Arzneimittel und Therapie

Vinca-Alkaloid Vinflunin gegen Harnblasenkrebs

Vinflunin (Javlor®) ist ein neues Vinca-Alkaloid, das zur Behandlung von Harnblasenkrebs eingesetzt wird. Die Substanz ist zur Monotherapie zur Behandlung erwachsener Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Übergangszellkarzinom des Urothels nach Versagen einer platinhaltigen Therapie zugelassen.

Der Harnblasenkrebs ist die fünfthäufigste bösartige Tumorerkrankung des Menschen. Männer sind dreimal so häufig betroffen wie Frauen. Jährlich erkranken 30 von 100.000 Männern neu, das Durchschnittsalter liegt zwischen 65 und 70 Jahren.

Symptom: Blut im Urin

Ein Blasenkrebs entsteht, wenn sich regelmäßig karzinogene Substanzen wie aromatische Amine im Harn befinden und dadurch in intensiven Kontakt mit der Innenauskleidung der Harnblase, dem Urothel, kommen. Ein Übergangszellkarzinom des Urothels kann die Schleimhaut der Harnblase und des restlichen Harntrakts befallen. Der wichtigste Risikofaktor für einen Blasenkrebs ist das Zigarettenrauchen, dabei steigt das Risiko mit dem Tabakkonsum. Aber auch zahlreiche Berufe führen zum Kontakt mit karzinogenen Stoffen. Davon betroffen sind Arbeiter in der Chemie-, Stahl- und Lederindustrie, Automechaniker sowie Zahntechniker und Friseure. Ein hoher Gesamtverzehr von Obst hat statistisch einen leicht schützenden Effekt. Das klassische Symptom im Frühstadium eines Blasenkarzinoms ist die Beimengung von Blut im Urin. Normalerweise treten dabei keine Schmerzen auf. Im Spätstadium kann ein großer Tumor den Blasenaus- oder -eingang verlegen und zu einer Harn- oder Nierenstauung führen, was mit Schmerzen im Bereich der Harnblase oder den Flanken verbunden ist. Bei der Erstdiagnose wird zu rund 75% ein oberflächliches Karzinom gefunden, in 20% der Fälle ist es invasiv, und in 5% liegen bereits Metastasen vor. Die Aussicht auf Heilung hängt davon ab, in welchem Stadium der Tumor entdeckt wurde, die 5-Jahres-Überlebensrate liegt zwischen 20 und 80%. Behandelt wird Harnblasenkrebs durch die chirurgische Entfernung des Tumors oder sogar der gesamten Blase und/oder mit einer lokalen oder systemischen Chemotherapie.

Vinflunin verhindert die Mitose

Vinflunin ist ein neues halbsynthetisches Vinca-Alkaloid. Es ist zur Monotherapie bei fortgeschrittenem oder metastasierendem Übergangszellkarzinom des Urothels bei erwachsenen Patienten indiziert, wenn eine Behandlung mit Cisplatin versagt hat. Vinca-Alkaloide wie Vinflunin wirken als Spindelgifte. Sie binden an ein Zellprotein, das Tubulin. Tubulin wird zur Bildung des Zytoskeletts benötigt, das die Zellen bei der Teilung aufbauen müssen. Vinca-Alkaloide verhindern die Polymerisation von Tubulin zu Mikrotubuli und hemmen damit den Aufbau des Spindelapparats, der für den Stofftransport in der Zelle unverzichtbar ist und auch für den Aufbau der Kernspindeln benötigt wird und stoppen so die Zellteilung, die Mitose, in der Metaphase. Außerdem induzieren Vinca-Alkaloide den programmierten Zelltod, die Apoptose und blockieren die DNA- und RNA-Synthese. Dadurch verhindern sie Teilung und Ausbreitung der Krebszellen.

Vinflunin wird in einer Dosierung von 320 mg Vinflunin/m2 Körperoberfläche als 20-minütige ausschließlich intravenöse Infusion alle drei Wochen eingesetzt. In klinischen Studien konnte Vinflunin das progressionsfreie Überleben statistisch signifikant um 1,5 Monate verlängern. Das mediane Gesamtüberleben betrug unter der Vinflunin-Therapie 6,9 Monate und unter der Vergleichstherapie 4,6 Monate, wobei der Unterschied jedoch keine statistische Signifikanz erreichte.

Störungen des Blutbilds

Da Vinca-Alkaloide unspezifisch alle sich schnell teilenden Zellen angreifen, kommt es zu zahlreichen Nebenwirkungen. Dazu gehören Störungen der Schleimhäute von Mund und Darm mit gastrointestinalen Nebenwirkungen, Haarausfall und Blutbildveränderungen. Die häufigsten Nebenwirkungen in den beiden Phase-II-Studien und in einer Phase-III-Studie bei Patienten mit Übergangszellkarzinom des Urothels (450 mit Vinflunin behandelte Patienten) waren hämatologische Störungen, und gastrointestinale Störungen. Vor jeder neuen Vinflunin-Anwendung sollte eine ausführliche hämatologische Kontrolle erfolgen, und die Dosis sollte gegebenenfalls reduziert werden. Patienten, bei denen die Zahl der Neutrophilen und der Thrombozyten zu niedrig ist (Neutrophilenzahl unter 1500/mm3 und Thrombozytenzahl unter 100.000/mm3), und Patienten mit schweren Infektionen dürfen Vinflunin nicht erhalten.

