Praxis

Impfprophylaxe: Beratung in der Apotheke

Das Beispiel Mecklenburg-Vorpmmerns

Von Jörg Fuchs

Mecklenburg-Vorpommern zählt zu den Bundesländern mit den höchsten Impfraten in Deutschland [1, 2]. Diese Tatsache beruht teilweise auf der besseren Impfakzeptanz der Bewohner in den neuen Bundesländern, ist aber auch ein Verdienst der dort verantwortlichen Fachkreise. Während in anderen Bundesländern noch diskutiert wurde, wie die Kostenerstattung der Impfungen gemäß den neuen Impfempfehlungen der STIKO erfolgen soll, gelang es in Mecklenburg-Vorpommern, zügig geeignete Lösungen zur Umsetzung zu finden.

Impfberatungsaktion in der Apotheke Ein wichtiger Beitrag zur Steigerung der Impfraten.
Foto: Jörg Fuchs

Infolge des G-BA-Beschlusses im Jahr 2007 sollte nun die Kostenerstattung der von der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfohlenen Impfungen besser geregelt sein [3].

Nach diesem wichtigen Schritt sollte man jedoch nicht auf dem erreichten Niveau stehen bleiben, denn jederzeit können Krankheitserreger eingeschleppt werden, die momentan nur vereinzelt oder nicht mehr vorkommen. Das zeigen die Masernfälle Anfang 2008 [4].

Um die Impfraten zu steigern und die Bevölkerung über die Impfempfehlungen zu informieren, hatte die Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2007 eine Impfberatungsaktion initiiert. Dabei wurde sie tatkräftig von der Abteilung Gesundheit des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern unterstützt.

Impfberatungsaktion

Wie vor den Impfberatungsaktionen in Thüringen [5] und Brandenburg im Jahr 2005, erfolgte auch in Mecklenburg-Vorpommern vor der Aktion eine intensive Fortbildung der Apothekenmitarbeiter. Diese bestand aus zwei Modulen, die beide von mindestens einem pharmazeutischen Mitarbeiter absolviert werden mussten, damit die Apotheke die Teilnahmeberechtigung zur Beratungsaktion erhielt.

Die Impfberatungen wurden mithilfe des Impf-Check-Programms auf Basis der im Juli 2006 veröffentlichten STIKO-Impfempfehlungen [6] und der seit März 2007 empfohlenen Impfung gegen humane Papillomaviren durchgeführt [7]. Jeder beratene Patient erhielt vom pharmazeutischen Personal eine schriftliche Zusammenfassung über die wichtigsten Beratungsinhalte:

  • Beurteilung des Impfschutzes,
  • Termine für Auffrischimpfungen,
  • Empfehlungen, welche Impfungen sich die Patienten vom Arzt geben lassen sollten.

Während des Aktionszeitraums vom 1. bis 31. Mai 2007 nutzten vor allem berufstätige Erwachsene die Impfberatung der Apotheken. Unter den 1164 Patienten, deren Impfdaten zur Auswertung verfügbar waren, betrug ihr Anteil 55,9%. Ein Drittel der beratenen Patienten war 60 Jahre oder älter. 10,4% waren unter 18 Jahre alt. Frauen (62,7%) ließen sich häufiger informieren als Männer.

Impfraten im Vergleich

Ein Vergleich Mecklenburg-Vorpommerns mit Thüringen und Brandenburg zeigt, dass die Impfraten in allen drei Bundesländern ähnlich waren (Tab. 1). Jedoch waren sie bei der Schutzimpfung gegen FSME in Mecklenburg-Vorpommern nur halb so hoch wie in Thüringen. Dies beruht vor allem darauf, dass in Thüringen – anders als in den beiden nördlichen Bundesländern – einige Kreise als FSME-Risikogebiete ausgewiesen sind [8].

Die Impflücken bestanden überwiegend in fehlenden oder unvollständigen Grundimmunisierungen. Bezogen auf alle Patienten mit Impfindikation, trat dieser Sachverhalt mit folgender Häufigkeit auf: Diphtherie: 27,8%, FSME: 64,4%, Poliomyelitis: 49,9%, Tetanus: 16,0%. Jedoch hatten zwei Drittel dieser Personen in den letzten zehn Jahren mindestens eine Impfung gegen Diphtherie und Tetanus erhalten.

Die Impflücken aufgrund fehlender Auffrischimpfungen bei ausreichenden Grundimmunisierungen waren seltener: Diphtherie: 13,6%, FSME: 19,3%, Poliomyelitis: 1,2%, Tetanus: 14,5%.

