Feuilleton

Ixypsimab – Neues über die "mab"-Familie

"Azubimab und Amibib" war der Titel einer Betrachtung zur Namengebung monoklonaler Antikörper und einiger neuer niedermolekularer Arzneistoffe im Jahr 2004 [1]. Fünf Jahre später ist festzustellen, dass die "mab"-Familie kräftig gewachsen ist (Tab. 1) und ebenso die Gruppe der Arzneistoffe, deren INN-Namen auf "ib" oder "id" enden (Tab. 2).

In der zweiten Gruppe sind u. a. fünf Tinibe (Tyrosinkinasehemmer) und zwei Coxibe (Cyclooxygenasehemmer) hinzugekommen. Doch beschränken wir uns im Folgenden auf die "mab"-Familie, die um neun Vertreter gewachsen ist (Tab. 1) und in Zukunft noch schneller wachsen dürfte. Monoklonale Antikörper sind Varianten des Immunglobulins G (IgG), die von gentechnisch veränderten Zellen synthetisiert und biotechnologisch produziert werden. Ihr therapeutischer Nutzen beruht darauf, dass sie spezifisch an bestimmte Antigene, z. B. Rezeptoren der Zellmembran oder Botenstoffe des Immunsystems, binden und dadurch in den Krankheitsprozess eingreifen.

Nomenklatur …

Die Namen aller monoklonaler Antikörper enden bekanntlich auf "mab", abgeleitet von m onoclonal a ntib ody. Nach ihrer Herkunft unterscheidet man neun Antikörper-Typen, die durch bestimmte Buchstaben vor "mab" kenntlich sind. So ergeben sich die folgenden Suffixe:

von der Ra tte -amab

vom Hamste r -emab

von Pri maten -imab

von der Maus (mo use)-omab

vom Menschen (hu man)-umab

hybrid (ra t × mo use) -axomab

chi mär (Mensch × Maus)-ximab

humanisiert ( " )-zumab

chimär + humanisiert -xizumab

Die ersten drei Typen spielen keine Rolle; "mab"-Quellen sind also die Maus und der Mensch – sehr oft auch in Kombination: Bei chimären Antikörpern stammen etwa 40%, bei humanisierten Antikörpern nur etwa 5% des Moleküls von der Maus. Die Silbe "xi" erinnert an die beiden ersten Buchstaben des griechischen Wortes χιμαιρα (Chimäre, Mischwesen aus Löwe, Ziege, Schlange).

Über das Target (Zielort, Antigen) oder die Indikation des Arzneistoffs gibt der mittlere Teil des Namens (Infix) Auskunft. Derzeit sind 19 Infixe in Gebrauch:

Angiogenese -anib(i)-

Bakterien -ba(c)-

kardiovaskulär -ci(r)-

Kolonkarzinom -co(l)-

Pilzinfektionen -fu(ng)-

Hodenkarzinom (Gonaden, testes)-go(t)-

Ovarialkarzinom -go(v)-

Interleukine -ki(n)-

Infizierte Wunden (Läsionen)-le(s)-

Immunsystem -li(m)-

Mammakarzinom -ma(r)-

Melanom -me(l)-

muskuloskeletal -mu(l)-

Nervensystem -neu-, -ne(r)-

Knochen -o(s)-

Prostatakarzinom -pr(o)-

Tumoren (allgemein)-tu(m)-

Toxine -tox(a)-

Viren -vi(r)-

Das – meistens zweisilbige – Präfix hat unterschiedliche Bedeutungen oder dient dazu, den Arzneistoffnamen einigermaßen wohlklingend zu gestalten.

"mabs" im Internet

Ein aktuelles Verzeichnis nennt 190 "mabs", von denen erst 43 einen Handelsnamen haben. Das Infix der INN lautet 71-mal li(m), 64-mal tu(m), 11-mal vi(r), 10-mal ci(r), 6‑mal ba(c), 5-mal ki(n) usw.
N. B.: Der murine "Ur-mab" Muromonab hatte seinen Namen erhalten, bevor diese Nomenklatur etabliert wurde, und wird deshalb oft falsch geschrieben.

… und Wortspiele

Außer Cetuximab bestehen alle in Tabelle 1 gelisteten Namen aus fünf Silben, enthalten fünf Vokale sowie fünf oder sechs Konsonanten. Voraussetzung für Namen mit fünf Konsonanten ist, dass die erste Silbe nur aus einem Vokal besteht.

Lesbar und – was noch wichtiger ist – aussprechbar sind diese außergewöhnlichen Namen vor allem deshalb, weil sie (mit Ausnahme von Ibritumomab) alternierend aus Vokalen und Konsonanten konstruiert sind. Aus dem gleichen Grunde sind auch ihre Palindrome (Wortumkehrungen) les- und aussprechbar (Abb. 1). Die Wortumkehrung ist übrigens eine Strategie, Bezeichnungen für neue Arzneistoffe zu finden, die oft sogar wohlklingender sind als die Originale, zum Beispiel

Bamixutec aus Cetuximab oder Bamuzilamo aus Omalizumab.

Eine weitere Möglichkeit, neue Namen zu finden, besteht darin, vorhandene Namen silbenweise zu permutieren. Wenn das in einem geordneten Ablauf geschieht, entsteht nebenbei ein "Lateinisches Quadrat" (Abb. 2).

Wer mehr darüber erfahren möchte, lese das nächste Glossay mit dem Titel "Was sucht das Lateinische Quadrat im Europäischen Arzneibuch?"

