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Wettbewerb ja! Aber …

Klaus G. Brauer

Zugegeben, es hätte für uns schlimmer kommen können in 2009. Die Lobby für Apothekenketten ist bei ihrem Versuch, über den Europäischen Gerichtshof das apothekenrechtliche Fremdbesitzverbot zu Fall zu bringen, krachend gescheitert. Europarecht lässt zu, was in vielen Ländern der EU (Frankreich, Italien, Spanien, Österreich etc.) nationalem Recht entspricht: dass nur Apotheker Eigner und Betreiber von Apotheken sein dürfen – nicht Berufsfremde, nicht Unqualifizierte, nicht Kapitalgesellschaften. Noch erfreulicher ist: Die Begründung des Urteils liest sich wie ein flammendes Plädoyer für freiberuflich geführte Apotheken in Europa.

Aber Vorsicht! Denn der nationale Gesetzgeber könnte trotz allem entscheiden, Apothekenketten zuzulassen. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Denn die neue Koalition hat sich in ihrer Koalitionsvereinbarung erfreulich klar festgelegt.

Aber schon ist erkennbar, dass die Kämpfer für Fremdbesitz nun ganz auf die nationale Karte setzten. Die Celesen und ihre Freunde antichambrieren bereits. Und sie finden Unterstützer – nicht zu knapp. Zuerst natürlich bei denen, die sich erhoffen, von einem Systemwechsel zu profitieren: Gesundheitskonzerne, Krankenhaus-, Drogerie- und Lebensmittelhandelsketten zum Beispiel. Aber auch all die, die bislang so grottenfalsch lagen in all ihren Prognosen, werden versuchen, in der nächsten Runde doch noch Recht zu bekommen. Ein großer Teil der Wirtschaftspresse gehört dazu, aber auch etliche Gesundheitsökonomen, Sachverständigenräte, die Monopolkommission, das Kartellamt und diverse selbsternannte Experten. Sie alle singen das hohe Lied vom Wettbewerb – befremdlicherweise allerdings nach Partituren der Konzerne.

Viele, die derzeit die Fahne für mehr Wettbewerb schwenken, übersehen, dass bei der derzeit noch sehr feingliedrigen Leistungserbringerstruktur unter Apothekern wie auch unter Ärzten sehr wohl ein beinharter Wettbewerb herrscht. Die Patienten können bei freier Apotheken- wie Arztwahl mit den Füßen abstimmen. Dabei sollte es bleiben.

Denn überall, wo sich im Gesundheitswesen oder in seinen Sektoren die Macht auf wenige Betreiberkonzerne konzentriert, geht dem Wettbewerb über kurz oder lang die Luft aus. Konzernen fällt es leicht, vereinzelte Leistungserbringer wegzubeißen. Im kalten Schatten der Konzerne ist es für Einzelkämpfer deshalb hochriskant, sich neu in den Markt zu wagen.

Derzeit, bei einem dezentral-freiberuflich organisierten Gesundheitswesen, hat kein Leistungserbringer die Garantie, dauerhaft mitspielen zu können. Das ist Wettbewerb. Anders sieht es aus, wenn systemrelevante Konzerne im Gesundheitswesen die Macht übernommen haben. Der Staat wird sie schützen und stützen müssen, wenn sie wanken. Der politische Druck dazu wird größer sein als selbst im Bankensektor. Das Kartellamt wird unter solchen Bedingungen zum zahnlosen Tiger. Vom Wettbewerb bleiben nur noch Ruinen.

Die Kritik am gegenwärtigen Apothekensystem fußt auf einem verkürzten Verständnis von Wettbewerb: Nur Preiswettbewerb sei wirklicher Wettbewerb. Für das Gesundheitswesen ist aber angemessen, dass Qualitätswettbewerb eine größere Rolle spielt. Preiswettbewerb induziert Versuche, über Mengensteigerung die notwendige Rendite zu sichern. Das ist gesundheits- und verbraucherpolitisch kontraproduktiv. Eine Politik, die im Gesundheitswesen dem Preiswettbewerb Vorrang einräumt, ist deshalb zynisch.

Der Wegfall geregelter Verbraucherpreise für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel gehört in diese Schublade. Dass sogar manche Apotheker inzwischen auf diese Karte setzen, ist kurzsichtig und zeugt von wenig Selbstbewusstsein. Preis – das können andere besser. Richtiger für uns Apotheker ist, den Abstand zu Playern in fremden Märkten zu vergrößern. Apotheken sollten auf ihr spezifisches Know-how setzen, darauf, was angrenzende Branchen, die mit dem Arzneimittelsektor liebäugeln, gerade nicht können. Natürlich müssen auch wir Prozesse optimieren und Kosten reduzieren. Ohne Abstriche an der Versorgungsqualität kann das nur gelingen, wenn Gefährdungen und Wettbewerbsperversionen, wie sie im Gefolge der Freigabe des Arzneiversandes entstanden sind, endlich der Boden entzogen wird. Versender und Pick-up-Stellen fahren munter Trittbrett und picken die Rosinen. Die Politik sollte wissen: Unter solchen Bedingungen werden die Apotheken vor Ort auf Dauer nicht mehr bereit und in der Lage sein, freiwillig und gratis zu leisten, was unverzichtbar ist: die schnelle Akutversorgung, der Notdienst, die persönliche Beratung und Zuwendung, die Versorgung mit Rezepturen und Problemarzneimitteln ... kurz: all das, was die Trittbrettfahrer nicht können und auch nicht wollen, weil es unbequem und teuer ist.

Es bleibt viel zu tun, auch im neuen Jahr.

Mit den besten Wünschen


Klaus G. Brauer

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