Aus der Hochschule

Qualität von Arzneimitteln alternativer Therapierichtungen

Teilnehmer am Expertentreffen (von links): H. Sievers, F. Stintzing, E. A. Stöger, R. Daniels, G. Cimino, G. Franz, J. Maier, D. Schnädelbach, P. Pedersen, C. Mol, F. Bernhard, U. Riegert, K. Schleisiek, M. Rozumek, H. Judex.
Foto: Chirstiaan Mol

Bei dem von Prof. Dr. Rolf Daniels, Direktor des Pharmazeutischen Instituts in Tübingen, moderierten Expertentreffen ging es darum, Gemeinsamkeiten bei Arzneimitteln der alternativen Therapierichtungen zu bestimmen, Unterschiede herauszuarbeiten und Aspekte der pharmazeutischen Qualität zu diskutieren.

Gleich im Einleitungsvortrag betonte Chemiker Martin Rozumek, dass das Ausgangsmaterial und der Herstellungsprozess weitgehend die Qualität eines Präparates bestimmen, dass diese Qualität aber mittels Analytik nicht vollständig kontrolliert werden kann.

Arzneimittel der anthroposophischen Medizin

"In der anthroposophischen Therapierichtung wird eine Korrespondenz zwischen dem Ausgangsstoff aus der Natur und der pharmazeutischen Verwandlung zu der Diagnose angestrebt", erläuterte Dr. Giancarlo Cimino, Experte bei der European Medicines Agency (EMEA). Aus anthroposophischer Sicht gibt es einen gesetzmäßigen, durch die Evolution bedingten Zusammenhang zwischen den Naturreichen Mineral, Pflanze, Tier und dem Menschen. Arzneimittel dürfen nur aus natürlichen Ausgangsstoffen hergestellt werden. Das jeweilige Verfahren, z. B. Mazeration, Digestion bei 37 °C oder Dekoktion, wird im Hinblick auf das therapeutische Ziel gewählt. Analytisch können die eingesetzten Verfahren nicht immer nachgewiesen werden.

Arzneimittel der TCM

"Die Arzneimittel der TCM sind durch eine eigenständige Wirkungsdefinition und eine von der westlichen Phytotherapie grundverschiedene Indikationsbeschreibung charakterisiert", erklärte Apotheker und Sinologe Erich A. Stöger. Die postulierte Wirkung leitet sich im Grunde von den Geschmacksrichtungen ab (scharf, süß, neutral, sauer, bitter, salzig, adstringierend), auf denen ein genaues Arzneimittelbild aufbaut. Chemisch definierte Inhaltsstoffe spielen keine Rolle für die Indikationen. Unterschiedliche Aufbereitungen nach der Ernte oder vor der Verarbeitung liefern bei botanisch identischem Ausgangsmaterial oft optisch und sensorisch unterschiedliche Drogen, die sich aber analytisch kaum unterscheiden.

Prof. Dr. Gerhard Franz, Chairman der Expertengruppe TCM – Pflanzliche Drogen der Europäischen Arzneibuchkommission, erläuterte die Problematik, die in stark steigenden Mengen importierten Drogen und Arzneimittel der TCM auf Verunreinigungen und Verfälschungen zu prüfen. Deshalb haben die Deutsche und die Europäische Arzneibuchkommission beschlossen, verschiedene TCM-Drogen in verbindlichen Monographien nach den hier üblichen Standards (Identität, Reinheit, Gehalt) zu implementieren.

Dadurch wird in erster Linie der Patientensicherheit Rechnung getragen. Denn aus der Sicht der TCM bieten diese Qualitätsstandards "wenig bis gar keinen Bezug zum therapeutischen Wert der Droge, da z. B. die Gehaltsbestimmung von Inhaltsstoffen nur wenig über die tatsächliche Qualität der Droge aussagt und die traditionellen Vorbehandlungsaspekte bei der Monographieerstellung nicht berücksichtigt werden", wie Stöger betonte.

