Arzneimittel und Therapie

Micafungin gegen invasive Candida-Infektionen

Micafungin (Mycamine®) ist ein neues Antimykotikum, das seit April 2008 in Europa zugelassen ist und jetzt bei uns auf den Markt kommt. Das Echinocandin wird intravenös zur Prophylaxe und Therapie schwerer Candida-Infektionen eingesetzt. Da Micafungin Lebertumore auslösen kann, sollte es nur angewendet werden, wenn andere Antimykotika nicht geeignet sind.

Micafungin

Der Hefepilz Candida ist ein opportunistischer Keim, der Haut und Schleimhäute vieler Menschen besiedelt. Normalerweise hält das Immunsystem diese Pilzart in Schach. Ist es jedoch geschwächt, können an sich harmlose Hefepilze zur tödlichen Bedrohung werden. Ihre Fortsätze, die Hyphen, können in die Haut hineinwachsen, ins Blut eindringen (Candidämie) und innere Organe wie Leber, Milz und Nieren befallen (invasive Candidose).

Besonders gefährdet sind Menschen mit schweren Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus, Krebs oder Aids sowie Patienten unter einer Therapie mit Breitspektrumantibiotika oder systemischen Steroiden. Auch Patienten, die eine immunsuppressive Therapie erhalten, sind sehr gefährdet.

Zur Gattung Candida gehören 154 Spezies. Pilzinfektionen beim Menschen werden am häufigsten durch Candida albicans hervorgerufen. In den letzten Jahren kommt es allerdings immer häufiger zu Infektionen mit den bislang seltenen, aber sehr gefährlichen Arten Candida glabrata und Candida krusei.

Hemmung der Zellwandsynthese

Das neue Micafungin ist wie Anidulafungin (Ecalta®) und Caspofungin ein Echinocandin, das als Antimykotikum zur Behandlung invasiver Candidosen eingesetzt wird.

Echinocandine sind zyklische Hexapeptide, die in der Zellwand die Synthese des 1,3-Beta-D-Glukans inhibieren, so dass Glukan nicht mehr in die Pilzzellwand eingebaut werden kann. 1,3-Beta-D-Glucan kommt in Säugetierzellen nicht vor.

Echinocandine zeichnen sich durch eine gute Verträglichkeit und wenig Interaktionen aus (keine Metabolisierung über das Cytochrom-P450-System). Sie können nur parenteral appliziert werden. Echinocandine sind untereinander kreuzresistent. Es besteht jedoch keine Kreuzresistenz gegenüber Azolen wie Fluconazol.

Caspofungin (Cancidas®) ist der erste Vertreter dieser Gruppe. Neu sind Micafungin und Anidulafungin, das Ende 2007 die europäische Zulassung zur Therapie von Candidämien und invasiven Candidosen erhielt.

Steckbrief: Micafungin

Handelsname: Mycamine

Hersteller: Astellas Pharma GmbH, München

Einführungsdatum: 1. Januar 2009

Zusammensetzung: 1 Durchstechflasche enthält 50/100 mg Micafungin, Natriumsalz. Nach Rekonstitution enthält jeder ml 10 bzw. 20 mg Micafungin als Natriumsalz. Sonstige Bestandteile: Lactose-Monohydrat, Citronensäure (zur Einstellung des pH-Werts), Natriumhydroxid (zur Einstellung des pH-Werts).

Packungsgrößen, Preise und PZN: 1 Durchstechflasche mit 50 mg Micafungin: 376,42 Euro, PZN 1896524. 1 Durchstechflasche mit 100 mg Micafungin: 647,56 Euro, PZN 1896576.

Stoffklasse: Antimykotika zur systemischen Anwendung. ATC-Code: J02AX05.

Indikation: Micafungin ist indiziert zur Behandlung einer invasiven Candidose; der ösophagealen Candidose bei Patienten, für die eine intravenöse Behandlung angebracht ist; zur Prophylaxe von Candida-Infektionen bei Patienten, die sich einer allogenen, hämatopoetischen Stammzelltransplantation unterziehen oder wenn eine Neutropenie (absolute Neutrophilenzahl 5500/μl) von mindestens zehn oder mehr Tagen zu erwarten ist. Bei Kindern (einschließlich Neugeborenen) und Jugendlichen unter 16 Jahren ist Micafungin nicht zur Behandlung einer ösophagealen Candidose indiziert. Da bei der Anwendung von Micafungin ein Risiko zur Lebertumorbildung besteht, ist es nur anzuwenden, wenn andere Antimykotika nicht geeignet sind.

