Gesundheitspolitik

Hess verteidigt Position des G-BA

Basis für Werteentscheidung bleibt umstritten

BERLIN (tmb). Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) steht im System der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland im Mittelpunkt aller Entscheidungen über die Erstattungsfähigkeit von Therapieverfahren und Arzneimitteln (siehe auch Beitrag in DAZ 2010, Nr. 9, S. 61). Dabei ist das Gremium vielfältiger Kritik ausgesetzt, auch aus den Reihen von Ökonomen. Die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gesundheitsökonomie am 2. März in Berlin bot daher für den unabhängigen Vorsitzenden des G-BA, Dr. Rainer Hess, eine Gelegenheit auf die Argumente der Ökonomen – auch aus der DGGÖ – einzugehen.

Das Thema Gesundheitsökonomie betrifft nach Einschätzung von Hess vorrangig das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und nicht den G-BA. Denn für den G-BA sei zuerst die Frage relevant, ob zu einem Verfahren Alternativen bestehen. Wenn es keine Alternativen gibt, müssten auch sehr teure Verfahren erstattet werden. Nur bei Alternativen stelle sich die Frage, welches Verfahren bezahlt wird. Im Gegensatz zu dieser differenzierten Vorgehensweise in Deutschland entscheide das englische National Institute for Clinical Excellence (NICE) stets nach einem einheitlichen Prinzip.

Entgegen etlichen Kritikern sieht Hess die Einführung von Innovationen nicht als Problem an, sondern deren Übertragung in die breite Anwendung in der Fläche. Denn wenn eine Methode in Unikliniken erstattungsfähig sei, müsse sie auch anderswo bezahlt werden. Wohl als Reaktion auf den verbreiteten Vorwurf, dass die deutsche Methodik nicht internationalen Standards entspricht, betonte Hess, dass die gesundheitsökonomischen Bewertungen mit Modellen in anderen Ländern für neue Arzneimittel bereits vor der Markteinführung eingesetzt werden. Das IQWiG habe sich dagegen bisher mit Arzneimitteln beschäftigt, die bereits auf dem Markt sind und daher in der realen Anwendung hätten untersucht werden können. Dann würden sich Modellrechnungen aber vielfach erübrigen.

Methoden, für die keine Alternativen bestehen, würden sogar auf der Grundlage sehr geringer Evidenz erstattet, erklärte Hess und ging damit auf die Kritik an der starken Evidenzorientierung ein. Wenn Verfahren auf sehr geringem Evidenzniveau eingeführt werden, seien aber Studien zu fordern, um später eine gesicherte Entscheidung fällen zu können und die Patienten vor unwirksamen Methoden zu schützen.

Bewertung von Arzneimitteln

Diese Erleichterung gelte jedoch nicht für Arzneimittel, bei denen wegen der drohenden Gefahren stets die höchste Evidenz zu fordern sei. Allerdings sei der Wirksamkeitsnachweis durch die Zulassung erbracht, danach gehe es nur um einen möglichen Zusatznutzen gegenüber anderen Arzneimitteln. Nach der jüngsten Verfahrensordnung müsse zunächst der Zusatznutzen nachgewiesen werden, erst dann könne die Kosten-Nutzen-Bewertung folgen. Dazu müssten die Kosten im deutschen Versorgungssystem berücksichtigt werden, doch bemängelte Hess, es gebe in vielen Fällen keine Studien mit deutschen Kostendaten.

Auf der Grundlage der Kosten-Nutzen-Bewertung müsse der G-BA letztlich eine Werteentscheidung vornehmen. Das Ergebnis könne nicht errechnet werden und es könne nach den rechtlichen Vorgaben in Deutschland auch kein maximales akzeptables Kosten-Effektivitäts-Verhältnis abgeleitet werden, wie es in etlichen anderen Ländern betrachtet wird. Auch eine von Ökonomen geforderte Befragung der Bevölkerung nach ihrer fiktiven Zahlungsbereitschaft würde Hess nicht als Rechtsgrundlage für eine solche normative Festlegung ansehen. Allerdings erklärte Hess nicht, welche Wertvorstellungen für den G-BA bei einer solchen Entscheidung letztlich maßgeblich sind.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.