Wirtschaft

Countdown für die Sozialwahlen 2011 läuft

"Die soziale Selbstverwaltung mit mehr Leben erfüllen"

WÜRZBURG (leo). Das Interesse an den nächsten Sozialwahlen am 1. Juni 2011 wecken, aber auch die Selbstverwaltung bei Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und Rentenversicherungsträgern beleben – das wollte der Bundeswahlbeauftragte für die Sozialwahlen, Gerald Weiß, ein Jahr zuvor. Bei einer erstmals durchgeführten Auftaktveranstaltung im Bundesarbeitsministerium appellierte er gleichzeitig an den Gesetzgeber, den Gestaltungsspielraum für die soziale Selbstverwaltung und damit ihre Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen.

Immerhin sei es, so Weiß, für rund 90 Prozent der Bevölkerung wichtig, wie die Sozialversicherung ausgestaltet ist und welche Leistungen sie den Versicherten in den Wechselfällen des Lebens zur Verfügung stellt. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen forderte von den fast 300 "Selbstverwaltern", dieses alte Rechtsinstitut mit Leben zu erfüllen, ja sich noch mehr bei ihrem Sozialversicherungsträger einzubringen. Letztlich dienten die Sozialwahlen dazu, den Willen des Volkes zu ermitteln, von dem alle Staatsgewalt ausgeht. Nach den Europa- und Bundestagswahlen bildeten die alle sechs Jahr stattfindenden Sozialwahlen die größte Wahlhandlung in der Bundesrepublik. Allein bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund seien rund 29 Millionen Versicherte aufgerufen, ihre Stimme in Form der Briefwahl abzugeben.

Die Bandbreite der in Vorträgen und Podien angesprochenen Themen erstreckte sich von der mangelhaften Wahlbeteiligung und damit verbunden dem weithin fehlenden Bekanntheitsgrad, den verhältnismäßig hohen Kosten von "Urwahlen", der Berechtigung von "Friedenswahlen", die in Deutschland nur die Sozialversicherung kennt, der Einführung von Online-Wahlen im Jahr 2017, der paritätischen Besetzung der Selbstverwaltungsorgane, den verhältnismäßig geringen Einwirkungsmöglichkeiten der Selbstverwaltung auf die Politik, aber auch der teilweise mangelhaften Medienarbeit der Sozialversicherungsträger in Sachen Selbstverwaltung und der teilweise negativen Beleuchtung der Sozialwahlen in den Medien.

Mehr "Ur-" und weniger "Friedenswahlen"?

Die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung wird durch verschiedene Organe repräsentiert. Während die Vertreterversammlung in der gesetzlichen Renten- und in der Unfallversicherung als oberstes Organ des Versicherungsträgers — auch "Sozialparlament" genannt – Rechtsetzungsbefugnisse besitzt sowie den ehrenamtlichen Vorstand und den Geschäftsführer bzw. die Geschäftsführung wählt, kommt es dem ehrenamtlichen Vorstand als dem zahlenmäßig kleineren Selbstverwaltungsorgan zu, Gesetze, Satzung und Beschlüsse der Vertreterversammlung auszuführen und den Versicherungsträger zu verwalten, aber auch ihn gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Zwischen beiden Selbstverwaltungsorganen besteht kein Über- oder Unterordnungsverhältnis.

Nur noch ein Selbstverwaltungsorgan, nämlich der Verwaltungsrat, besteht in der gesetzlichen Krankenversicherung, also bei Allgemeinen Ortskrankenkassen, Betriebs- und Innungskrankenkassen, Ersatzkassen und der Knappschaft. Von Gesetzes wegen sind dem Verwaltungsrat die Aufgaben der früheren Vertreterversammlung übertragen. Er hat alle Entscheidungen zu treffen, die für die Krankenkasse von grundsätzlicher Bedeutung sind. Der hauptamtliche Vorstand einer Krankenkasse gehört dem Verwaltungsrat nicht an, hat ihm gegenüber aber Berichtspflicht.

Bei wie vielen Versicherungsträgern es im nächsten Jahr zu einer Wahl mit Wahlhandlung ("Urwahl") kommen wird und wie oft auf eine Wahl verzichtet wird ("Friedenswahl"), weil nicht mehr Bewerber zu wählen sind als von den Sozialpartnern und den dazu berechtigten Arbeitnehmerorganisationen vorgeschlagen werden, bleibt abzuwarten. Entsprechende Vorschlagslisten für die Wahl zu den Vertreterversammlungen und Verwaltungsräten sind bis 18. November 2010 um 18 Uhr beim Wahlausschuss des jeweiligen Sozialversicherungsträgers einzureichen.

Bei den letzten Sozialwahlen im Jahr 2005 hatte es bei insgesamt 351 Sozialversicherungsträgern nur in acht Fällen eine "Urwahl" gegeben, darunter bei einigen großen Krankenkassen und der DRV Bund. In allen anderen Fällen galten die vorgeschlagenen Bewerber automatisch als gewählt. Durch zahlreiche Fusionen, insbesondere in der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung, hat sich die Zahl der Sozialversicherungsträger inzwischen auf rund 240 reduziert und könnte im Verlauf des Jahres weiter abnehmen.

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