Dosierung: Die Dosierung von Micafungin hängt von Indikation und Körpergewicht des Patienten ab und liegt zwischen 40 und 200 mg täglich. Invasive Candida-Infektionen sind mindestens 14 Tage lang zu behandeln. Nach dem Abklingen der klinischen Anzeichen und Symptome der Infektion sollte die antimykotische Therapie noch mindestens eine Woche lang fortgesetzt werden. Zur Prophylaxe von Candida-Infektionen sollte Micafungin nach Normalisierung der Neutrophilenzahl noch mindestens eine Woche lang verabreicht werden.

Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.

Nebenwirkungen: Thrombozytopenie, Leukopenie, Neutropenie, Anämie; Tachykardie; Hypokaliämie, Hypomagnesämie, Hypokalzämie; Kopfschmerzen; Phlebitis, Hypertonie, Hypotonie; Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Bauchschmerzen; Hyperbilirubinämie, Hepatomegalie, erhöhte alkalische Phosphatase, erhöhte Aspartataminotransferase, erhöhte Alaninaminotransferase, erhöhtes Bilirubin (einschließlich Hyperbilirubinämie), abnormer Leberfunktionstest; Hautausschlag; akutes Nierenversagen, Harnstoff im Blut erhöht; Fieber, Schüttelfrost.

Wechselwirkungen: Patienten, die Sirolimus, Nifedipin oder Itraconazol in Kombination mit Micafungin erhalten, sind auf eine toxische Wirkung dieser Substanzen zu überwachen, bei Bedarf ist deren Dosierung zu reduzieren.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Die Leberfunktion muss während der Behandlung mit Micafungin sorgfältig kontrolliert werden; wenn die ALT/AST-Werte signifikant und dauerhaft erhöht sind, sollte Micafungin abgesetzt werden. Bei der Anwendung von Micafungin kann es zu anaphylaktoiden Reaktionen bis hin zum Schock kommen. Unter der Behandlung mit Micafungin wurde selten über Hämolyse einschließlich akuter intravasaler Hämolyse oder hämolytischer Anämie berichtet. Micafungin kann Nierenprobleme, Niereninsuffizienz und abweichende Werte bei Nierenfunktionstests verursachen.

Zur Prophylaxe und Therapie

Micafungin entfaltet eine fungizide Wirkung gegen die meisten Candida-Spezies und ist aktiv gegen wachsende Hyphen von Aspergillus-Spezies. Wie bei allen antimikrobiellen Wirkstoffen sind Fälle verminderter Empfindlichkeit und Resistenz bekannt, eine Kreuzresistenz mit anderen Echinocandinen kann nicht ausgeschlossen werden.

Die Dosierung von Micafungin hängt von Indikation und Körpergewicht des Patienten ab und liegt zwischen 40 und 200 mg täglich.

Micafungin ist indiziert bei Erwachsenen, Kindern (einschließlich Neugeborenen), Jugendlichen ab 16 Jahren und älteren Patienten zur intravenösen Behandlung einer invasiven Candidose und zur Prophylaxe von Candida-Infektionen bei Patienten, die sich einer allogenen, hämatopoetischen Stammzelltransplantation unterziehen oder wenn eine Neutropenie (absolute Neutrophilenzahl 5500/μl) von mindestens zehn oder mehr Tagen zu erwarten ist. Zur Behandlung einer ösophagealen Candidose sollte es nur bei Jugendlichen über 16 Jahren und Erwachsenen eingesetzt werden.

Micafungin und seine Metaboliten werden vor allem im Stuhl und nur zu einem geringen Teil im Urin ausgeschieden. Die mittlere terminale Halbwertzeit beträgt zehn bis 17 Stunden. Die Behandlung von Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz wird nicht empfohlen.

Gute Wirksamkeit

Bei Candidämie und invasiver Candidose war Micafungin (100 mg/Tag oder 2 mg/kg/Tag) in einer randomisierten, multinationalen, doppelblinden Nicht-Unterlegenheits-Studie ebenso wirksam und besser verträglich als liposomales Amphotericin B (3 mg/kg) als Mittel der ersten Wahl. Insgesamt 531 Patienten mit Candidämie und invasiver Candidose erhielten entweder Micafungin (100 mg pro Tag) oder liposomales Amphotericin B (3 mg/kg Körpergewicht pro Tag). Die Erfolgsrate war mit 89,6% in beiden Gruppen gleich hoch. Die Effektivität der Behandlung war dabei unabhängig vom Infektionsort und Immunstatus der Patienten. Allerdings verursachte Micafungin weniger Nebenwirkungen als liposomales Amphotericin B, unter dem es zu einer Verschlechterungen der Nierenfunktion sowie Fieber und Schüttelfrost während der Infusion kam.