Obstipation muss behandelt werden

Alle Vinca-Alkaloide führen zu Obstipation, peripheren sensorischen Neuropathien und kardialen Wirkungen. Auch unter der Behandlung mit Vinflunin traten in klinischen Studien bei 15% der behandelten Patienten schwere Obstipationen auf. Zur Prophylaxe eignen sich Laxanzien und diätetische Maßnahmen inklusive einer oralen Hydratation. Patienten mit hohem Obstipationsrisiko, zum Beispiel durch eine Begleittherapie mit Opiaten, sollten nach jeder Vinflunin-Anwendung einmal täglich morgens vor dem Frühstück Macrogol erhalten. Dauert die Obstipation länger als fünf Tage an oder ist sie sehr schwer, kann eine Erniedrigung der Vinflunin-Dosis erforderlich werden. Zu Myokardinfarkten oder -ischämien kam es in den klinischen Studien unter der Therapie mit Vinflunin bei 0,6% der Patienten; die meisten betroffenen Patienten hatten vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankungen oder wiesen entsprechende Risikofaktoren auf. hel

 

Quelle

Fachinformation von Javlor® , Stand Oktober 2009.

Steckbrief: Vinflunin

Handelsname: Javlor
Herstellung/Vertrieb: Pierre Fabre Pharma, Freiburg
Einführungsdatum: 1. November 2009
Zusammensetzung: 1 ml Konzentrat enthält 25 mg Vinflunin (als bis[(R,R)-tartrat]). Andere Bestandteile: Wasser für Injektionszwecke.
Packungsgrößen, Preise und PZN: 1 Durchstechflasche mit 2 ml Konzentrat, 333,15 Euro, PZN 5376371; 1 Durchstechflasche mit 10 ml Konzentrat, 1623,89 Euro, PZN 5376419.
Stoffklasse: Zytostatika; Vinca-Alkaloid. ATC-Code: L01CA05.
Indikation: Zur Monotherapie bei fortgeschrittenem oder metastasierendem Übergangszellkarzinom des Urothels bei erwachsenen Patienten, nach Versagen einer Cisplatin-haltigen Behandlung.
Dosierung: 320 mg Vinflunin/m2 Körperoberfläche als 20-minütige ausschließlich intravenöse Infusion alle drei Wochen, muss bei Leber- und Nierenfunktionsstörungen oder bei Toxizität entsprechend angepasst werden.
Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder andere Vinca-Alkaloide; kürzlich aufgetretene (in den letzten zwei Wochen) oder akute schwere Infektionen; Zahl der Neutrophilen unter 1500/mm3 oder Zahl der Thrombozyten unter 100.000/mm3 , Stillzeit.
Nebenwirkungen: Sehr häufig: Neutropenie, Leukopenie, Anämie, Thrombozytopenie; Anorexie; periphere sensorische Neuropathie; Obstipation, Schmerzen im Abdomen, Erbrechen, Übelkeit, Stomatitis, Diarrhö; Alopezie; Myalgie; Asthenie/Müdigkeit, Reaktionen am Applikationsort, Pyrexie; Abnahme des Körpergewichts. Häufig: febrile Neutropenie; neutropenische Infektion, Infektionen (viral, bakteriell, Pilze); Überempfindlichkeit; Dehydratation; Insomnie; Synkope, Kopfschmerzen, Benommenheit; Ohrenschmerzen; Tachykardie; Hypertension, Venenthrombose, Hypotension; Dyspnö, Husten; Ileus, Dyspepsie; Hautreaktionen, Pruritus, Hyperhydrosis; Arthralgie, Rückenschmerzen, Kieferschmerzen, Muskelschwäche, Extremitätenschmerz, Knochenschmerzen; Brustschmerzen, Schüttelfrost, Schmerzen, Ödeme; Zunahme des Körpergewichts.
Wechselwirkungen: Vinflunin sollte nicht in Kombination mit starken CYP3A4-Inhibitoren oder Induktoren angewandt werden, da diese Wirkstoffe die Konzentrationen von Vinflunin und seines Metaboliten erhöhen oder erniedrigen können. Vinflunin kann das QT-Intervall verlängern; die Anwendung von Vinflunin zusammen mit anderen das QT/QTc-Intervall verlängernden Wirkstoffen sollte vermieden werden. Eine kombinierte Therapie mit Vinflunin und pegyliertem/liposomalem Doxorubicin sollte nur unter großer Vorsicht erfolgen. Die gleichzeitige Anwendung von Opiaten kann das Obstipations-Risiko erhöhen.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Vor jeder neuen Vinflunin-Anwendung sollte eine ausführliche hämatologische Kontrolle erfolgen. Da Vinflunin das QT-Intervall verlängern kann, sollte es bei Patienten mit gesteigertem Risiko für Herzrhythmusstörungen unter erhöhter Vorsicht angewendet werden. Patienten mit einem Myokardinfarkt, einer Myokardischämie oder Angina pectoris in der Vorgeschichte sollten Vinflunin nur unter erhöhter Vorsicht erhalten, weil ischämische Zwischenfälle am Herzen auftreten können. Patienten sollten nicht am Verkehr teilnehmen oder Maschinen bedienen, wenn sie irgendeine Nebenwirkung bemerken, die ihre Fähigkeiten, diese Aktivitäten auszuführen, beeinflussen könnte.
Vinflunin

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