bislang darauf abgehoben, dass es sich bei einer Innovation um einen neuen Wirkstoff mit Alleinstellung in einer neuen Wirkstoffklasse handelt. Doch es gibt auch Innovationen, die auf bewährte Wirkstoffe zurückgreifen und diese weiterentwickeln. Diese Art der Innovation droht nach Auffassung des BPI durch die beabsichtigten Neuregelungen im AMNOG auf der Strecke zu bleiben. Dabei, so der BPI-Vorsitzende Dr. Bernd Wegener, brächten sie Patienten oftmals beträchtlichen Zusatznutzen.

Innovationen im Festbetragssystem

Als Beispiel nannte Wegener innovative Dosiersysteme, die es ermöglichten, bewährte Augentropfen auch ohne Konservierungsstoffe anzubieten und damit allergische Reaktionen zu verhindern. Ebenso seien Schmerzpflaster, die Schmerzmittel optimiert und kontinuierlich abgeben, eine derartige Innovation. Doch die mittelständischen Pharmaunternehmen haben zunehmend Probleme, die Investitionen, die sie in diese Forschung stecken, wieder zurückzuverdienen. Denn meist müssten sie mit ihren Produkten im Festbetragssystem leben und bekämen die Innovationen nur auf entsprechendem Preisniveau vergütet, so Wegener.

Firmen wollen eigene Studien einbringen

Damit diese Art der Forschung dennoch attraktiv bleibt, muss sich aus Sicht des BPI einiges ändern. Nötig sei zum einen eine risikobasierte Arzneimittelzulassung mit angemessenen Anforderungen. Zwar gebe der rechtliche Rahmen schon heute den Zulassungsbehörden die Möglichkeit, bereits vorliegende Daten – etwa zur Sicherheit des Wirkstoffs – zu berücksichtigen. Zusätzlich müsse es aber ermöglicht werden, dass im "well-established-use"-Zulassungsverfahren Literaturdaten durch eigene Studien ergänzt werden können. Den Unternehmen dürfe die Forschung zudem nicht durch exorbitante Studienanforderungen unmöglich gemacht werden – eine "Billig-Zulassung" will jedoch auch Wegener nicht. Weiterhin forderte der BPI-Vorsitzende eine Verbesserung des Unterlagenschutzes. Der aktuell geltende Unterlagenschutz von einem Jahr müsse auf mindestens fünf Jahre verlängert werden.

Ausufernde Aut-idem-Substitution stoppen

Die dritte Forderung des BPI ist die Schaffung erstattungsrechtlicher Anreize. Rabattverträge und die Eingliederung in Festbetragsgruppen führten regelmäßig zu einer unzureichenden Vergütung der Unternehmer, so Wegener. Schließlich seien auch bei Innovationen mit bewährten Wirkstoffen Investitionen zu tätigen, die refinanziert werden müssten. Wenn es künftig also eine Nutzenbewertung und bei positivem Ausgang Erstattungspreisverhandlungen geben solle, so müsse diese Möglichkeit auch für Arzneimittel offen sein, die aus bewährten Stoffen entstehen und einen vergleichbaren Nutzen für Patienten bewirken. Nicht zuletzt fordert der BPI innovative Medikamente auf Basis bewährter Wirkstoffe aus der Substitutionsverpflichtung zu entlassen, wenn für sie eine neue Indikation erforscht und zugelassen wurde oder sie durch eine optimierte Galenik einen verbesserten therapeutischen Zusatznutzen aufweisen. Der ausufernde Aut-idem-Austausch von Arzneimitteln lediglich wirkstoffgleicher Arzneimittel verschärfe die Situation für die Unternehmen zunehmend, so Wegener. Es gehe nicht an, Kosten in Studien zu stecken, etwa um eine Zulassung für Kinder zu erreichen, und dann mit ansehen zu müssen, dass sein Präparat gegen das eines Wettbewerbers ausgetauscht wird.

Zulassungen für Kinder bleiben auf der Strecke

Dr. Dagmar Braun, Mitgründerin der Riemser Arzneimittel AG, sprach aus der Praxis: Ihr Unternehmen plante bei drei Wirkstoffen eine Zulassungserweiterung für Kinder – doch dies habe man nun aufgegeben. Eine Refinanzierung der erforderlichen Studien sei nicht möglich, wenn das Präparat etwa im Rahmen von Rabattverträgen oder der Aut-idem-Substitution ausgetauscht werden könne. Auch die Zahlen sprächen für sich: Während laut Braun für neue Wirkstoffe derzeit rund 850 Zulassungsanträge vorliegen – für sie sind Studien an Kindern nunmehr verpflichtend – gebe es nur rund 20 derartige Anträge für bekannte Wirkstoffe.

Wegener zeigte sich zuversichtlich, dass die Anliegen des BPI bei der christlich-liberalen Koalition ankommen. Viel Zeit bleibt nicht. Nach dem Ende der parlamentarischen Sommerpause im September soll die Anhörung zum AMNOG im Gesundheitsausschuss stattfinden. Zum 1. Januar 2011 soll es in Kraft treten.

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