Management

Beraten und verkauft ...?

Verschiedene Beratungskonzepte für die Selbstmedikation

Gerade hat Ihre fachkompetente Apothekerin Frau Dr. H. wieder ein langes und intensives Beratungsgespräch zu einem Selbstmedikationsarzneimittel mit einem älteren Stammkunden geführt. Sie argumentierte fachlich hervorragend, doch als sie den Preis "vorsichtig" nannte, wollte sich der Kunde alles noch einmal überlegen. Einige Kunden aus der Kundenschlange, die sich gebildet hatte, wurden schon ganz unruhig.

Kennen Sie ähnliche Situationen? Vielleicht schaut dieser Stammkunde jetzt im Internet nach, ob es dieses Arzneimittel irgendwo billiger gibt. Das würde den aktuellen Trend – der Versandhandel boomt und der Selbstmedikationsmarkt in der Apotheke stagniert – bestätigen.

Vielleicht hat die fachlich kompetente Apothekerin aber auch an den Kundenbedürfnissen vorbei argumentiert und war beim Preis selbst nicht vom Wert ihrer Empfehlung überzeugt. Vielleicht hat den Kunden die mangelnde Diskretion gestört und er hat die unruhige Warteschlange unbewusst wahrgenommen, die dann auch die Apothekerin nervös gemacht hat. Vielleicht will sich der Kunde wirklich alles nur noch einmal überlegen und eine Nacht darüber schlafen und kommt morgen wieder. Es gibt hier viele Möglichkeiten. Wir wissen es nicht. Nur jeder Kunde, der trotz guter und intensiver Beratung nicht kauft, ist ein wichtiger Lernprozess.

Umdenken gefordert

Sie spüren als gute Führungskraft, dass die Anforderungen an Sie und an Ihre Apothekenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter in allen Bereichen zunehmen und sich stark verändern.

Der Organisationspsychologe Professor Michael Kastner hat den Begriff der "Dynaxität" geprägt. Es ist ein Wortspiel aus den Begriffen Komplexität und Dynamik. Produkte, Dienstleistungen, Prozesse und Organisationen verändern sich in Richtung und Intensität immer schneller (Dynamik) und werden komplexer, d. h. die Anzahl, die Vielfalt und deren Vernetzungsgrad steigen (Komplexität).

Diese neue "dynaxische" Welt erfordert von uns in der Apotheke ein Umdenken. Das heißt, wir brauchen auch im Handverkauf verschiedene Beratungskonzepte, die situativ von den HV-Kräften individuell und schnell eingesetzt werden können.

Der Indikationskunde in der Selbstmedikation

Ihr Kunde hat Zeit und Interesse. Dies spüren Sie nonverbal durch seine offene Körperhaltung und seinen Blickkontakt. Der Kunde möchte etwas gegen seine Beschwerden. Die HV-Kraft kann jetzt alle wichtigen Fragen stellen, um sich ein konkretes Bild zu machen.

  • Ist es für Sie?
  • Welche Beschwerden haben Sie genau?
  • Wie lange haben Sie die Beschwerden schon?
  • Was haben Sie schon eingenommen und mit welchem Erfolg?
  • Welche anderen Medikamente nehmen Sie noch ein? (Kundenkarte nutzen)

Nach der Analyse wird ein optimales Empfehlungspaket, das genau auf den Kunden abgestimmt ist, vorgestellt. Ziel ist die Optimalversorgung des Kunden.

Die Empfehlungspakete zu verschiedenen Indikationen werden vorher auf der Teambesprechung mit dem gesamten Team zusammengestellt und auf optimalen Rohertrag geprüft. Dann wird das pharmazeutische Wissen trainiert und die kommunikative Kompetenz individualisiert und optimiert.

Zu einer professionellen Beratung gehört auch ein "Premiumumgang" mit dem Preis.

Apothekenmitarbeiter scheuen sich vor "hohen" Apothekenpreisen, sind sie jedoch von der Qualität des Arzneimittels überzeugt und kann der Preis fachkundig begründet werden, fallen Empfehlungen gleich viel leichter. Außerdem ist der Preis für den Kunden selten zu hoch, sondern nur der dazugehörige Nutzen zu klein. Wenn der Kunde durch die Einnahme des Arzneimittels einen deutlichen Gewinn erfährt, wird er den Preis akzeptieren. Und nur weil der Kunde den Einwand erhebt "das ist aber teuer", heißt das noch lange nicht, dass es ihm zu teuer ist!

Der Markenkunde in der Selbstmedikation

Der Kunde verlangt eine bestimmte Marke gegen Magenschmerzen. Auch hier ist es wichtig, mit dem Team folgende Vorgehensweise zu vereinbaren und zu trainieren:

1. Für wen ist das Arzneimittel?

2. Arzneimittel holen und immer Kurzhinweise geben: Wertschätzung des Produktes und pharmazeutische Kernaussage "Das ist ein bewährtes Mittel gegen Magenschmerzen".