In einer randomisierten Doppelblindstudie zum Vergleich von Micafungin (mediane Tagesdosis 150 mg) mit Flucon-azol (mediane Tagesdosis 200 mg) mit 518 Patienten und einer medianen Behandlungsdauer von 14 Tagen waren am Behandlungsende 87,7% der Patienten in der Micafungin-Gruppe und 88,0% in der Fluconazol-Gruppe geheilt. In einer randomisierten, doppelblinden multizentrischen Studie erwies sich Micafungin im Vergleich zu Fluconazol bei der Prophylaxe von Pilzinfektionen bei Patienten mit hohem Risiko als wirksamer. Bei einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 18 bis 23 Tagen war der Behandlungserfolg für Micafungin statistisch signifikant höher als für Fluconazol (1,6% vs. 2,4% Infektionsdurchbruch). In den Behandlungsgruppen der Studien waren die Art und Inzidenz der unerwünschten Reaktionen vergleichbar.

Gefahr von Leberschäden

Dem Sicherheitsprofil von Micafungin liegen die Daten von 3028 Patienten zugrunde, die im Rahmen klinischer Studien mit Micafungin behandelt wurden. Insgesamt kam es bei 32,2% der Patienten zu Nebenwirkungen. Am häufigsten waren Übelkeit (2,8%), erhöhte alkalische Phosphatase im Blut (2,7%), Phlebitis (2,5%), Erbrechen (2,5%) und erhöhte Aspartataminotransferase (2,3%). Bei 8,6% der mit Micafungin behandelten Patienten kam es zu unerwünschten Wirkungen auf die Leber, die meistens leicht oder mäßig schwer waren. Bei einigen Patienten kam es zu schwereren Leberfunktionsstörungen, Hepatitis oder Leberversagen (einschließlich Todesfällen). Die Leberfunktion muss während der Behandlung mit Micafungin sorgfältig kontrolliert werden. Wenn die ALT/AST Werte signifikant und dauerhaft erhöht sind, sollte Micafungin abgesetzt werden.

Nach einer Behandlungsperiode von über drei Monaten traten bei Ratten Foci präneoplastischer Hepatozyten (foci of altered hepatocytes, FAH) und hepatozelluläre Tumore auf. Der vermutliche Schwellenwert für die Tumorentwicklung bei Ratten befand sich im Bereich der klinischen Exposition.

Wechselwirkungen beachten

Bei gleichzeitiger Anwendung von Mycophenolatmofetil, Ciclosporin, Tacrolimus, Prednisolon, Sirolimus, Nifedipin, Fluconazol, Ritonavir, Rifampicin, Itraconazol, Voriconazol und Amphotericin B ist eine Dosisanpassung von Micafungin nicht erforderlich. Bei Anwesenheit von Micafungin waren die Plasmaspiegel (AUC) von Itraconazol, Sirolimus und Nifedipin leicht erhöht (um 22%, 21% bzw. 18%).

Patienten, die Sirolimus, Nifedipin oder Itraconazol in Kombination mit Micafungin erhalten, sind auf eine toxische Wirkung dieser Substanzen zu überwachen, bei Bedarf ist deren Dosierung zu reduzieren.

Schwangerschaft und Stillzeit

In Tierstudien passierte Micafungin die Plazentabarriere und induzierte Reproduktionstoxizität. Micafungin darf in der Schwangerschaft nicht angewendet werden, es sei denn, dies ist unbedingt erforderlich.

In Tierstudien wurde Micafungin in die Muttermilch ausgeschieden. Ob Micafungin auch in die menschliche Muttermilch ausgeschieden wird, ist nicht bekannt. In Tierstudien wurde testikuläre Toxizität beobachtet. Micafungin kann die männliche Fertilität beim Menschen beeinträchtigen.

Quelle
 Fachinformation von Mycamine® , Stand Oktober 2008.
 Kuse E-R, Chetchotisakd P, Arns da Cunha C, et al: Micafungin versus liposomal amphotericin B for candidaemia and invasive candidosis: a phase III randomised double-blind trial Lancet 2007:369, 1519 – 27.

 

hel

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