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Die Virus-Welle rollt

Peter Ditzel

Nachdem noch vor ein paar Wochen in den öffentlichen Medien die Kritik an der Impfung gegen die Schweinegrippe dominierend war und die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich impfen zu lassen, auf nur zehn Prozent drückte, scheint sich jetzt das Blatt zu wenden. Die Grippe-Welle kommt ins Rollen. Von ersten Grippetoten in Deutschland ist die Rede, mittlerweile sollen es dreizehn sein. Rund 30.000 Menschen in Deutschland sollen bereits erkrankt sein. Das bringt den einen oder anderen zum Nachdenken, ob er nicht doch lieber Impfstoff und Adjuvanz in seinen Körper lässt als sich mit H1N1-Viren herumzuschlagen. War noch vor ein paar Wochen Panikmache vor dem Impfstoff das Medienthema, steht jetzt die Angst vor einer Infektion, die möglicherweise auch tödlich ausgehen kann, auf der Tagesordnung.

Aber bei den derzeit kursierenden Zahlen sollte man genau hinsehen: Wie viele Menschen tatsächlich in Deutschland mit H1N1 infiziert sind, lässt sich so genau gar nicht feststellen, da es keine Meldepflicht gibt. Außerdem ist nicht jeder mit dem Schweinegrippe-Virus infiziert, der hüstelt, fröstelt und erhöhte Temperatur hat. Und zu den Todesfällen: die meisten, die vermeintlich an der Grippe-Erkrankung gestorben sind, hatten Begleit- und Vorerkrankungen, ein geschwächtes Immunsystem und Superinfektionen. Man sollte bei dieser Diskussion außerdem nicht vergessen: Laut Statistischem Bundesamt sterben in Deutschland jährlich 7.000 bis 13.000 Menschen an Grippe.

Also, trotz nicht ausgeräumter Verunsicherung steigt derzeit die Impfbereitschaft. Aber an manchen Orten ist es gar nicht so einfach, sich impfen zu lassen. In Gesundheitsämtern soll es noch relativ wenige Probleme geben. Doch in vielen Städten und Gemeinden wird nur bei niedergelassenen Ärzten geimpft. Und so muss mancher Impfwillige das Telefonbuch abtelefonieren, um einen Arzt zu finden, der den Impfstoff bereit hält und der noch neun andere Impfwillige am gleichen Tag einbestellen kann. Denn ein Impfstofffläschchen enthält immer zehn Dosen, die an einem Tag aufgebraucht werden müssen. Inzwischen haben die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen Listen ins Internet gestellt, die impfbereite Ärzte ausweisen. Auch das Bundesgesundheitsministerium hat zusammen mit dem Paul-Ehrlich- und dem Robert Koch-Institut eine Internetseite ins Leben gerufen (neuegrippe.bund.de), die über die Schweinegrippe informiert und darüber, wie und wo man sich in einem Bundesland impfen lassen kann.

Bevor der Arzt impfen kann, muss er mit dem Impfstoff von der Apotheke beliefert worden sein. Und hier zeichnet sich in allen Bundesländern ein mehr oder weniger wirres Bild. In manchen Bundesländern scheint die Infrastruktur einigermaßen gut zu funktionieren. In anderen dagegen klagen Apotheken, nicht ausreichend Impfstoff vom Großhandel erhalten zu haben, um die Ärzte versorgen zu können. Knapp wird der Impfstoff derzeit in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Besonders chaotisch soll es in Bayern zugehen. Hier sollte es den Impfstoff nur in Dosen zu 500 Einheiten und nur auf Bezugsschein geben und gegen Bezahlung von rund 5000 Euro durch die Apotheken. Apotheken versuchten dann, miteinander zu kooperieren, um auch Apotheken mit einzubeziehen, die nur kleinere Mengen abnehmen konnten. Warum hat man eigentlich die Apotheken und Großhandlungen nicht von Anfang an mit in die Planung und Organisation mit einbezogen?

Eine weitere Schwierigkeit bei der Versorgung mit Impfstoff besteht darin, dass die Herstellerfirma zurzeit nur weniger Impfstoff ausliefern kann als zugesagt. Eine Umstellung im Herstellungsprozess soll hierfür verantwortlich sein. Erst voraussichtlich Ende November sollen die Verbesserungen bei der Ausbeute auch in den Liefermengen deutlich spürbar werden. Es stellt sich auch die Frage: Kam der Impfstoff nicht zu spät? Wäre es nicht sinnvoller gewesen, wenn er Anfang September ausgeliefert worden wäre?

Neben all diesen praktischen Unzulänglichkeiten geht die Diskussion in Fachkreisen um den sichersten Impfstoff und über mögliche Nachteile der Adjuvanzien weiter. Noch ungeklärt ist die Frage, ob Schwangere nun der Europäischen Zulassungsagentur trauen sollen und den auch für diese Personengruppe zugelassenen Impfstoff erhalten sollen oder ob sie auf die Ständige Impfkommission hören sollen, die von einem Impfstoff mit Adjuvanzien bei Schwangeren abrät. Doch in Deutschland stehen keine Alternativen zur Verfügung. Der Impfwillige oder sein Arzt kann nicht aus den bereits zugelassenen Impfstoffen auswählen, er muss nehmen, was der Staat für ihn vorgesehen hat.

Wie sieht die Impfbereitschaft unter Apothekerinnen und Apothekern aus? Unsere DAZ.online-Umfrage zeigte, dass sich die meisten, die bei der Umfrage mitgemacht haben, impfen lassen wollen oder bereits geimpft sind. Man wolle mit gutem Beispiel vorangehen, kein Infektionsträger sein, sich selbst im täglichen Kundenkontakt schützen – so die Antworten. Wer sich bereits hat impfen lassen, berichtete in der Regel nur von leichten Symptomen nach der Impfung und einer leichten Schwellung an der Einstichstelle.

Die Fachredaktionen beim Deutschen Apotheker Verlag standen der Impfung weitgehend kritisch gegenüber. Hier war die Impfbereitschaft noch gering. An den Schreibtischen der Redaktionsstuben bestand bisher noch wenig Gefahr – im Gegensatz zur Lage am HV-Tisch. Doch auch dies mag sich ändern.

Hoffen wir auf einen milden Verlauf und eine Verbesserung der Logistik.


Peter Ditzel

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