Gesundheitspolitik

Forschende Hersteller: Die Krise nachträglich verordnet?

Höhere Zwangsrabatte, Preismoratorien, zentrale Verhandlungen – so hat sich die Branche ein FDP-geführtes Gesundheitsministerium nicht vorgestellt

Berlin (ks). Der Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa) hat für die Arzneimittel-Sparpläne des Bundesgesundheitsministers wenig übrig. Mit den Zielen des Koalitionsvertrages – wo der Wettbewerb großgeschrieben wurde – hätten die Eckpunkte nichts mehr zu tun, so die vfa-Geschäftsführerin Cornelia Yzer. Vor allem die kurzfristigen Maßnahmen – erhöhter Zwangsrabatt und Preismoratorium – machen den Forschenden zu schaffen. Auch der Weg, wie diese Maßnahmen nun auf den Weg gebracht werden sollen, sei "verfassungsrechtlich bedenklich", erklärte Yzer am 14. April in Berlin.

Die Enttäuschung in der pharmazeutischen Industrie ist groß. Mit den nun geplanten Regelungen werde der Branche die Krise "nachträglich verordnet", klagt Yzer. Während der Krankenhaus- und der ambulant ärztliche Bereich im vergangenen Jahr größere Zuwachsraten verzeichnet hätten als der Arzneimittelsektor, seien diese nicht von Kostendämpfung betroffen. Dabei, so Yzer, habe die Industrie schon in den vergangenen Jahren überproportionale Beiträge erbracht, um die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu entlasten. So habe sie den Kassen allein durch die drei Kostendämpfungsinstrumente Rabatte, Reimportförderung und Festbeträge im Jahr 2009 rund 7,5 Mrd. Euro eingespart. In den nächsten Jahren sei allein durch 2010 und 2011 auslaufende Patente mit weiteren Einsparungen von voraussichtlich 1,2 Mrd. Euro zu rechnen.

Unangemessen: drei Jahre erhöhter Zwangsrabatt

Auf Kritik stoßen vor allem der Preisstopp bis 2013 und der erhöhte Kassenabschlag für Arzneimittel ohne Festbetrag. Nicht einmal die frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt habe eine solche Maßnahme für einen so langen Zeitraum eingeführt, betont die vfa-Chefin. Es sei zu befürchten, dass dieser längerfristige Zwangsrabatt in Verbindung mit den neuen Strukturmaßnahmen zu wirtschaftlich nicht verkraftbaren Beeinträchtigungen für die forschenden Unternehmen führen werde. Zwar soll der gesetzliche Zwangsabschlag durch Rabattvereinbarungen zwischen Kassen und Herstellern abgelöst werden können. Der vfa sieht für die Kassen jedoch keinen Anreiz, selbst Rabatte zu verhandeln. Sie könnten es schlicht auf eine Schiedsstellenlösung hinauslaufen lassen und sich währenddessen auf dem Zwangsrabatt "ausruhen", so Yzer.

Zweifelhaftes Omnibusverfahren

Dass diese Kurzfristmaßnahmen an das laufende Gesetzgebungsverfahren für das GKV-Änderungsgesetz angekoppelt werden sollen, um schon zum 1. August wirksam werden zu können, ist aus Sicht des Verbandes verfassungsrechtlich bedenklich. Zur Stützung dieser Annahme hat der vfa bereits ein Rechtsgutachten durch den Rechtsanwalt Prof. Wolfgang Roth erarbeiten lassen. Sein Fazit: Eine Änderung des einschlägigen § 130a SGB V durch bloße Änderungsanträge im Bundestag wäre unzulässig, da es keinen sachlichen Zusammenhang mit dem bereits bestehenden Gesetzentwurf gebe. Das Gutachten habe man bereits an die Politiker weitergeleitet – ob sie sich die Ausführungen zu Herzen nehmen, bleibt abzuwarten.

Nicht-wettbewerbliche Verhandlungslösungen

Ein Ärgernis ist für den vfa zudem, dass die Preisverhandlungen über neue Arzneimittel in der Regel zentral mit dem GKV-Spitzenverband erfolgen sollen. "Das bedeutet, ein Nachfragemodell zu schaffen, statt Wettbewerb zu fördern", so Yzer. Vor diesem Hintergrund sei es nötig, dass das Wettbewerbs- und Kartellrecht auch im Bereich der patentgeschützten Arzneimittel Anwendung finde. Bislang sei dies nur für das generische Marktsegment vorgesehen – aus Sicht des vfa eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Bedauerliche Folge der zentralen Preisverhandlungen sei zudem, dass die vom vfa favorisierten dezentralen Verhandlungen leerlaufen würden: Es bestehe für keinen der Beteiligten ein Anreiz, nebenher Einzelverträge, etwa im Sinne von Mehrwertverträgen, auszuhandeln. Vor allem bei den Volkskrankheiten würden hierdurch erhebliche Einsparpotenziale verschenkt.

Schnellbewertung: Methoden konkretisieren

In einigen Punkten hat der vfa noch Hoffnung, dass das BMG bei der Ausarbeitung seiner Eckpunkte die Industrie noch erhört. So etwa bei der geplanten Schnellbewertung neuer Arzneimittel. Hier müsse berücksichtigt werden, dass die Datengrundlage bei solchen "Frühbewertungen" wesentlich schmaler sei als bei einer späteren Bewertung. Die somit bestehende Entscheidungsunsicherheit müsse methodisch berücksichtigt werden, um realistisch und fair bewerten zu können. Dies sei auch im internationalen Vergleich – etwa in Großbritannien und Skandinavien – üblich, erklärte Yzer. Unter anderem plädiert der vfa dafür, dass schon etwa ein Jahr vor der erwarteten Zulassung eines Medikamentes zur Vorbereitung des geforderten Dossiers ein Scoping-Workshop durchgeführt wird. Hier sollen die mit der Bewertung befasste Institution und der Hersteller Vergleichsinterventionen, Modellannahmen und Bewertungskriterien vorab miteinander abstimmen.

Die Erkenntnis des vfa: Auch mit einem FDP-Minister fährt die forschende Industrie nicht besser als mit der früheren SPD-Ministerin. Philipp Rösler sei "politischer Nachlassverwalter von Ulla Schmidt", sagte Yzer. Wenn er schon auf Regulierung setze, müsse er dies auch konsequent tun – und nicht mit solchen Durchbrüchen, wie sie die Eckpunkte aufzeigten.

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