3. Körpersignale beachten, Blickkontakt

4. Wenn offener Kunde: Okay für Beratung einholen! "Wenn Sie möchten, berate ich Sie gern …"

Viele Markenkunden bieten große Chancen und sind unentdeckte Potenziale in der Apotheke. Deshalb "veredeln" Sie Ihre Markenkunden!

"Premiumumgang" mit dem Preis


  • Sie und Ihr Team strahlen mit voller Überzeugung aus, dass Sie mit Ihrer Apotheke Ihren Preis wert sind. Machen Sie dem Kunden den "Mehrwert" Ihrer Apotheke bewusst.

  • Sie haben mit dem Team klare Absprachen über eine einheitliche Vorgehensweise und Argumentation getroffen, falls ein Kunde sagt: "Da drüben (oder im Internet) ist es aber viel billiger!" (Nicht: Chef/in macht jetzt Sonderpreise)

  • Sie gehen mit Preiseinwänden professionell um: z. B.: "Das ist aber teuer!"

      1. Wertschätzung des Kunden:
      – Gut, dass Sie das sagen
      – Wichtig, dass Sie das ansprechen
      – Wichtiger Punkt

      2. Sandwichmethode:
      – Preis zwischen zwei Vorteilen einpacken
      – Keinen nackten Preis stehen lassen: "die abschwellenden Nasentropfen kosten xy Euro und Sie können wieder frei durchatmen "

      3. Tagestherapiekosten nennen
      – "Pro Tag sind das für Ihre Gesundheit"

      4. Startpackung/Kurpackung
      – Sparvorteil der Kurpackung nennen! "Es gibt eine Startpackung und eine Kurpackung. Bei der Kurpackung sparen Sie welche Packung ist Ihnen lieber?"
      – Packungsgröße als Zeiteinheit nennen: "das ist die preisgünstige Kurpackung für drei Monate "Monatspackung, Dreiwochenkur klingt besser als Stückzahl

Die pharmazeutische Beratung des Markenkunden

Der Dampfer hat angelegt, die Offizin ist voll, Ihr Angebotsflyer ist ein Volltreffer und zwei PTAs sind krank. Jetzt ist es wichtig, Ruhe zu bewahren, das Tempo zu wechseln und trotzdem ein kurzes, gutes pharmazeutisches Versorgungsgespräch zu führen und nicht einfach nur zu kassieren, um schnell die Schlange abzuarbeiten. Für diese Kurzversorgung ist es entscheidend, dass das OTC-Sichtwahlwissen jetzt im Kopf der Mitarbeiter jederzeit parat ist und nicht nur im Computer.

Zur Minimalversorgung des Markenkunden gehören eine pharmazeutische Kernaussage, ein kostenloser Tipp und eine Basisfrage.

1. Pharmazeutische Kernaussage (z. B. Indikation) plus einen kostenlosen Tipp "Das sind Ihre Schmerztabletten, bitte nehmen Sie davon maximal xy… pro Tag und ein Tipp … nicht zu spät abends einnehmen, die Tabletten enthalten Coffein und das wirkt anregend …"

2. Basisfrage stellen oder "eine Frage geht immer": "Gegen welche Schmerzen wollen Sie das Arzneimittel einnehmen?" Oder "Haben Sie noch weitere Fragen zu diesem Arzneimittel?" Oder "Wogegen wollen Sie das Arzneimittel einnehmen?"

Die Kurzhinweise zu den einzelnen Sichtwahlarzneimitteln und Fragen sollten Sie vorher mit dem Team vereinbaren und auch trainieren.

Betrachten Sie zum Schluss das Thema Diskretion kritisch in Ihrer Offizin. Können Ihre Kunden wirklich diskret auch am HV-Tisch beraten werden? Einzelne HV-Inseln und Sitzgruppen können dazu einladen. Viele Apotheken sind noch nicht zukunftsorientiert auf den Megatrend der Individualisierung eingestellt. Auch die pharmazeutische Beratung wird aufgrund der demografischen Entwicklung komplexer und anspruchsvoller. Wie sind Ihre Apotheke und Ihr Team darauf vorbereitet?

Besprechen und trainieren Sie mit Ihrem Team verschiedene Beratungskonzepte, die zu Ihrer Apotheke und zu Ihrem Stil passen. Arbeiten Sie konsequent weiter an Ihrer Beratungskompetenz und sorgen Sie für eine diskrete Beratung am HV-Tisch.

Denn die Zeit läuft und der Kunde auch.


Cornelia Bergemann, Apothekerin und Geschäftsführerin der Agentur RedLine für Apothekentraining, www.redline-seminare.de

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