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In kleinen Schritten

Peter Ditzel

Die neue Bundesregierung ist noch keine 100 Tage alt. Der erste Minister wurde bereits ausgewechselt (Jung). In der Gesundheitspolitik soll es dagegen vorangehen – aber "in kleinen Schritten", wie Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) in einem Interview mit dem Deutschlandradio erklärte. Er hat sich viel vorgenommen. Er ist der erste Freidemokrat, der dieses Ressort führt – und das, nachdem das Gesundheitsministerium fast neun Jahre lang unter sozialdemokratischer Führung war. Das bedeutet: Rösler wird den Kurs ändern. Freidemokratisch ist nun mal etwas anderes als sozialdemokratisch. Röslers Hauptziel: eine Umstellung der Finanzierung der Krankenversicherung auf einkommensunabhängige Prämien. Der Arbeitgeberbeitrag soll eingefroren, der Arbeitnehmerbeitrag davon abgekoppelt und auf eine einheitliche Prämie für alle umgestellt werden.

Diese Umstellung krempelt unser GKV-Finanzierungssystem tüchtig um. Mit Widerstand ist zu rechnen, sogar innerhalb der Koalition. So hat CSU-Chef Horst Seehofer bereits seine Kritik daran geäußert. Doch Rösler zeigt sich zuversichtlich. Er baut auf die Unterschriften im Koalitionsvertrag, mit dem dieser Umbau unter CDU/CSU und FDP vereinbart worden sei. Daher kann er sich auch keinen wirklichen Widerstand von Seiten der CSU vorstellen.

Rösler sieht in der Umstellung ganz klar eine Verbesserung unseres Systems. Die demografische Entwicklung und der medizinisch-technische Fortschritt erforderten den Umbau, wenn man die hochwertige Qualität unseres Gesundheitssystems erhalten wolle. Dies sei eine sachliche Notwendigkeit, um zu Verbesserungen im System zu kommen. Warum er davon überzeugt ist, erläutert Rösler. Die Entkoppelung der Krankenversicherungskosten von den zu hohen Lohnzusatzkosten soll helfen, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Und ein einkommensunabhängiger Beitrag könnte nach Rösler dazu beitragen, mehr Gerechtigkeit herzustellen. Damit eine Sekretärin letztlich den gleichen Beitrag bezahlen kann wie ein Bankdirektor, muss ein Sozialausgleich stattfinden, der über das Steuersystem stattfindet. Wie Prämie und Sozialausgleich im Einzelnen aussehen können, wird Aufgabe einer Reformkommission im nächsten Jahr sein. Ob es allerdings funktioniert, die für den Sozialausgleich notwendigen Gelder aufzutreiben, wird die große Frage der Koalition bleiben. Denn: zunächst sollen die Steuern gesenkt werden (wie vor der Wahl versprochen). Dies soll Wachstumsimpulse auslösen, die Wirtschaft zum Blühen bringen, was wiederum für mehr Steuereinnahmen sorgen soll, um die Steuersenkungen zu finanzieren. Wenn das mal gut geht.

Auf mehr Markt setzt Rösler bei den Arzneimittelpreisen. Die Kosten-Nutzen-Diskussion sei seiner Ansicht nach schon in Ordnung, aber die Frage sei, ob das nicht ein Stück weit der Markt selber regeln könne. Wie das geschehen soll, das ließ er allerdings offen.

Als Liberaler steht er natürlich zum freien Wettbewerb auch im Gesundheitswesen. Rösler sagt aber deutlich, dass es Wettbewerbsfreiheit und freien Wettbewerb nie ohne Verantwortung geben kann. Für das Gesundheitssystem heißt dies – und das hört man als Apotheker mit Freude: es gibt hier Unterschiede zu anderen marktwirtschaftlich geordneten Systemen. Das Gesundheitswesen ist eben kein Markt wie der Automobilmarkt oder wie eine Bäckerei, so Rösler. Hier liegt man nicht falsch, wenn man heraushört, dass er nach wie vor zum Fremd- und Mehrbesitzverbot steht und zur Abschaffung der Pick-up-Stellen, was übrigens auch im Koalitionsvertrag verankert ist.

Die Krankenversicherung ist eine Solidargemeinschaft und deswegen muss hier das Prinzip der Solidarität gelten – darauf will sich Rösler bei allen seinen Maßnahmen in den nächsten Jahren beziehen.

Auch bei den Rabattverträgen will er genau hinsehen, ob ein fairer Wettbewerb noch funktioniert, ob nicht einer der Marktakteure womöglich eine zu große Marktmacht hat. Notfalls soll hier auch das Wettbewerbs- und Kartellrecht genauer hinsehen.

Auf die Frage, ob es denn konkret auch Einsparungen im Gesundheitswesen geben solle, äußerte sich Rösler zurückhaltend. Einfach die Preise senken und von oben vorgeben, entspricht nicht dem Prinzip einer sozialen Marktwirtschaft. Die Preise sollen sich am Markt entwickeln. Dazu braucht man souveräne, selbstständige Marktteilnehmer und klare Marktregeln. Man habe daher auch im Koalitionsvertrag vereinbart, dass das Kartell- und Wettbewerbsrecht eine wesentliche Rolle spielen soll gerade bei den Arzneimitteln und Arzneipreisen.

Was liest man als Apotheker aus Röslers Äußerungen? Er hält am Koalitionsvertrag fest, steht zum Fremd- und Mehrbesitzverbot, er will einen fairen Wettbewerb unter den Marktteilnehmern und setzt auf die Kraft der sozialen Marktwirtschaft, die auch bei der Regelung der Arzneimittelpreise greifen soll, wobei er allerdings anerkennt, dass das Arzneimittel eine Ware der besonderen Art ist. Die Veränderungen kommen in kleinen Schritten – was wir konkret in 2010 erwarten dürfen, bleibt offen.


Peter Ditzel

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