Arzneimittel und Therapie

Haloperidol oder Atypika bei erster schizophrener Episode?

In einer offenen, randomisierten Studie mit praxisorientierter Ausrichtung wurde die Wirksamkeit von Haloperidol im Vergleich zu Antipsychotika der zweiten Generation bei der Behandlung von ersten schizophrenen Episoden untersucht. Dabei brachen mehr Patienten, die Haloperidol eingenommen hatten, die Therapie vorzeitig ab als Patienten, die ein atypisches Antipsychotikum verordnet bekommen hatten. Eine positive Erwartungshaltung zugunsten der Atypika könnte allerdings das Ergebnis beeinflusst haben.

Antipsychotika der zweiten Generation, die als atypische Neuroleptika bezeichnet werden, gelten als bedeutender Fortschritt bei der Behandlung von Patienten mit Schizophrenie. Sie verursachen weniger motorische Nebenwirkungen und sollen sich durch eine bessere Wirksamkeit auszeichnen. Allerdings gibt es kaum Studien, in denen die Wirksamkeit atypischer Neuroleptika direkt mit der von Haloperidol verglichen wurde. Zudem ist die Generalisierbarkeit bisheriger Studien durch enge Einschlusskriterien limitiert. Aus diesem Grund wurde eine pragmatische Studie durchgeführt, die die Wirksamkeit von atypischen Antipsychotika mit der von Haloperidol bei Patienten mit ersten schizophrenen Episoden untersuchte. Der pragmatische Ansatz wurde gewählt, um möglichst eine direkte Übertragbarkeit der Ergebnisse in den praktischen Alltag zu ermöglichen (siehe Tab. 1).

Es handelt sich um eine zwölfmonatige randomisiert-kontrollierte Studie, die an 50 Zentren in 14 europäischen Ländern durchgeführt wurden. Von ursprünglich 1047 gescreenten Patienten wurden 498 Patienten, bei denen erstmalig eine schizophrene Episode diagnostiziert worden war, randomisiert entweder Haloperidol (Höchstdosis 4 mg) oder einem Antipsychotikum der zweiten Generation in definierter Dosierung (Amisulprid, Olanzapin, Quetiapin, Ziprasidon) zugeteilt. Eine Verblindung wurde nicht durchgeführt, so dass sowohl den Ärzten als auch den Patienten die jeweilige Medikation bekannt war. Primärer Endpunkt war der Behandlungsabbruch –unabhängig vom Grund des Abbruchs– bei Einnahme von Haloperidol im Vergleich zur Einnahme von Antipsychotika der zweiten Generation. Die Abbruchrate wird in der Praxis als entscheidender Faktor für einen Therapieerfolg angesehen. Für alle Therapieabbrüche wurde zusätzlich der Grund des Abbruchs dokumentiert. Während des zwölfmonatigen Beobachtungszeitraums beendeten deutlich mehr Patienten in der Haloperidol-Gruppe (n = 63, 72%) vorzeitig die Behandlung als Patienten der anderen Behandlungsgruppen (siehe Tab. 2). Nach den Ergebnissen der statistischen Analyse war das Risiko für einen Behandlungsabbruch bei Patienten, die ein Antipsychotikum der zweiten Generation eingenommen hatten, im Vergleich zu Haloperidol signifikant niedriger. Bei der Verbesserung der Krankheitssymptomatik (sekundärer Endpunkt, gemessen mittels PANSS-Skala) wurde allerdings kein Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen festgestellt.

Tab. 1: Kennzeichen von Studien mit pragmatischer Ausrichtung [Zwarenstein M, et al., 2008]
 Studie ohne pragmatische 
Ausrichtung
pragmatische Studie
FragestellungIst die Intervention wirksam?Ist die Intervention im praktischen Alltag wirksam?
Bedingungen"ideal" (gute Ressourcen, spezialisierte Zentren)praktischer Alltag
Teilnehmerhoch selektiert; Patienten mit schlechter Therapietreue oder Komorbiditäten werden häufig ausgeschlossenkeine oder kaum Selektion über die Indikation hinaus, die untersucht werden soll
Interventionstreng überwacht, Therapietreue wird engmaschig kontrolliertflexibel, wie im praktischen Alltag gehandhabt
Endpunktehäufig Surrogatmarker oder kurzfristige Verlaufsmessungendirekt relevant für Patienten, Gesellschaft, Geldgeber und im Gesundheitswesen Beschäftigte
Relevanz für die Praxis

indirekt:

Design der Studie nicht auf die Entscheidungsbelange im Praxisalltag abgestimmt

direkt:

Design der Studie ist auf die Entscheidungsbelange im Praxisalltag abgestimmt

Fazit

Die Aussagekraft der vorliegenden Studie ist durch das offene Studiendesign, das die Rekrutierung eines repräsentativen Patientenkollektivs und eine praxisnahe Verordnungsweise ermöglichen sollte, eingeschränkt. Da die Studienmedikation nicht verblindet war, kann nicht von einer unvoreingenommenen Beurteilung der Therapie durch Ärzte und Patienten ausgegangen werden. Auffallend ist, dass obwohl für Haloperidol "mangelnde Wirksamkeit" als häufigster Grund für einen Therapieabbruch genannt wurde, diese schlechtere Wirksamkeit von Haloperidol gegenüber Atypika mittels PANSS-Skala, mit der die verschiedenen Symptome einer Schizophrenie erfasst werden, nicht bestätigt wurde. Daher ist die Frage, ob Atypika bei ersten schizophrenen Episoden gegenüber älteren Antipsychotika hinsichtlich ihrer klinischen Wirksamkeit vorteilhaft sind, auch nach der vorliegenden Studie nicht eindeutig zu beantworten.

Tab. 2: Therapieabbrüche in den jeweiligen Behandlungsgruppen
 

Haloperidol

(n = 103)

Amisulprid

(n = 104)

Olanzapin

(n = 105)

Quetiapin

(n = 104)

Ziprasidon

(n = 82)

Therapieabbrüche gesamt72%40%33%53%45%
Monate (n) bis zum Abbruch 
(95%-KI)
0,5 (0,5-0,9)5,3 (3,0-12+)6,3 (3,7-12+)1,2 (0,7-2,0)1,1 (0,8-8,2)
Therapieabbruch wegen 
mangelnder Wirksamkeit
48%14%14%40%26%
Therapieabbruch wegen 
unerwünschter Wirkungen
20%20%6%3%14%
Therapieabbruch wegen 
mangelnder Compliance
30%13%17%19%14%

Quelle
 Kahn RS, et al. Effectiveness of antipsychotic drugs in first-episode schizophrenia and schizophreniform disorder: an open randomised clinical trial. Lancet 2008; 371: 1085-1097.

 Rosenheck RA.: Pharmacotherapy of first-episode schizophrenia. Lancet 2008; 371: 1048-1049.

 Zwarenstein M, et al.: Improving the reporting of pragmatic trials: an extension of the CONSORT statement. BMJ 2008; 337: a2390.

 


Apothekerin Dr. Birgit Schindler

 

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