DAZ aktuell

Viele Detailänderungen unter enormem Zeitdruck

BONN (hb). Kaum liegt der Referentenentwurf der 15. AMG-Novelle vor, da soll das Gesetzesvorhaben, das so gar kein rechtes Gesicht zu haben scheint, auch schon in trockene Tücher gebracht werden. Gerade wegen der Vielzahl an Detailänderungen würde sich die pharmazeutische Industrie jedoch wünschen, dass man bei den Beratungen mehr ans "Eingemachte" gehen könnte, wie bei einer Veranstaltung von Colloquium pharmaceuticum am 5. Februar 2009 in Bonn deutlich wurde.

Die DAZ hat seit Jahresbeginn bereits mehrfach über die Novelle berichtet. Es handelt sich hierbei erneut um ein Artikelgesetz, gleichwohl mit der Änderung des AMG als Schwerpunkt. Inhaltlich lassen sich im Gegensatz zu vorangegangenen Revisionen des Gesetzes kaum klare Themenkomplexe ausmachen, ins Auge fällt allein die Vielzahl von Änderungen, die sich aus den europäischen Neuregelungen zu Geweben, Zellen und neuartigen Therapien ergeben. Darüber hinaus soll die Novelle dazu dienen, das Gesetz im Lichte der Vollzugserfahrungen zu bereinigen – und hier ist offenbar vieles gerade zu rücken.

Hervorhebenswert ist, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes mit der 15. AMG-Novelle von dem reinen "Verkehr mit Arzneimitteln" auf die Anwender ausgeweitet werden soll, erkennbar unter anderem auf das geplante Verbot, bedenkliche Arzneimittel am Menschen anzuwenden, von dem sich im wesentlichen die Heilberufe angesprochen fühlen sollten.

Der Arzneimittelbegriff wird geändert, allerdings ohne spektakuläre Neuerungen, sondern nur durch weitgehende Anpassung der Formulierung an den europäischen Kodex für Humanarzneimittel. Einzig der deutsche Begriff "Linderung", der sich dort nicht wiederfindet, bleibt erhalten. Außerdem wird die europäische Zweifelsfallregelung in deutsches Recht umgesetzt, die jüngst mit dem Red Rice-Urteil des EuGH interpretiert wurde (s. DAZ Nr. 4/2009, S. 36).

Standardzulassungen erhalten

Für viel Gesprächsstoff sorgte bei der Veranstaltung die geplante Verpflichtung der Arzneimittelhersteller zur bedarfsgerechten und kontinuierlichen Belieferung vollversorgender Arzneimittelgroßhandlungen (§ 52b neu). Vor allem wird bezweifelt, dass der Begriff des Vollversorgers nach dem bisherigen Referentenentwurf ausreichend definiert ist, um ihn im Falle der Lieferverweigerung eines Pharmaunternehmens justiziabel zu machen.

Einhellig begrüßt die Industrie den politischen Willen, das Instrument der Standardzulassung zu erhalten, obwohl diese im europäischen Arzneimittelrecht nicht verankert ist. Die derzeit rund 400 präfabrizierten Zulassungen sind aber auch für öffentliche Apotheken und Krankenhausapotheken vielfach der einzig gangbare Weg, wenn die wirtschaftlichen Möglichkeiten, eine Einzelzulassung zu erwerben, nicht vorhanden sind. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll allerdings in Zukunft ein Entgelt für ihre Nutzung verlangen können. Außerdem wird auch die Nutzung bei nicht apothekenpflichtigen Zubereitungen anzeigepflichtig. Hinsichtlich des Auftrags an die Behörde, diese zum einen formal an europäische Vorgaben und zum anderen fortlaufend an den Stand der Wissenschaft anzupassen, setzt das BfArM vor allem auf die Unterstützung durch die Industrie.

Zu wenig Zeit zur Diskussion

Kopfzerbrechen bereitet den betroffenen Unternehmen außerdem die Intransparenz der Anwendung der bestehenden Rechtsvorschriften im Bereich Zellen und Gewebe sowie Arzneimittel für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products, ATMP). Hier ist auch auf europäischer Ebene noch einiges im Fluss. So sind nicht einmal Begriffe wie "Gentherapie" und "Zelltherapie" bis dato klar definiert. Sie werden im Anhang des Kodexes für Humanarzneimittel (Richtlinie 2001/83/EG) erst noch eingeführt. Viele Produkte sind zudem nicht klar einzustufen, was jedoch eine wesentliche Voraussetzung für die nachfolgende Anwendung relevanter Rechtsvorschriften ist.

Der Grundtenor unter den anwesenden Vertretern aus der Industrie und den Zulassungsbehörden: Nicht wenige der scheinbar marginalen Änderungen bergen tatsächlich Unwägbarkeiten für die praktische Umsetzung, die einer eingehenderen Diskussion bedürften, aber dafür bleibt keine Zeit. Das Bundesgesundheitsministerium befindet sich unter enormem Zeitdruck. Der Kabinettsbeschluss ist für den 18. Februar geplant, die 1. Lesung im Bundestag für den 19. März, nach Ostern geht die Novelle in die Ausschüsse, um dann Ende Juni im Bundestag verabschiedet zu werden. Die Zustimmung des Bundesrates soll schließlich am 10. Juli 2009 eingeholt werden. Gelingt es nicht, das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode durchzubringen, so werden die Karten im Herbst neu gemischt.

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