Von den 872 Patienten mit einer Indikation für eine Influenza-Impfung waren 45,8% gemäß ihrer Impfdokumente noch nie gegen Influenza geimpft worden, und weitere 14,2% hatten diese Impfung vor mehr als einem Jahr erhalten.

Durch den längeren Impfschutz der Pneumokokken-Schutzimpfung war der Anteil der mindestens einmal gegen Pneumokokken geimpften Patienten mit abgelaufenem Impfschutz wesentlich geringer (9,1%). Allerdings hatten 46,8% der Personen mit Indikation für eine Pneumokokken-Schutzimpfung diese noch nie erhalten.

Hepatitis A und B

Eine Schutzimpfung gegen Hepatitis A oder Hepatitis B benötigten 220 bzw. 357 Patienten. Die häufigsten Indikationsgründe waren die berufliche Gefährdung (Hepatitis A / B: n = 103 / 158) oder bestimmte Reiseziele (n = 129 / 95). Von den Patienten, bei denen eine Hepatitis-A- oder Hepatitis-B-Impfung indiziert war, wiesen nur 25,9% einen ausreichenden Impfschutz auf. Die häufigsten Impflücken bestanden in der fehlenden oder unvollständigen Grundimmunisierung (Hepatitis A / B: n = 152 / 176). In den übrigen Fällen hatten die Patienten zwar eine Grundimmunisierung, aber die letzte Impfung war vor mehr als zehn Jahren erfolgt. Einige Impfstoffhersteller geben zwar an, dass eine Auffrischung nach Grundimmunisierung nicht immer notwendig ist oder dass hierzu die Datenlage unzureichend ist. Jedoch sind die STIKO-Empfehlungen zu berücksichtigen. Laut STIKO-Empfehlungen besteht auch bei Kindern bis zum Alter von 17 Jahren eine Impfindikation gegen Hepatitis B [6]. Von den 117 Kindern hatten 47,9% einen ausreichenden Hepatitis-B-Impfschutz. Weitere 8,5% hatten zwar eine Grundimmunisierung, aber ihre letzte Impfung gegen Hepatitis B lag mehr als zehn Jahre zurück.

Keuchhusten

Jedes Kind ist gegen Keuchhusten zu impfen. Weiterhin empfiehlt die STIKO diese Impfung für

  • Frauen mit Kinderwunsch (n = 141),
  • Personen im Haushalt von Schwangeren sowie Säuglings- und Kleinkindbetreuer (n = 109),
  • Personen, die in Einrichtungen der Pädiatrie, Onkologie, in Kindergärten oder -heimen tätig sind (n = 25).

Von den 333 Patienten mit Impfindikation gegen Keuchhusten hatten nur 33,3% einen Impfschutz. Mit 54,3% waren die Kinder im Vergleich zu der Gesamtgruppe besser geschützt. Die Impflücken bei den Kindern beruhten darauf, dass

  • die seit 2006 zwischen dem 5. und 6. Lebensjahr notwendige Keuchhusten-Schutzimpfung [6] noch nicht umgesetzt war (23,3%),
  • die letzte Impfung gegen Keuchhusten über zehn Jahre zurücklag (4,3%) oder
  • keine Keuchhustenimpfung in den Impfnachweisen vermerkt war (18,1%).

Masern, Mumps und Röteln

Neben den Impfungen gegen Hepatitis B und Keuchhusten benötigen Kinder auch einen Impfschutz gegen Masern, Mumps und Röteln [6].

Zudem werden diese Schutzimpfungen auch Erwachsenen in Einrichtungen der Pädiatrie, Onkologie, in Kindergärten oder Kinderheimen empfohlen. Die Röteln-Schutzimpfung ist zusätzlich für ungeimpfte Frauen mit Kinderwunsch vorgesehen.

Die Impfraten waren bei den Personen mit Impfindikation wie folgt: Masern: 72,1% (n = 172), Mumps: 69,3% (n = 166), Röteln: 70,1% (n = 284). Obwohl Kinder mit 77,8 bis 79,5% die höchsten Impfraten hatten, waren diese geringer als bei anderen Erhebungen [1, 2].

