Gesundheitspolitik

AOK Baden-Württemberg droht Apotheken

Abmahnaktion wegen angeblicher Nichterfüllung der Rabattverträge

STUTTGART (diz). Die AOK Baden-Württemberg verschickte in der vergangenen Woche ein Abmahnschreiben an zahlreiche baden-württembergische Apotheken. Die AOK wirft den Apotheken vor, keine "vollumfängliche Substitution" bei den Rabattverträgen sichergestellt und damit die gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt zu haben. Sie droht mit Verwarnung, Vertragsstrafen und sogar Ausschluss von der Versorgung der Versicherten.

In dem AOK-Schreiben, unterzeichnet von Christopher Hermann, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstandes, wird der Apothekenleiter zunächst auf die besonderen Substitutionskriterien aufmerksam gemacht. Hervorgehoben wird vor allem, dass auch dann substituiert werden muss, wenn ein gleicher Indikationsbereich vorliegt, d. h. – nach der umstrittenen AOK-Auffassung –, wenn mindestens eine Indikation beider Arzneimittel deckungsgleich ist. Auch der in Fachkreisen umstrittene Begriff der "identischen Packungsgröße" müsse nach AOK-Lesart berücksichtigt werden, Das bedeutet: N3 kann also beispielsweise 56, 98 oder 100 Tabletten bedeuten.

Der Brief listet des Weiteren die möglichen Sanktionsmaßnahmen gegen solche Apotheken auf, die sich nicht peinlich genau an die Rabattverträge und AOK-Auslegungen halten, nämlich Verwarnung, Vertragsstrafen bis 25.000 Euro und bei gröblichen und wiederholten Verstößen der Ausschluss des Apothekenleiters von der Versorgung der Versicherten bis zu einer Dauer von zwei Jahren.

Wie ungenau die angeschriebene Apotheke die Rabattverpflichtung erfüllt haben soll, zeigt das im Brief angegebene Ergebnis des AOK-Prüfverfahrens für die angeschriebene Apotheke. Ein Beispiel aus einem Brief, der der AZ-Redaktion vorliegt: "Die Prüfung Ihrer Apotheke ergibt für das Jahr 2009 einen Anteil nach Ausschreibungen rabattierter Arzneimittelpackungen an substitutionspflichtigen Packungen insgesamt von 72,7%." Ergänzt wird dies durch die Angabe des Abrechnungsvolumens nicht rabattierter, gleichwohl substitutionspflichtiger Arzneimittel in Euro, in diesem Fall über 22.000 Euro.

Die AOK macht die abgemahnten Apotheken auch darauf aufmerksam, dass sie sich nicht auf eine fehlerhafte oder ungenaue Software berufen sollten. Denn: "Auswahl und Funktionsfähigkeit der Apothekensoftware fallen in Ihren Verantwortungsbereich, so dass Sie sich Mängel der Software zurechnen lassen müssen."

Rabattchefunterhändler Hermann fordert die Apotheken mit diesem Brief auf, bis zum 30. April 2010 "eine vollumfängliche Substitution in diesem Sinne sicherzustellen. Andernfalls verwirken Sie ggf. eine Vertragsstrafe … Rabattierungen müssten wir uns vorbehalten."

Empörung über Generalverdacht

Baden-Württembergs Apothekerinnen und Apotheker sind entsetzt über Inhalt, Schärfe und Ton dieses Briefes, wie zahlreiche Anrufe bei der AZ-Redaktion zeigten. Unverständnis zeigte sich vor allem auf Seiten der Apotheken, die davon überzeugt sind, die Rabattverträge nach bestem Wissen und Gewissen zu 100% erfüllt zu haben und nun unter einen Generalverdacht gestellt würden. Außerdem stellt sich die Frage: Wie will die AOK ermittelt haben, wie viele Rabattarzneimittel nicht korrekt substituiert waren, wenn die Apotheke immer die korrekte PZN aufgedruckt hat?

Protest vom LAV

Der Landesapothekerverband hat dem Vernehmen nach bereits seinen Unmut bei der AOK Baden-Württemberg zum Ausdruck gebracht. Zum einen stünden die Substitutionsregeln der AOK nicht in Konsens mit der Rechtsauffassung des Verbandes. Man habe sich, so der LAV, gegen diese falschen Behauptungen verwehrt und die AOK bereits zu einer Richtigstellung aufgefordert. Das pauschale Vorgehen der Kassen gegen eine Vielzahl der Apotheken und die zugrunde gelegten Substitutionsregeln seien nicht tragbar, so der LAV.

Jetzt sei die Reaktion der Kasse abzuwarten. Sollte keine Richtigstellung erfolgen, könnten die Apotheken das Drohscheiben der AOK den AOK-Versicherten vorlegen, insbesondere wenn es um die Diskussion über pharmazeutische Bedenken gehe.

Bei Rabattvertragsverweigerern seien die angedrohten Vertragsstrafen allerdings berechtigt.

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