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Schwierige Annäherung in der Gesundheitspolitik

BERLIN (ks). Union und FDP verhandeln in der zweiten Woche über ihre künftige gemeinsame Regierungsarbeit und sind damit in einer entscheidenden Phase angelangt. Am kommenden Wochenende (16./17. Oktober) soll die "Große Koalitionsrunde" zusammenkommen, um die "wichtigen Strukturentscheidungen" für den Koalitionsvertrag zu beschließen, erklärte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla zu Wochenbeginn. In der Gesundheitspolitik besteht mittlerweile zumindest darüber Einigkeit, dass die Lohnnebenkosten nicht steigen sollen. Auch über eine Neuordnung im Pharmamarkt und ein Verbot von Arzneimittel-Abholstellen soll man sich bereits verständigt haben.

Am 12. Oktober verhandelte die Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege erstmals über Finanzierungsfragen. "Deutlich zu machen, dass die Lohnnebenkosten in Deutschland nicht weiter steigen dürfen, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland nicht belastet wird – das ist absolut Konsens", sagte die Verhandlungsführerin der Union für die Gesundheitspolitik, Dr. Ursula von der Leyen (CDU). Auch Dr. Philipp Rösler, der für die Liberalen die Arbeitsgruppe führt, betonte, dass die Kosten-steigerungen bei den Krankenkassen nicht zulasten des Lohnzusatzkostenfaktors Arbeit gehen dürften. "Deswegen braucht man langfristig auch eine Entkoppelung", sagte der niedersächsische Wirtschaftsminister. Die FDP ist nunmehr offenbar auch bereit, Abstriche bei ihren Forderungen zum Gesundheitsfonds in Kauf zu nehmen. Rösler sprach davon, das Ziel der Gespräche sei nicht mehr die Abschaffung des Fonds, sondern eine Neuordnung des Gesundheitssystems. Auf Änderungen an der Struktur des Fonds drängt auch die CSU: "Wenn man versucht ihn zu erhalten, dann muss man ihn grundlegend umgestalten", erklärte der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder. Er forderte, den Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen so zu stutzen, dass mehr Geld in Süddeutschland bleibt. Zudem soll nach Vorstellung der CSU künftig nur noch ein 14-prozentiger Beitragssatz in den Fonds fließen. Die restlichen 0,9 Prozent, die allein die Versicherten tragen, sollen der Finanzautonomie der Kassen unterstellt werden. Dieser Ansatz dürfte auch der FDP entgegenkommen, wenn man auf diese Weise zu einem lohn-unabhängigen Zusatzbeitrag kommt, der den Weg in ein Prämiensystem ebnen könnte.

Pharmasektor auf dem Prüfstand

Um das geschätzte Defizit im Gesundheitsfonds von 7,5 Mrd. Euro im kommenden Jahr auszugleichen, ohne dass die Arbeitgeber weiter belastet werden, können allerdings kaum nur die Versicherten über Zusatzbeiträge herangezogen werden. Da von der Leyen den Ruf nach mehr Steuergeldern im System bereits zurückgewiesen hat, werden sich die Koalitionäre auch die Ausgabenblöcke auf mögliche Einsparmöglichkeiten hin ansehen. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Annette Widmann-Mauz, betonte, dass man sich den Bereichen mit besonderen Ausgabensteigerungen "in besonderer Weise" widmen werde – so auch den Arzneimittelkosten. Angestrebt würden "faire Preise" – insbesondere für neue Arzneimittel nach Markteintritt. Dass man im Pharmasektor grundlegend aufräumen will, hatten Union und FDP vor der Wahl immer wieder angesprochen: "Wir wollen eine Neuordnung des Arzneimittelmarktes und teilweise sich widersprechende Regeln auf den Prüfstand stellen”, betonte der FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr erneut.

Pick-up-Verbot

Indessen meldete die "Berliner Zeitung" (Ausgabe vom 10. Oktober), dass sich die Arbeitsgruppe bereits darauf verständigt habe, den Versandhandel mit Medikamenten einzuschränken. So sollen Arzneimittel-Abholstationen – etwa in Drogeriemärkten – verboten werden, hieß es unter Berufung auf Verhandlungskreise. Begründet werde das Verbot mit der mangelnden Patientensicherheit. Angesichts der Tatsache, dass sich Vertreter aller drei Parteien im Vorfeld der Bundestagswahl – so zuletzt auf dem Deutschen Apothekertag in Düsseldorf – wiederholt dafür stark gemacht hatten, Pick-up-Stellen für Arzneimittel zu verbieten, sollte eine solche Einigung nicht schwergefallen sein.

Superministerium für von der Leyen?

Auch neue Spekulationen um die künftige Besetzung der Ministerien und deren Zuschnitt wurden diese Woche laut. Wie das "Hamburger Abendblatt" am 13. Oktober unter Berufung auf Parteikreise schrieb, könnte von der Leyen möglicherweise ein "Superministerium" für Gesundheit und Familie übernehmen. Die Ärztin hatte ein solches Doppelressort bereits als niedersächsische Landesministerin inne, bevor sie 2005 von Bundeskanzlerin Merkel nach Berlin geholt wurde. Ganz ungewöhnlich ist die Zusammenlegung der Ministerien auch im Bund nicht. Auch von 1969 bis 1991 waren die seinerzeitigen Ministerinnen und Minister für beide Bereiche zuständig, so etwa die CDU-Politiker Heiner Geißler und Rita Süßmuth. Dass von der Leyen an der Gesundheitspolitik interessiert ist, ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Allerdings kann man sich fragen, ob eine so populäre Politikerin gut beraten ist, das wenig prestigeträchtige Ressort von Ulla Schmidt zu übernehmen. Möglicherweise könnte sie in ihrer Zuständigkeit als Familienministerin wieder Pluspunkte sammeln. Die FDP hätte nach Abendblatt-Informationen wohl nichts gegen eine Doppelministerin von der Leyen einzuwenden. Die Liberalen haben es auf andere Kabinettsposten abgesehen. Entschieden werden die Personalfragen und die Zuschnitte der Ministerien aber erst am Ende der Koalitionsverhandlungen. Auch der Chef des Bundesversicherungsamtes und ehemalige saarländische Sozialminister Josef Hecken (CDU) dürfte als möglicher Kandidat für das Ministeramt noch nicht aus dem Rennen sein.

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