Arzneimittel und Therapie

Neuer DPP-4-Hemmer Saxagliptin eingeführt

Trotz einer Vielzahl an verfügbaren Therapieoptionen erreichen mehr als 50% der Typ-2-Diabetiker nicht die optimalen Blutzucker-Zielwerte. Dies hat zur Folge, dass viele Patienten unter schwerwiegenden Komplikationen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Erblindung oder Amputationen leiden. Neue antidiabetische Wirkansätze wie die DPP-4-Hemmung könnten künftig zu einer besseren Blutzuckerkontrolle beitragen. Mit Saxagliptin (OnglyzaTM) wurde der dritte DPP-4-Inhibitor zugelassen.
Saxagliptin

Saxagliptin gehört zur noch jungen Klasse der Inkretintherapeutika, die zurzeit Substanzen mit zwei verschiedenen Wirkprinzipien umfasst:

  • die Inkretinmimetika, die länger als die körpereigenen Inkretine (z. B. Glucagon-like Peptide 1, GLP-1) wirken (Exenatid, Liraglutid)
  • die Dipeptidyl-Peptidase-4(DPP-4)-Inhibitoren, die den Inkretin-Abbau blockieren und damit die Verfügbarkeit dieser Hormone erhöhen (Sitagliptin, Vildagliptin, Saxagliptin).

Inkretine wie das GLP-1 sind Peptidhormone, die nach Aufnahme von Kohlenhydraten im Gastrointestinaltrakt freigesetzt werden und die Insulin-Bildung und -Sekretion in den Betazellen des Pankreas stimulieren. Darüber hinaus hemmen sie die Glucagon-Bildung in den Alphazellen und die Gluconeogenese in der Leber und verzögern die Magenentleerung, wodurch Nährstoffe langsamer ins Blut gelangen und der Appetit vermindert wird. Inkretine wirken jedoch nur wenige Minuten, dann werden sie von DPP 4 abgebaut. Durch die Hemmung dieses Enzyms bleiben die Hormonwirkungen länger erhalten und der Blutzuckerspiegel kann stärker gesenkt werden.

Im Falle von Saxagliptin wird durch den Wirkstoff und seinen aktiven Hauptmetaboliten eine etwa 60-prozentige Hemmung von DPP 4 erreicht, die GLP-1-Spiegel steigen um den Faktor 1,5 bis 3.

DPP-4-Inhibitoren wie Saxagliptin wirken nahrungsabhängig, das heißt genau dann, wenn GLP-1 nach Kohlenhydrataufnahme ausgeschüttet wurde. Dies ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass das Hypoglykämierisiko der DPP-4-Inhibitoren nur minimal ist.

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Saxagliptin wurde in sechs Phase III-Studien mit insgesamt 4148 Patienten mit unterschiedlichen Dosierungen und in verschiedenen Kombinationen untersucht. Primärer Endpunkt dieser Studien war die Veränderung des HbA1c -Wertes über einen Zeitraum von 24 Wochen. Zu den sekundären Endpunkten zählten die Änderungen der prä- und postprandialen Glucosespiegel sowie der Anteil der Patienten, die zu Studienende einen HbA1c -Zielwert von < 7 aufwiesen. Die Studien ergaben, dass Saxagliptin in Kombinationen mit Metformin, Sulfonylharnstoffen oder Thiazolidindionen im Vergleich zu den Einzelsubstanzen den HbA1c -Wert durchschnittlich um 0,64 bis 0,94 senkte. Außerdem wurde unter allen Kombinationen eine signifikante Reduktion der prä- und postprandialen Glucosewerte erzielt. "Diese deutliche Verbesserung der Glucosetriade (dazu zählen neben dem HbA1c -Wert Nüchternblutzucker und postprandialer Blutzucker) eröffnet interessante Perspektiven hinsichtlich der Prävention von Folgeerkrankungen, zu deren Auftreten auch hohe prä- und postprandiale Glucosewerte maßgeblich beitragen", betonte Wolfgang E. Schmidt.

Die häufigsten unter Saxagliptin beobachteten Nebenwirkungen waren Infektionen der oberen Atemwege, Harnwegsinfektionen, Gastroenteritis, Sinusitis, Kopfschmerz und Erbrechen. Es zeigten sich keine unerwünschten Wirkungen auf Lipidparameter, Blutdruck oder Herzfrequenz sowie keine Hinweise auf ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Eine Gewichtszunahme sowie Hypoglykämien wurden unter der Gabe von Saxagliptin nur sehr selten beobachtet. Nach Ansicht von Schmidt ist daher bei Gabe von Saxagliptin mit einer deutlich höheren Compliance als bei Antidiabetika, bei denen diese unerwünschten Wirkungen häufiger auftreten, zu rechnen. Es zeigte sich außerdem, dass Saxagliptin bei Patienten mit leichter Niereninsuffizienz ohne Dosisanpassung angewendet werden kann.

Hypoglykämien und Demenz

Eine Hypoglykämie ist per Definition ein Blutzuckerwert unter 40 mg/dl (2,22 mmol/l). Ein bisher wenig untersuchter Zusammenhang ist der zwischen Hypoglykämie und Demenz. In einer kürzlich veröffentlichten retrospektiven Kohortenstudie1 mit mehr als 16.000 Typ-2-Diabetikern mit einem Alter über 65 Jahren fand man, dass das Risiko für eine Demenzentwicklung mit der Zahl schwerer Hypoglykämien steigt. Bei einer schweren Hypoglykämie war das relative Risiko für eine Demenz um 26%, nach zwei derartigen Zwischenfällen um 80% und nach drei Hypoglykämien um 94% erhöht.