Phytopharmaka

"Die Phytotherapie nimmt im Konzert der Therapierichtungen eine Zwischenstellung ein", so Dr. Hartwig Sievers. Patienten und Ärzte sehen in ihr eine natürliche, gut verträgliche Alternative zur Schulmedizin bei leichten bis mittelschweren Erkrankungen. Viele Phytopharmaka sind fixe Kombinationen von Drogenextrakten. Die Qualität pflanzlicher Zubereitungen hängt in hohem Maße von der Qualität der Drogen und dem Herstellungsprozess ab. Zudem ist die Phytotherapie immer stärker darum bemüht, die wirksamen oder wirksamkeitsmitbestimmenden Inhaltsstoffe ihrer Zubereitungen zu identifizieren. Davon abgesehen gilt die Zubereitung in ihrer Gesamtheit als "der Wirkstoff", da Begleitstoffe z. B. als Koeffektoren oder Modulatoren der Resorption die Wirksamkeit und Verträglichkeit des Präparates mit beeinflussen.

Homöopathische Arzneimittel

"Die Homöopathie ist ein traditionelles Heilverfahren", erläuterte Arzneibuchexperte Dr. Dietrich Schnädelbach, "deshalb muss die Qualität homöopathischer Arzneimittel in erster Linie der Tradition entsprechen. Sie muss außerdem angemessen und konstant sein – das gilt auch für die Ausgangsstoffe."

Die Qualität homöopathischer Zubereitungen ist durch die Qualität der Ausgangsstoffe und die Verarbeitung nach traditionellen Herstellungsregeln bestimmt. Wo die Tradition nicht hinreichend genau überliefert ist, wird sie durch zusätzliche Konventionen ergänzt. Beispielsweise kann es erforderlich sein, die verwendeten Teile und den Erntezeitpunkt einer Arzneipflanze genauer zu bestimmen. Die Qualität der Zubereitungen wird mittels traditioneller Kriterien wie Trockenrückstand und Ethanolgehalt von Urtinkturen kontrolliert. Zunehmend werden auch moderne Prüfverfahren wie Dünnschichtchromatographie und Gehaltsbestimmungen eingesetzt, um die Qualität zusätzlich zu kontrollieren; deren Relevanz für die Qualität homöopathischer Zubereitungen ist jedoch teilweise unbekannt oder umstritten.

Die Monographien und Herstellungsregeln im Homöopathischen Arzneibuch werden bisher nicht kommentiert. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass insbesondere die Gründe für Festlegungen erläutert werden sollten, wenn diese nicht unmittelbar verständlich sind und die Gefahr besteht, dass sie in Vergessenheit geraten. Deshalb sollte die deutsche Tradition, das Arzneibuch zu kommentieren, auf das HAB ausgedehnt werden.

Fazit

Nicht selten wird den alternativen Therapierichtungen vorgeworfen, sie befassten sich zu wenig mit Fragen der Qualitätssicherung. Die Teilnehmer der Veranstaltung in Tübingen haben jedoch klar gemacht, dass die Qualität durch Prüfung der Ausgangsstoffe und genau beschriebene, kontrollierte Herstellungsverfahren mit einer entsprechenden Analytik gesichert werden muss. Bei einer qualitativ hochwertigen Prozesskette kann der Aufwand für Prüfung und Dokumentation auf das Nötige beschränkt werden.


Christiaan Mol
Referenten
Dr. Frank Bernhard, Herstellungsleiter pflanzlicher und tierischer Urtinkturen nach HAB; Dr. Giancarlo Cimino, anthroposophischer Arzt und Mitglied im EMEA-Ausschuss für Monographien zu Sicherheit und Wirksamkeit von pflanzlichen Arzneimitteln; Prof. em. Dr. Gerhard Franz, Chairman der Expertengruppe TCM – Pflanzliche Drogen der Europäischen Arzneibuchkommission; Dr. Peter Pedersen, Mitglied im HAB-Ausschuss Herstellungsregeln; Dipl.-Chem. Martin Rozumek, Fa. Wala Heilmittel; Dr. Dietrich Schnädelbach, ehemaliger Leiter der deutschen Delegation beim Europäischen Arzneibuch; Dr. Hartwig Sievers, Fa. Phytolab; Erich A. Stöger, Apotheker und Sinologe.

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