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Familienförderung: Die Schere öffnet sich weiter

Das geplante Wachstumsbeschleunigungsgesetz soll Familien durch eine Erhöhung des Kindergeldes bzw. des steuerlichen Kinderfreibetrags entlasten. Davon werden Familien mit hohem Einkommen stärker profitieren als Normal- und Geringverdiener.

Am 12. November wurde der Gesetzentwurf, mit dem Union und FDP die Wirtschaftskrise schnell bekämpfen wollen, in erster Lesung im Bundestag diskutiert. Nicht nur von der Opposition, sondern auch von vielen Experten werden die Neuregelungen als ineffektiv, riskant und/oder unsozial kritisiert. So bekommen Hartz-IV-Empfänger gar nichts, denn das Kindergeld wird bei ihnen von der Leistung abgezogen. Außerdem drohen Löcher in den Kassen der Länder und Kommunen sowie eine steigende Neuverschuldung des Bundes, die die Lasten der künftigen Generationen erhöhen.

Vorwurf: Klientelpolitik

Auf vielfache Kritik stößt neben den sozial unausgewogenen Plänen zur Familienentlastung unter anderem auch die Senkung der Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen, die auf Wunsch der CSU schon in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden war. Hier wären die lebensnotwendigen Arzneimittel viel sinnvollere Kandidaten – und eine Reduzierung würde zudem die gesetzlichen Krankenkassen entlasten.
Dr. Sigrid Joachimsthaler

Kommentar

Sparen mit Arzneimitteln: Mehrwertsteuer reduzieren!

In ihrem Koalitionsvertrag hat die Regierung angekündigt, Benachteiligungen bei den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen durch eine Kommission prüfen zu lassen. Doch statt einer systematischen Prüfung sollen nun auf die Schnelle neue Ausnahmetatbestände geschaffen werden. Dabei wurde bei den Hotelübernachtungen schon jetzt durch Umfragen deutlich, dass die Steuerentlastung nicht an die Verbraucher weitergegeben würde.
Arzneimittel sind – im Gegensatz zu Hotelübernachtungen – tatsächlich ähnlich lebenswichtig wie Grundnahrungsmittel. Hier ist eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf 7% schon lange überfällig und würde die gesetzlichen Krankenkassen und damit die Versicherten schnell und spürbar entlasten.*
Damit kann gleichzeitig ein zweites Ziel der Koalitionsvereinbarung umgesetzt werden, nämlich die Finanzlöcher im Gesundheitsfonds durch Einsparungen bei Arzneimitteln zu stopfen – und zwar ganz ohne Einschnitte bei der Qualität der Arzneimitteltherapie!
Tanja Kratt ADEXA, Zweite Vorsitzende

* ADEXA hat in einem Schreiben an die Politiker für den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel plädiert.

Kommentar

Indirekte Förderung schafft mehr Nutzen

Als Gewerkschaft, die in ganz überwiegendem Maße Frauen vertritt, begrüßt ADEXA generell Maßnahmen zur Förderung insbesondere von einkommensschwachen Familien und zur Bekämpfung von Kinderarmut. Doch können wir in den geplanten Neuregelungen weder das eine noch das andere erkennen. Vielmehr werden Familien umso stärker entlastet, je höher ihr Einkommen und je geringer damit ihr tatsächlicher Bedarf ist. Dagegen werden Familien, die auf Hartz IV angewiesen sind, von der Kindergelderhöhung überhaupt nicht profitieren. Das verschärft die Schere zwischen Kindern aus armen und reichen Familien und ist sozialpolitisch nicht vertretbar! Selbst die erhoffte konjunkturfördernde Wirkung wird dadurch infrage gestellt, denn je höher das Einkommen der Familien, desto eher wird das zusätzliche Geld nicht konsumiert, sondern gespart werden.
Eine indirekte Förderung von Familien und Kindern durch den Ausbau der kostenlosen und qualifizierten Kinderbetreuung, von Nachhilfe- und Bildungsangeboten sowie von gesunden Mahlzeiten für Schul- und Kindergartenkinder hält ADEXA für wesentlich sinnvoller. So würde das Geld wirklich bei den Kindern ankommen, die es nötig haben, und hätte auch gesundheitsfördernde und -erziehende Wirkung. Eine Förderung in diesen Bereichen würde zudem nachfolgende Kosten für die Allgemeinheit, beispielsweise durch ernährungsbedingte Erkrankungen oder mangelnde Bildung, kompensieren. Wir appellieren an die verantwortlichen Politiker*, das Gesetz entsprechend sozialverträglich nachzubessern und eine Anrechnung des Kindergeldes bei Hartz-IV-Empfängern zu stoppen.
Barbara Neusetzer

ADEXA, Erste Vorsitzende

* ADEXA hat vor der ersten Lesung des Gesetzes ein entsprechendes Schreiben verschickt.

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