1 Whitmer RA et al., JAMA 301:1565-1572 (2009)

Seit November verfügbar

Saxagliptin wurde unter dem Handelsnamen OnglyzaTM am 5. Oktober 2009 von der EU-Kommission in 27 EU-Ländern zugelassen und am 1. November 2009 in Deutschland eingeführt. Die empfohlene Dosierung bei Erwachsenen beträgt einmal täglich 5 mg. Die Einnahme sollte regelmäßig erfolgen, ist aber nicht an eine bestimmte Tageszeit gebunden und unabhängig von den Mahlzeiten.

Zurzeit ist Saxagliptin nur zur Kombinationstherapie zugelassen, und zwar:

  • in Kombination mit Metformin, wenn eine Metformin-Monotherapie, zusammen mit einer Diät und Bewegung, den Blutzucker nicht ausreichend kontrolliert.
  • in Kombination mit einem Sulfonylharnstoff bei Patienten, für die die Anwendung von Metformin ungeeignet erscheint, wenn eine Sulfonylharnstoff-Therapie, zusammen mit einer Diät und Bewegung, den Blutzucker nicht ausreichend kontrolliert.
  • in Kombination mit einem Thiazolidindion bei Patienten, für die die Anwendung eines Thiazolidindions geeignet erscheint, wenn eine Thiazolidindion-Monotherapie, zusammen mit einer Diät und Bewegung, den Blutzucker nicht ausreichend kontrolliert.

     

Quelle

Dr. Michael Krekler, München; Dr. Kristian Löbner, Wedel; Prof. Dr. Wolfgang E. Schmidt, Bochum; Prof. Dr. Petra-Maria Schumm-Draeger, München; Dr. Veronika Hollenrieder, Unterhaching: "Eine neue Perspektive für bekannte Herausforderungen in der Behandlung des Typ 2 Diabetes: Saxagliptin – eine neue Therapieoption", Berlin, 27. Oktober 2009, veranstaltet von der Bristol-Myers Squibb GmbH & Co. KGaA, München, und der AstraZeneca GmbH, Wedel.

 


Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

 

 

DPP-4-Inhibitoren Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1) und Glucose-­dependent insulinotropic peptide (GIP) werden unter dem Begriff Inkretine zusammengefasst. GLP-1 eignet sich nicht als Arzneimittel, denn es wird innerhalb von wenigen Minuten durch das Enzym Dipeptidylpeptidase 4 (DPP 4) inaktiviert. Hier wirken die DPP-4-Inhibitoren Vildagliptin, Sitagliptin und Saxagliptin: Sie blockieren die DPP 4 und erhöhen damit den Spiegel von GLP-1 und GIP. Sie wirken bedarfsgerecht nur dann, wenn das GLP-1 nach einer Kohlenhy­drataufnahme auch ausgeschüttet wird.
Handelsname: Onglyza
Hersteller/Vertreiber: Bristol Myers Squibb/Astra Zeneca, München
Einführungsdatum: 1. November 2009
Zusammensetzung: Jede Tablette enthält 5 mg Saxagliptin (als Hydrochlorid). Sonstige Bestandteile: Tablettenkern: Lactose-Monohydrat, mikrokristalline Cellulose (E 460i), Croscarmellose-Natrium (E 468), Magnesiumstearat. Filmüberzug: Poly(vinylalkohol), Macrogol 3350, Titandioxid (E 171), Talkum (E 553b), Eisen(III)-oxid (E 172). Drucktinte: Schellack, Indigocarmin-Aluminiumsalz (E 132).
Packungsgrößen, Preise und PZN: 28 Filmtabletten, 59,06 Euro, PZN 1753693; 98 Filmtabletten, 182,61 Euro, PZN 175379.
Stoffklasse: Antidiabetika; Dipeptidyl-Peptidase-4-(DPP-4)-Inhibitor, ATC-Code: A10BH03.
Indikation: Zur Therapie bei erwachsenen Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus mit Metformin, einem Sulfonylharnstoff oder einem Thiazolidindion, wenn eine entsprechende Monotherapie zusammen mit einer Diät und Bewegung den Blutzucker nicht ausreichend senkt.
Dosierung: 5 mg einmal täglich zur Kombinationstherapie mit Metformin, einem Thiazolidindion oder einem Sulfonylharnstoff, unabhängig von einer Mahlzeit und zu jeder Tageszeit.
Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.
Nebenwirkungen: Sehr häufig: Hypoglykämie (in Kombination mit Glibenclamid). Häufig: Infektion der oberen Atemwege, Harnwegsinfektion, Gastroenteritis, Sinusitis, Nasopharyngitis; Kopfschmerzen; Erbrechen; periphere Ödeme.
Wechselwirkungen: Saxagliptin wird hauptsächlich über Cytochrom P450 3A4/5 verstoffwechselt. CYP3A4-Induktoren wie Carbamazepin, Dexamethason, Phenobarbital, Phenytoin und Rifampicin können die blutzuckersenkende Wirkung von Saxagliptin reduzieren. Saxagliptin und sein Hauptmetabolit wirken in vitro weder als Inhibitor noch als Induktor von CYP450-Enzymen.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Um das Risiko einer Hypoglykämie zu verringern, kann es erforderlich sein, die Sulfonylharnstoff-Dosis bei Kombination mit Saxagliptin zu reduzieren. Sollte nicht bei Patienten angewendet werden, die schon einmal eine schwere Überempfindlichkeitsreaktion gegenüber einem Dipeptidyl-Peptidase-4-(DPP4)-Inhibitor hatten. Eine Überwachung von Hauterkrankungen hinsichtlich Blasenbildung, Ulcera und Hautausschlag wird empfohlen.

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