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Rabattverträge und Beipackzettel – Gefahr für Patienten

WIESBADEN (daz). Mit einer großen Ärztebefragung versuchten die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), die Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten e.V. (DGVP) und die medizinische Fachzeitschrift "Medical Tribune" Daten zur Compliance im Zeitalter der Rabattverträge zu bringen. Wichtigste Ergebnisse der Studie: Durch unkorrekten Umgang mit Arzneimitteln geraten zahlreiche Patienten in lebensbedrohliche Situationen.
Rabattverträge sind eine wichtige Ursache für mangelnde Compliance – so das Ergebnis einer Ärztebefragung.
Foto: AOK-Mediendienst

Hauptursachen für schlechte Compliance sind eine Verunsicherung durch den Beipackzettel und häufig wechselndes Aussehen wirkstoffgleicher Präparate – bedingt durch die Rabattverträge der Krankenkassen. Krankheiten, bei denen Ärzte mit schlechter Compliance ihrer Patienten am schwersten zu kämpfen haben, sind der Umfrage zufolge Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes und psychiatrische Leiden.

Praktische Ärzte, Fachärzte für Allgemeinmedizin und Internisten nahmen an der von Ratiopharm gestützten Erhebung teil, die im Sommer 2009 durchgeführt wurde. Der Erhebungsbogen enthielt sieben Fragen zum Thema Compliance, die die Mediziner teils gestützt, teils ungestützt beantworten sollten. 4984 Fragebogen wurden in die Auswertung einbezogen. "Die Ergebnisse könnten dafür sprechen, dass mangelnde Compliance zum erheblichen Teil von der Gesundheitspolitik mit verursacht wird. Die Vorschriften zur Gestaltung des Beipackzettels schießen über das Ziel hinaus, ebenso wie die Rabattvertragsregelungen, die dazu geführt haben, dass die Patienten für dieselbe Therapie vom Apotheker wechselnde Präparate erhalten", erklärt DGIM-Vorstandsmitglied Professor Richard Raedsch.

So sehen laut Umfrageergebnis 91% der Ärzte Gründe für mangelnde Compliance darin, dass die Patienten durch die Packungsbeilage verunsichert werden, in der auch sehr seltene Nebenwirkungen aufgeführt werden müssen. Außerdem zwingen die Rabattverträge Apotheker dazu, auf Kassenrezept sogar Präparate auszuhändigen, die für die Erkrankung des Patienten – obwohl wirkstoffgleich – laut Beipackzettel gar keine Zulassung haben.

An zweiter Stelle in der Liste der Compliance-Killer steht mit über 80% das wechselnde Aussehen von Präparaten. Dieser Umstand ist durch den Präparateaustausch aufgrund von Rabattverträgen bedingt. Besonders groß sei hier die Gefahr einer versehentlichen Überdosierung, weil Patienten Restbestände der gewohnten Tabletten und zusätzlich die anders aussehenden neuen Tabletten einnehmen, heißt es in der Pressemitteilung. Auch die riskante Verwechslung ähnlich lautender Wirkstoffe (z. B. Metoprolol gegen Bluthochdruck und Metformin gegen Diabetes, Lisino® gegen Heuschnupfen und Lisinopril zur Therapie von Bluthochdruck, Herzinsuffizienz und Herzinfarkt, Tegretal® zur Therapie von Epilepsie und Trental® gegen Durchblutungsstörungen) wurde dokumentiert, wenn Patienten öfter neue, ungewohnt aussehende Präparate erhielten.

Erstaunt waren die Initiatoren der Praxisstudie über die gravierenden Auswirkungen mangelnder Compliance. Auf die Frage, ob sie als Folge von Einnahmefehlern bei ihren Patienten schon ernste Probleme erlebt hätten, schrieben über 3000 Ärzte und damit über 60% der Teilnehmer Beispiele solcher Komplikationen auf, so die Presseinfo weiter. So berichteten Ärzte in der Studie über bedrohliche Unterzuckerungen bei Diabetikern, kritische Blutdruckverläufe, Blutungskomplikationen durch Überdosierung blutverdünnender Mittel bis hin zu Fällen von Koma, Amputationen und Todesfolge.

"Unsere Studie hat klar gezeigt, dass Patienten durch Compliance-Probleme schwerwiegende Gesundheitsschäden davontragen können. Verbesserte gesundheitspolitische Rahmenbedingungen und mehr Information und Kontrolle durch Ärzte und Apotheker sind dringend nötig", so DGVP-Präsident Wolfram-Arnim Candidus.

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