Gesundheitspolitik

LG Hamburg: Die Normgröße ist entscheidend

Auslegung der Aut-idem-Regel bleibt umstritten

Berlin (ks). Das Landgericht (LG) Hamburg bleibt dabei: Für die Abgabefähigkeit von Arzneimitteln im Rahmen von aut idem – insbesondere im Zusammenhang mit Rabattverträgen – soll es ausreichen, wenn die verordnete und die abgegebene Packung zur selben Kategorie nach der Packungsgrößenverordnung gehören. Die in § 129 Abs. 1 SGB V genannte "identische Packungsgröße" erfordere keine numerische Identität.

Streitig war ein Schreiben eines Arzneimittelherstellers an Apotheken, in dem dieser erklärte, seine Omeprazol-Präparate in den Packungsgrößen 30/50/80/100 seien an AOK-Versicherte weiterhin abgabefähig, da der AOK-Rabattvertrag für die Packungsgrößen 15/28/56/98 Kapseln abgeschlossen wurde. In dem daraufhin vom AOK-Rabattpartner KSK eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren verbot das LG dem Hersteller am 1. Oktober, eine solche Behauptung im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs aufzustellen (siehe AZ 42, 2009, S. 8). Diesen Beschluss hat das LG nach Durchführung der mündlichen Verhandlung mit Urteil vom 18. Dezember nur zum Teil bestätigt: Das Verbot soll jedenfalls dann gelten, wenn der KSK-Konkurrent die Apotheker nicht auf das Retaxierungsrisiko hinweist.

An seiner Auslegung des Begriffs "identische Packungsgröße" hielt das LG jedoch fest. Das Gesetz lasse es ausdrücklich zu, dass sogar unterschiedliche Darreichungsformen unbeachtlich seien, sofern diese austauschbar sind. Diese weitgehende Substitutionsmöglichkeit mache keinen Sinn, wenn "identische Packungsgröße" im Sinne numerischer Identität verstanden werde. "Die Anwendung des § 129 SGB V würde leerlaufen, wenn die Arzneimittelhersteller durch Verwendung unterschiedlicher Stückzahlen, also durch kreative Gestaltung, die Substitution umgehen könnten", so das Gericht. Deshalb seien die Regelungen der Packungsgrößenverordnung zu berücksichtigen. Es widerspräche zudem der gesetzgeberischen Intention, dass bei striktem Wortlautverständnis das Ziel der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelverordnung ausgehebelt werde. Somit sei "identische Packungsgröße" nicht so zu verstehen, dass eine Identität der konkreten Stückzahl gegeben sein müsse. Allerdings macht das LG in seinem Urteil auch deutlich, dass eine größere gesetzgeberische Klarheit in § 129 SGB V wünschenswert sei – genauer wäre es etwa, von "identischer Packungsgröße im Sinn der PackungsgrößenVO" zu sprechen.

Einen Eingriff in die Therapiehoheit des Arztes sieht das LG nicht. Der Arzt sei über die vorhandenen Packungsgrößen häufig ohnehin nicht informiert. Komme es tatsächlich auf die numerische Menge an, könne er im Einzelfall mit dem Apotheker Kontakt aufnehmen – oder die Substitution ausdrücklich ausschließen.

Das Gericht gesteht zudem zu, dass es eine anderslautende landgerichtliche Entscheidung gibt und seine Rechtsauffassung noch nicht höchstrichterlich bestätigt wurde. Angesichts der komplexen Rechtslage sei es durchaus möglich, dass nach letztinstanzlicher höchstrichterlicher Klärung die Auffassung des nicht rabattbegünstigten Arzneimittelherstellers bestätigt werde. Daher könne der Antragsgegnerin nicht verwehrt werden, Apotheker zu informieren. Da für die Apotheken, die die Präparate dieses nicht rabattbegünstigten Herstellers trotz Bestehen eines Rabattvertrages weiterhin abgäben, aber ein erhebliches Retaxierungsrisiko bestehe, fordert das LG, einen Hinweis auf diesen Umstand. Erfolge dieser, wie im vorliegenden Fall nicht, sei eine wettbewerbswidrige Irreführung anzunehmen, da dem Apotheker verkehrswesentliche Informationen vorenthalten würden.

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