Gesundheitspolitik

Ein Schlag ins Gesicht

Peter Ditzel

Er ist nie zimperlich im Austeilen, wenn es darum geht, seine Rabattverträge, die für ihn wohl als sein Lebenswerk gelten müssen, durchzusetzen: Christopher Hermann, federführender Chefunterhändler in Sachen Rabattverträge für die AOK. Immer wieder versuchte er in den rund drei Jahren, in denen es Rabattverträge gibt, sie gegen alle, auch juristische Widerstände durchzusetzen. Selbst gegen den gesunden Menschenverstand. Da wird bei den Normpackungsgrößen schon mal die Arithmetik auf den Kopf gestellt (N3 ist 56 = 98 = 100) und damit als substituierbar erklärt. Auch mit den Indikationsbereichen nimmt ers nicht so genau, Hauptsache einer stimmt überein. Von Patientencompliance scheint er nichts wissen zu wollen. Und von den Gesprächen in den Apotheken, wenn Patienten sich über den Präparateaustausch beklagen, will er nichts hören. Es läuft doch, oder? Die Apotheker reden sich den Mund fransig, leisten Überzeugungsarbeit, ertragen den Unmut der Patienten, bemühen sich auf allen Ebenen, die Rabattverträge, so gut es bei allen täglichen Schwierigkeiten überhaupt geht, zu erfüllen und eine angemessene Versorgung der AOK-Versicherten aufrecht zu erhalten. Und Hermann schlägt ihnen dafür ins Gesicht – mit einem Drohbrief, der die Apotheken Baden-Württembergs unter eine Generalanklage stellt, gegen das Rabattgebot verstoßen zu haben. Darüber hinaus droht er sogar neben Geldstrafen mit Ausschluss aus der Versorgung der Versicherten. Da fällt einem doch die Frage ein: Was wäre eigentlich, wenn die Apotheken die Versicherten des Dr. Hermann nur noch gegen Vorkasse belieferten? Man könnte fast mal darüber nachdenken, wenn es nicht zulasten der Patienten ginge.

Rein juristisch gesehen dürfte dieser Drohbrief wenig Chancen haben. Die Vorwürfe gegen die Apotheken beruhen letztlich auf äußerst strittigen Punkten (identische Packungsgrößen und identische Indikationen). Fraglich ist auch der Vorwurf, der Apotheker müsse sich eine lückenhafte Darstellung von Substitutionshinweisen in seiner Software zurechnen lassen. Was soll außerdem der pauschale Hinweis auf evidente Verstöße und der Angabe einer Summe, deren Zustandekommen aus der Luft gegriffen erscheint? Was wäre, wenn die Apotheken konkrete Einzelbeweise von der AOK anforderten, um zu erfahren, welche Verordnung sie angeblich nicht AOKgetreu beliefert haben?

Herr Herrmann, die überwiegende Zahl der baden-württembergischen Apotheken erfüllt die Rabattverträge korrekt. Eine Entschuldigung ist angebracht!


Peter Ditzel

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