Literatur

[1] Roth, H J. Azubimab und Amibib. Dtsch Apoth Ztg 2004;144:3601– 04.
Autor
Prof. Dr. rer. nat. Dr. h. c. Hermann J. Roth
Friedrich-Naumann-Str. 33, 76187 Karlsruhe
Tab. 1: Monoklonale Antikörper, die in Deutschland von 2004 bis 2008 zugelassen wurden. Die Namen (INN) sind hier in Präfix, Infix und Suffix unterteilt
INN
Charakterisierung Zulassung
Indikation
Beva
ci
zumab
Bindet an den VEGF* 01.02.2005
Kolon- und Rektumkarzinom
Ce
tu
ximab
Bindet an den EGF-Rezeptor**15.06.2004
Kolon- und Rektumkarzinom
Ecu
li
zumab
Bindet an das Komplementprotein C5 01.12.2007
Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie
Efa
li
zumab
Richtet sich gegen die T -Lymphozyten 15.10.2004
Psoriasis vulgaris vom Plaque-Typ
Ibri
tum
omab
Der Betastrahler Yttrium-90 wird mit 01.04.2004
dem Chelator Tiuxetan an den Antikörper gekoppelt
Non-Hodgkin-Lymphom (NHL)
Nata
li
zumab
Blockiert das alpha-4-Integrin 01.08.2006
Schubförmig remittierende Multiple Sklerose
Oma
li
zumab
Blockiert das Immunglobulin E 01.11.2005
Allergisches Asthma bronchiale
Pani
tum
umab
Bindet an den EGF-Rezeptor** 15.01.2008
Metastasiertes Kolorektalkarzinom
R
anibi
zumab
Bindet an den VEGF* 15.02.2007
Altersabhängige, feuchte Makuladegeneration
* VEGF = Vascular Endothelial Growth Factor, Gefäßwachstumsfaktor ** EGF = Epidermal Growth Factor, Epidermaler Wachstumsfaktor
Tab. 2: Von 2004 bis 2008 in Deutschland zugelassene Arzneistoffe, deren INN-Namen auf "ib" oder "id"
enden. Mit Ausnahme der durch * markierten Substanzen handelt es sich um niedermolekulare Arzneistoffe
Arzneistoff
Charakterisierung
Zulassung
Indikation
Anagrelid
Imidazochinazolin
01.01.2005
Thrombozytämie
Bortezomib
Borhaltiges heterodetes Peptid,
Phenylalanin-Derivat
15.05.2004
Multiples Myelom
Ciclesonid
Glucocorticoid
01.02.2005
Chronisches Asthma bronchiale
Dasatinib
Kette von drei Heterozyklen und
einem Aromaten, achiral
01.12.2006
Chronische myeloische Leukämie (CML)
Erlotinib
Chinazolin-Derivat
01.10.2005
Metastasierendes nicht-kleinzelliges EGFR-positives Lungenkarzinom
Etoricoxib
Bipyridin-Derivat, COX-2-Hemmer
15.09.2004
Arthrose, rheumatoide Arthritis, Gichtarthritis
Gado-
versetamid*
Gadolinium-Chelat
01.12.2007
Diagnostikum zur MRT des ZNS
und der Leber
Lanreotid*
Somatostatin-Analogon
01.07.2005
Akromegalie
Lapatinib
Chinazolin-Derivat
16.06.2008
Fortgeschrittenes Mammakarzinom
Lenalidomid
Strukturanalogon von Thalidomid
15.07.2007
Multiples Myelom
Lumiracoxib
Diclofenac-Analogon, COX-2-Hemmer
01.01.2007
Aktivierte Arthrose der Knie- und Hüftgelenke
Nilotinib
Phenylamino-pyrimidin-Derivat
15.01.2008
Leukämie (CML)
Pegaptanib*
Oligonucleotid, VEGF-Hemmer
01.05.2006
Altersabhängige, feuchte Makuladegeneration
Pramlintid
Synthetisches Amylin-Analogon
26.03.2005
Typ-1- und Typ-2-Diabetes
Rufinamid
Difluorbenzyl-triazol-Derivat
15.06.2007
Lennox-Gastaut-Syndrom (Epilepsieform)
Sorafenib
Substituiertes Phenyl-phenoxyl-ureid
01.08.2006
Nierenzellkarzinom
Sunitinib
Indol-Derivat
15.08.2006
Gastrointestinale Stromatumoren
Ziconotid*
Pentadocosa-Peptid, synthetisches Analogon eines ω -Conopeptids
15.08.2006
Schmerzmittel zur intrathekalen
Analgesie
Zonisamid
Benzisoxazol-methansulfonamid
15.06.2005
Epilepsie

BE
VA
C I
ZU
MAB
BA
MU
Z I
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CE
TU
X I
MAB
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ZU
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TU
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BA
MO
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ZU
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TAN
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MA
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ZU
MAB
BA
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LA
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PA
N I
TU
MU
MAB
BA
MU
MU
T I
NAP
RA
N I
B I
ZU
MAB
BA
MU
ZU
B I
NAR
Abb. 1: Palindrome INN-Namen monoklonaler Antikörper (links) und ihre palindromischen Spiegelbilder (rechts; Vokale rot, Konsonanten schwarz).

BE
VA
C I
ZU
MAB
VA
C I
ZU
MAB
BE
C I
ZU
MAB
BE
VA
ZU
MAB
BE
VA
C I
MAB
BE
VA
C I
ZU
Abb. 2: Permutationen des Namens Bevacizumab in der Anordnung eines Lateinischen Quadrats.

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