Tab. 1: Impfraten von Patienten mit Impfindikation, die in Apotheken Mecklenburg-Vorpommerns, Thüringens [5] und Brandenburgs beraten wurden [6]
SchutzimpfungMecklenburg-VorpommernThüringenBrandenburg
Patienten*ImpfrateImpfrateImpfrate
Diphtherie1142+58,6%52,0%73,6%
FSME16616,3%32,2%23,1%
Influenza87240,0%38,3%56,1%
Pneumokokken51944,1%41,5%44,5%
Poliomyelitis1131+48,9%47,4%42,7%
Tetanus1147+69,5%63,1%74,9%
Patienten**1164 1756522

* mit Impfindikation (n) ** mit ausgewerteten Impfdaten (n) 
+ bei einigen Patienten fehlten Daten zur Auswertung

Stellenwert der Impfberatung

Sicher haben gesundheitsbewusste Menschen die Impfberatung überproportional häufig in Anspruch genommen. Unabhängig davon zeigte sich, dass größere Impflücken bestanden, insbesondere bei den neu beschlossenen Impfempfehlungen der STIKO.

Die Unwissenheit, welche Impfungen notwendig sind, ist eine Hauptursache für zu geringe Impfraten. Weiterhin vergessen viele Patienten, sich die benötigten Impfungen vom Arzt rechtzeitig verabreichen zu lassen [9]. Die oft vorgeschobene Impfmüdigkeit ist dagegen nur von geringer Bedeutung und wurde anhand der 2001 durchgeführten Befragung von 730 Personen mit 9% beziffert [10].

Medienkampagnen sind eine Möglichkeit, die Bevölkerung für Impfungen zu sensibilisieren. Kostengünstiger und erfolgversprechender ist jedoch die persönliche Beratung. Sehr wichtig ist dabei, dass der Patient eine schriftliche Zusammenfassung erhält, in der die noch benötigten Impfungen und die Termine der nächsten Auffrischimpfungen vermerkt sind (s. o.). So wurden 2003 die Impfraten von 312 Personen, die in einer Jenaer Apotheke mithilfe des vorgestellten Impf-Check-Programms beraten wurden, signifikant gesteigert [11] und waren zwei Jahre später im Vergleich zu den Ausgangswerten immer noch signifikant höher [5].

Schlussfolgerung

Es ist sinnvoll, die Apotheken intensiver in die Impfprävention einzubeziehen, weil

  • das pharmazeutische Personal für diese Aufgabe qualifiziert ist,
  • die Apotheken flächendeckend und für jeden Patienten gut erreichbar sind,
  • der Nutzen dieser Impfaufklärung mehrfach bestätigt wurde.

 

Literatur

[1] Reiter S. Ausgewählte Daten zum Impf- und Immunstatus in Deutschland. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 2004;47 (12):1144 –1150. 

[2] Poethko-Müller C, Kuhnert R, Schlaud M. Durchimpfung und Determinanten des Impfstatus in Deutschland – Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS). Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 2007;50:851– 862. 

[3] G-BA. Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Schutzimpfungen nach § 20d Abs. 1 SGB V (Schutzimpfungs-Richtlinie/SiR) in der Fassung vom 21. Juni 2007 / 18. Oktober 2007. BAnz 2007;(9):121.

[4] Littmann M. Masern: Zu einer Häufung in Mecklenburg-Vorpommern. Epidemiol Bull 2008;(13):104 –105.

[5] Fuchs J. Die große Impfberatung in Thüringens Apotheken. Pharm Ztg 2008;153 (35):58 – 63.

[6] Robert Koch-Institut. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut, Stand: Juli 2006. Epidemiol Bull 2006;(30):235–254.

[7] Robert Koch-Institut. Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) für Mädchen von 12 bis 17 Jahren – Empfehlung und Begründung. Epidemiol Bull 2007;(12):97–103.

[8] Robert Koch-Institut. FSME: Risikogebiete in Deutschland – Bewertung des örtlichen Erkrankungsrisikos. Epidemiol Bull 2007;(17):129 –135.

[9] Fuchs J. The provision of pharmaceutical advice improves patient vaccination status. Pharm Practice 2006;4(4):163 –167.

[10] Robert Koch-Institut. Teilnahme an Influenza- und Pneumokokken-Schutzimpfung – Bundesweite Querschnittsstudie zur Situation in der Saison 2001/2002. Epidemiol Bull 2002;(16):127–131.

[11] Fuchs J. Impfberatung in der Apotheke. Dtsch Apoth Ztg 2005;145 (11):57– 60. 

 


Autor

Dr. Jörg Fuchs,
 PAINT-Consult®,
Friedrich-Engels-Str. 19,
07749 Jena

 

 

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